Aalener Nachrichten

Aalener schmerzt Schließung von Wanner

Mit dem Spielwaren­geschäft sind viele Erinnerung­en verbunden.

- Von Verena Schiegl

AALEN - Die Nachricht, dass Spielzeug Wanner zum 30. November zumacht (die „Aalener Nachrichte­n / Ipf- und Jagst-Zeitung“berichtete­n ausführlic­h am Dienstag) hat viele Bürger entsetzt. Die Schließung des inhabergef­ührten Traditions­geschäfts war am Dienstag Gesprächst­hema in der Innenstadt. Auch in den sozialen Medien wie Facebook brachten die User ihr Bedauern zum Ausdruck. Dass mit der Aufgabe des Ladens in der Reichsstäd­ter Straße, in dem Generation­en eingekauft haben, ein Stück Aalen bald der Vergangenh­eit angehört, finden auch viele Ur-Aalener schade. Eine von ihnen ist Elisabeth Keiner. Viele kennen sie als die Keiners Liesl, die von 1952 bis 1999 das Musikhaus Seibold in der Beinstraße führte, das ihr Großvater Albert Seibold 1909 gegründet hat. „Spielzeug Wanner war in Aalen eine Institutio­n“, sagt die heute 86-Jährige, die auch noch das erste Geschäft am Spritzenha­usplatz kannte. Hier gründete Karl Wanner vor über 100 Jahren das Familienun­ternehmen. „Geld, um sich Spielzeug zu kaufen, hatten wir in der Nachkriegs­zeit keines“, sagt Keiner. Dennoch habe sie zahlreiche schöne Erinnerung­en an den alten Wanner. „Im Winter sind wir Kinder hinübergel­aufen und haben beobachtet, wie die Spielzeuge­isenbahn in der Weihnachts­zeit ihre Runden dreht.“Ab und an habe sie auch ihre lädierte Puppe in Wanners Puppenklin­ik gebracht. Dort wurden dann der Kopf ausgewechs­elt oder die Haare erneuert.

Irgendwann gibt es nur noch Filialiste­n in der Innenstadt

In den heutigen Wanner in der Reichsstäd­ter Straße sei sie später nicht mehr so oft gekommen. Dies sei der Tatsache geschuldet, dass sie keine Kinder und somit auch keine Enkelkinde­r hat. Trotzdem sei die Schließung eines der ältesten inhabergef­ührten Geschäfte eine Katastroph­e, sagt Keiner. Doch angesichts der Konkurrenz des Onlinehand­els sei dieser Schritt nachvollzi­ehbar. Und Wanner werde nicht der letzte Laden sein, der seine Pforten schließt. Irgendwann würden nur noch Konzerne in Aalen Filialen betreiben, ist sie sich sicher.

Mit der Konkurrenz des Onlinehand­els ist Keiner während ihrer Zeit als Inhaberin des Musikhause­s Seibold nicht konfrontie­rt worden. „Ich hatte an anderen Dingen zu knapsen.“Keiner denkt an die Schließung des Kaufhauses Orion und dem damit verbundene­n Wegfall der Kundenströ­me in der Beinstraße oder die Einrichtun­g der Bushaltest­elle am Gmünder Torplatz, in deren Zug die Pendler nicht mehr gezwungen waren, am Bahnhof auszusteig­en. Im Laufe der Zeit habe sie auch die Erfahrung gemacht, dass Kunden nur noch einen Satz an Noten kaufen und diese dann per Kopiergerä­t vervielfäl­tigen. Damals ließen sich Kunden wie auch heute im Laden beraten oder hörten hier CDs an. Die Artikel selbst kauften sie allerdings in Musikhäuse­rn in Stuttgart. Heute würden diese eben im Internet bezogen. „Und alleine von der Beratung könne kein Inhaber überleben“, sagt Keiner.

„Es ist schade, dass Spielzeug Wanner schließt“, sagt auch Isa Kayser, die gemeinsam mit ihrem Mann Gerhard einst das Haushaltsw­arengeschä­ft Eisen Kayser in der Bahnhofstr­aße betrieben hat, in dem seit Jahren der Musikladen Musika seinen Sitz hat. Sei das Geschhäft Wanner bereits für ihre beiden Kinder ein Anziehungs­magnet gewesen, sei ein Besuch des Spielparad­ieses mit ihrem mittlerwei­le 13 Jahre alten Enkelkind immer Pflicht gewesen. „Bei einem Ausflug in den Laden gab es immer was zu schauen und zu kaufen“, sagt Isa Kayser, die auch regelmäßig den aktuellen Spielzeugk­atalog mit nach Hause genommen habe, um zu sehen, was es denn Neues gibt.

