Aalener Nachrichten

Schweizer Grüne sehen sich regierungs­bereit

Ökopartei will nach Wahlerfolg an der Macht teilhaben – Doch in der helvetisch­en Politik gelten eigene Regeln

- Jan Dirk Herbermann

GENF - Das Lager der Ökologiepa­rteien ist bei den Parlaments­wahlen in der Schweiz am Sonntag auf mehr als 20 Prozent gekommen: Die Grüne Partei, die im politische­n Spektrum links steht, kam auf gut 13 Prozent; die eher wirtschaft­sorientier­ten Grünlibera­len auf fast acht Prozent. Nun beherrscht eine Frage die Schweizer Politik: Können die Grünen ihren Wahltriump­h in politische Gestaltung­smacht ummünzen? Konkret geht es um eine Regierungs­beteiligun­g der Grünen Partei – in der Geschichte der Schweiz wäre das ein Novum.

Die Frage der grünen Machtteilh­abe stellt sich umso lauter, als alle vier Regierungs­parteien Verluste hinnehmen mussten: Am stärksten sackte die rechtskons­ervative Schweizeri­sche Volksparte­i ab, sie bleibt aber mit knapp 26 Prozent stärkste Partei. Auch die Sozialdemo­kraten, die liberale FDP und die Christlich­demokratis­che Volksparte­i CVP büßten Stimmen ein. Mit Genugtuung sprechen Grüne von einem „Misstrauen­svotum“gegen die vier.

Schwache Christdemo­kraten

Vor allem die schwache Performanc­e der bislang viertstärk­sten Partei, der CVP, eröffnet den Grünen die Chance, in die Regierung einzuziehe­n. Nach den ungeschrie­benen Gesetzen der Schweizer Konkordanz­demokratie teilen sich die vier stärksten Parteien die sieben Sitze im Bundesrat, der Regierung. Und am Sonntag lösten die Grünen die CVP, die nur noch 11,4 Prozent der Stimmen erreichte, als viertstärk­ste Kraft ab.

Doch Grünen-Präsidenti­n Regula Rytz ziert sich. „Wir wären bereit, aber ob wir den Anspruch jetzt erfüllen können, ist offen“, sagte die Parteipräs­identin der „Neuen Zürcher Zeitung“. Offensiver nimmt GrünenFrak­tionschef Balthasar Glättli die Machtfrage in Angriff: „Wenn wir frei entscheide­n könnten, würden wir den Sitz morgen nehmen, aber auch hier sind es die anderen Parteien, die uns den Zutritt zur inneren Kammer der Macht geben müssen“, sagte er auf SRF-News.

Tatsächlic­h können die Grünen keinen rechtliche­n Anspruch auf einen Sitz im Bundesrat erheben. Falls sich die bisherigen Regierungs­parteien als Politkarte­ll gebärden und keine von ihnen bereit ist, einen Sitz abzugeben, dürften die Grünen leer ausgehen. Das Kungeln hinter den Kulissen ist die andere Seite der Schweizer Konkordanz.

Die Stunde der Wahrheit schlägt im Dezember: Dann wählen beide Kammern des Parlaments, die 200 Nationalrä­te und die 46 Ständeräte, die sieben Bundesräte. Bis dahin müssen die Grünen eine Strategie festzurren, um in das Kabinett einzuziehe­n. Ohne Sitz und Stimme im Bundesrat dürfte der spektakulä­re grüne Wahlerfolg vom Sonntag erheblich an Strahlkraf­t verlieren.

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FOTO: DPA „Ob wir den Anspruch jetzt erfüllen können, ist offen“: Regula Rytz, Chefin der Schweizer Grünen.

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