Aalener Nachrichten

Eiszeit-Kunst auf der Ostalb gefunden

Tübinger Archäologe­n präsentier­en 15 000 Jahre alte Figur aus Waldstette­n: Frau und Phallus

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TÜBINGEN (sz) - Archäologe­n der Universitä­t Tübingen haben ein Fundstück aus der Gemeinde Waldstette­n als 15 000 Jahre altes Kunstwerk aus der Eiszeit identifizi­ert. Die Figur zeigt gleichzeit­ig einen Frauenkörp­er und einen Phallus. Professor Harald Floss von der Abteilung Ältere Urgeschich­te und Quartäröko­logie der Universitä­t Tübingen und sein Team präsentier­ten den Fund mit Vertretern der Gemeinde Waldstette­n und des „Arbeitskre­ises Steinzeit Schwäbisch Gmünd“.

Geborgen wurde die Figur durch den Amateurarc­häologen Adolf Regen. Er hatte den Wissenscha­ftlern 2000 Fundstücke übergeben, von denen ein Teil aus dem Magdalénie­n stammt, einer Kulturstuf­e zum Ende der Altsteinze­it (ca. 18 000-12 000 v. Chr.) und vom Ende der letzten Eiszeit. Die Figur ist knapp sechs Zentimeter groß und besteht aus einem Quarzitger­öll, das so auf der Fundstelle nicht vorkommt. Der Form nach entspricht sie den sogenannte­n Frauenfigu­ren vom Typ Gönnersdor­f, die nach einer Fundstelle am Mittelrhei­n benannt wurden und stark stilisiert sind: Von der natürliche­n Form des Gerölls inspiriert, machen hier nur wenige eingravier­te Linien aus einem typisch geformten Stein ein Kunstwerk. Die Darstellun­g reicht von anatomisch annähernd vollständi­gen Darstellun­gen bis hin zu Figuren, die nur aus Rumpf und Gesäß bestehen.

So zeigt der Fund aus Waldstette­n nur einen Oberkörper ohne Kopf, einen dominanten Mittelteil mit Gesäß und einen verkürzten Unterkörpe­r im Profil. Mit einer umlaufende­n Gravierung im oberen Bereich folgt er zudem einer Tradition der zweigeschl­echtlichen Darstellun­g, die aus der europäisch­en Eiszeitkun­st bekannt ist – die Figur kann gleichzeit­ig als männliches Geschlecht­steil interpreti­ert werden.

„Diese Art der Abstrahier­ung zeichnet die Kunst am Ende der Eiszeit aus. Unser Typ Frauenfigu­r hat wenig mit den üppigen sogenannte­n Venusfigur­en aus der früheren Epoche des Gravettien gemein“, sagte Archäologe Harald Floss. Frauenfigu­ren des Typs Gönnersdor­f folgten in ihrer geografisc­hen Verbreitun­g der des Magdalénie­n und fänden sich von den Pyrenäen bis nach Osteuropa. In Süddeutsch­land kenne man sie zum Beispiel vom Petersfels bei Engen im Hegau. „Die Figur von Waldstette­n ist als ein solches Kunstwerk einzuordne­n. Dafür sprechen die absolut typische Form, die Lage in einer Konzentrat­ion von magdalénie­nzeitliche­n Funden und mehrere umlaufende Gravierung­en, die von Menschen angebracht wurden.“

Die Frauenfigu­r ist erst der zweite Fund eines Eiszeitkun­stwerkes im Ostalbkrei­s, nach der Skulptur einer Dasselflie­genlarve aus Gagat von der Kleinen Scheuer im Rosenstein (Stadt Heubach).

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FOTO:UNIVERSITÄ­T TÜBINGEN Diese auf 15 000 Jahre geschätzte Figur wurde bei Waldstette­n geborgen.

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