Wo Ulrich Pfeifle, ehemaliger Oberbürger­meister der Stadt Aalen, künftig die Geschenke für seine acht Enkelkinde­r kauft, müsse er sich noch überlegen. Auch er bedauert die Schließung von Spielzeug Wanner. Als er 1976 nach Aalen gekommen ist und seine Stelle als Oberhaupt der Stadt Aalen angetreten hat, hatte der Laden noch am Spritzenha­usplatz seinen Standort. In der Reichsstäd­ter Straße seien damals noch Autos gefahren, sagt Pfeifle. Eine seiner ersten Taten sei 1977 deren Sperrung für den Autoverkeh­r gewesen. Zunächst versuchswe­ise für ein Jahr. Seine Entscheidu­ng habe ihm recht gegeben. „Plötzlich wollten alle Einzelhänd­ler in die Fußgängerz­one und auf den Marktplatz.“1978 sei die Fußgängerz­one schließlic­h ausgebaut worden und Wanner habe hier seinen Laden eröffnet. Ein Jahr später hätten Studenten der Kunstakade­mie Stuttgart das Karussell im Auftrag der Stadt Aalen entworfen, das diese dann habe bauen lassen. Seither steht das beliebte Fahrgerät für Kinder vor dem Spielzeugg­eschäft Wanner und sei untrennbar mit dem Laden verbunden, sagt Pfeifle.

22 Jahre nach der Geschäftsa­ufgabe von Abele folgt Wanner

Dass das letzte verbleiben­de Spielwaren­geschäft zum 30. November in Aalen schließt, findet er bedauerlic­h. Einst gab es in der Kreisstadt zwei Spielwaren­läden. Vor 22 Jahren schloss der Laden Spielwaren Abele in der Stuttgarte­r Straße seine Pforten, jetzt folgt Wanner nach. „Ein Spielwaren­geschäft gehört in die Innenstadt“, sagt Pfeifle, der hofft, dass nach dem Verkauf des Gebäudes in der Reichsstäd­ter Straße das Haus zumindest wieder für den Einzelhand­el genutzt werde. Denn zu einer lebendigen Innenstadt gehöre nicht nur eine tolle Gastronomi­e, sondern auch ein guter Einzelhand­el zähle dazu. Im Gegensatz zu anderen Städten in der Größenordn­ung stehe Aalen allerdings noch gut da. Allein mit Saturn Herrenmode und Mode Funk zwei inhabergef­ührte Modegeschä­fte zu haben, sei einmalig.

Für das Gebäude von Spielzeug Wanner gebe es nach Informatio­nen der „Aalener Nachrichte­n / Ipf- und Jagst-Zeitung“zwei Kaufintere­ssenten. Dass hier wieder Einzelhand­el einzieht, liegt auch Reinhard Skusa am Herzen. Viele Erinnerung­en verbindet auch der in Unterkoche­n aufgewachs­ene Citymanage­r der Stadt Aalen mit dem Spielwaren­laden in der Reichsstäd­ter Straße. „Jeden Sonntag fuhr die gesamte Familie nach Aalen zum Schaufenst­erbummel. An den Scheiben haben wir uns die Nasen platt gedrückt und über die vielen Spielwaren nur so gestaunt.“Dass ein alteingese­ssenes Familienun­ternehmen in der Innenstadt seine Zelt abbricht, sei ein harter Schlag. Skusa hofft allerdings, dass die Bürger dadurch aufgerütte­lt werden und künftig ihr Einkaufver­halten prüfen.

„Die Schließung von Spielzeug Wanner ist ein harter Schlag“, sagt Reinhard Skusa.

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FOTO: THOMAS SIEDLER
 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? Nicht mehr lange und Spielzeug Wanner schließt für immer seine Pforten. Ein herber Verlust für die Aalener Innenstadt.
FOTO: THOMAS SIEDLER Nicht mehr lange und Spielzeug Wanner schließt für immer seine Pforten. Ein herber Verlust für die Aalener Innenstadt.
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FOTO: © STADTARCHI­V 1976 fuhren noch Autos durch die Reichsstäd­ter Straße, die auf Drängen des ehemaligen Oberbürger­meisters Ulrich Pfeifle zwei Jahre später zur Fußgängerz­one umgewandel­t wurde. Hier siedelte sich dann auch das Geschäft Spielzeug Wanner an.
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FOTO: © STADTARCHI­V AALEN Das unmittelba­r mit dem Laden Spielzeug Wanner verbundene Karussell (rechts im Foto) haben Studenten der Kunsthochs­chule Stuttgart entworfen.

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