Münchner Großbaustellen
Süle-Verletzung, Punktverlust, Teilzeit-Müller: FC Bayern schlittert Richtung Herbst-Krise
AUGSBURG - Wer wissen möchte, wie es derzeit in Niko Kovac aussieht, kann getrost auf die Ferndiagnose von Stefan Reuter zurückgreifen. Nach dem 2:2 (1:1) seiner Mannschaft gegen den FC Bayern München sagte Augsburgs Geschäftsführer: „Natürlich nimmt ihn das mit. Man sieht doch, wie es bereits jetzt in ihm arbeitet.“„Das“, das waren vordergründig der Kreuzbandriss, den sich Niklas Süle im Kopfballduell mit Florian Niederlechner zuzog und dessen Folgen. Denn der Abwehrchef des Rekordmeisters fällt damit nicht nur wohl mindestens ein halbes Jahr aus, sein Fehlen reißt auch immense Löcher: in der Defensive des FC Bayern, der Nationalmannschaft sowie ins Teamgefüge.
Aber nicht nur die schwere Verletzung (Kovac: „Das Schlimmste, was heute passiert ist“) sorgte für finstere Mienen bei den Bayern-Bossen, die zügig gen Ausgang stapften. Nach dem Schock-Remis von Augsburg stellen sich die Münchener auch selbst die Mentalitätsfrage – die derzeit obligatorische Diskussion um Bankdrücker Müller gibt es noch on top. Manuel Neuer wollte nicht von Überheblichkeit sprechen, aber es sei schon etwas lässig und vielleicht auch zu selbstbewusst gewesen. „Ich denke, es ist auch ein Kopfproblem, dass man sich Punkte klauen lässt. Das ist nicht Bayern-like“, monierte der Torhüter.
Erinnerungen an vergangenes Jahr
Dabei scheint genau das eben doch Bayern-like. Die BayernGranden dürften derzeit häufiger ein Déjà-vu verspüren, also eine Erinnerung an den turbulenten Vorjahresherbst, der Kovac fast den Job kostete. Auch diesmal haben die Bayern den Herbst-Blues. Trainer-Legende Friedhelm Funkel sagte der „Bild“sogar: „In den letzten zwei Jahren stimmt es bei denen definitiv nicht mehr. Die haben jetzt schon zehn Gegentore bekommen.“Sein Kollege Kovac wollte da nicht ganz mitgehen, sagte trotzig: „Wir stehen jetzt punktemäßig wohl in etwa so da wie letztes Jahr, aber vom Fußball, da sind wir schon besser.“
Das Blitz-Tor von Augsburgs Marco Richter nach 27 Sekunden sowie das Last-Minute-Tor von Alfred Finnbogason (90.+1) wollten seine Einschätzung nicht so ganz trüben – Rekordmann Robert Lewandowski (14./nun an den acht ersten Spieltagen erfolgreich) sowie Serge Gnabry (49.) hatten zwischenzeitlich für berechtigte Sieghoffnung gesorgt.
„Wir haben heute ein gutes Spiel gemacht, aber zweimal geschlafen“, sagte Kovac. Der Trainer hätte es unter den Umständen sogar gut geheißen, wenn sich der große FC Bayern gegen den kleinen bayerischen Konkurrenten im Mauern geübt hätte: „Wenn es zum Ende hin 2:1 steht, dann muss man eben auch als Bayern München sich hinstellen, gut verteidigen, da brauchen wir nicht noch ein drittes Tor, sondern kein zweites vom Gegner.“
Die Ansprüche werden also auch beim Rekordmeister angepasst. Nicht verwunderlich, immerhin ist die schlechteste AchtSpieltage-Bilanz seit neun Jahren perfekt. 2010/11 war es ähnlich, Borussia Dortmund wurde Meister – und Trainer Louis van Gaal musste schon während der Saison gehen. Ebenfalls nicht neu: Schon vor acht Monaten hatten die Bayern in Augsburg nach nur 13 Sekunden ein Eigentor gefangen. Nicht ganz unkritisch fügte Kovac deshalb verteidigend an: „Ich kann nur auf Dinge hinweisen, umsetzen müssen es die Spieler.“
Überaus dünnhäutig reagierte der Trainer, als die obligatorische Nachfrage zu Thomas Müller kam. Zum sechsten Mal in Serie gehörte der Urbayer nicht zur ersten Elf. Die Fans im Gästeblock hatten seine Einwechslung in der 78. Minute gefordert und dann in der 80. Minute gefeiert. Groß reden wollte Kovac über dies Thema allerdings nicht mehr: „Ich finde, dass die Mannschaft, die auf dem Platz war, das außerordentlich gut gemacht hat“, sagte Kovac. Zudem verwies er ungefragt darauf, dass Müller eine Großchance („einen dicken Sitzer“) ausgelassen hätte. Die Diskussionen dürften nicht nur dank solcher Aussagen beim FC Bayern nicht abreißen.