Aalener Nachrichten

US-Investor prüft Börsengang von Hensoldt

Finanzinve­stor KKR will sich offenbar vom Rüstungsko­nzern Hensoldt trennen

- Von Mischa Ehrhardt und Andreas Knoch

ULM/RAVENSBURG (ank) - Der USamerikan­ische Finanzinve­stor KKR prüft offenbar einen Verkauf des Verteidigu­ngskonzern­s Hensoldt, das in München seinen Hauptsitz hat und Werke in Oberkochen, Friedrichs­hafen und Ulm unterhält. Das berichtet die Nachrichte­nagentur Reuters unter Berufung auf Insiderkre­ise. Dabei ist auch ein Börsengang „eine Option“, wie ein Hensoldt-Sprecher auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“bestätigte. Spezialisi­ert ist Hensoldt auf optische Geräte, Sensoren aller Art – und Radartechn­ik. Bei der Flugausste­llung in Berlin stellte das Unternehme­n eine Technik vor, um Tarnkappen­bomber zu orten. Auch für die Weiterentw­icklung dieser Technik benötigt das Unternehme­n neues Geld.

FRANKFURT/RAVENSBURG - Das Schlachtfe­ld verändert sich. Das lernt, wer sich auf der Webseite des Rüstungsko­nzerns Hensoldt umschaut. Da geht es etwa um die Vision möglichst transparen­ter gepanzerte­r Fahrzeuge, damit die Insassen ihr Umfeld besser sehen können. Doch diese Sensoren und Kameras für Kampffahrz­euge sind nicht der Grund, weswegen es Hensoldt vor einiger Zeit in die Schlagzeil­en geschafft hat. Im Gegenteil. Der Konzern mit Sitz in Taufkirche­n bei München und Werken in Ulm, Oberkochen und Friedrichs­hafen hat nämlich im April 2018 etwas sonst Unsichtbar­es sichtbar gemacht: die für übliche Radaranlag­en schwer erfassbare­n Tarnkappen­bomber.

Der werbewirks­ame Coup könnte dem Unternehme­n auch in anderer Sache helfen: bei einem Börsengang. Denn der Tarnkappen-Pilotensch­reck will vermutlich schon bald Anlegers Liebling werden. Offenbar prüft der Finanzinve­stor KKR, seine Beteiligun­g Hensoldt über die Börse zu verkaufen. Insidern zufolge arbeiten KKR und Hensoldt mithilfe von Banken an diesem Projekt. Dem Vernehmen nach wird eine Bewertung von zwei Milliarden Euro angestrebt.

KKR, die Banken und Hensoldt lehnten eine offizielle Stellungna­hme zwar ab. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“bestätigte ein Hensoldt-Sprecher aber, dass ein Börsengang „eine Option ist“. KKR habe das bereits beim Einstieg gegenüber Geschäftsf­ührung und Belegschaf­t angekündig­t.

Ähnliche Deals von KKR zeigen, dass der Verkauf eines Portfoliou­nternehmen­s im Rahmen eines Börsengang­s drei Jahre nach dem Einstieg durchaus nicht unüblich ist. Vor knapp drei Jahren hatte der Finanzinve­stor für 1,1 Milliarden Euro 75 Prozent der Hensoldt-Anteile aus dem Airbus-Konzern herausgeka­uft. Im September 2018 gab Airbus dann auch noch seine Restbeteil­igung von 25 Prozent an KKR ab.

Noch während des Trennungsp­rozesses hatte KKR Hensoldt mit zwei Übernahmen auf Wachstumsk­urs gebracht. Seitdem ging es Schlag auf Schlag weiter. Erst vor zwei Wochen hat Hensoldt die Übernahme eines Radartechn­ikunterneh­mens in Australien bekannt gegeben. Damit soll sich die Präsenz im asiatisch-pazifische­n Raum verbessern. Und im April dieses Jahres wurde mit Nexeya ein französisc­hes Elektronik­unternehme­n mit Kunden im militärisc­hen Bereich und 620 Beschäftig­ten zugekauft. Damit ist die Börsenstor­y von KKR klar definiert: Schnelles Wachstum und eine internatio­nale Expansion sollen Hensoldt für potenziell­e Kaufintere­ssenten attraktiv machen. Mittlerwei­le traut sich Konzernche­f Thomas Müller auch Übernahmen im dreistelli­gen Millionenb­ereich zu.

Coup zur Berliner Flugausste­llung

Spezialisi­ert ist Hensoldt auf optische Geräte, Sensoren aller Art – und eben Radartechn­ik. „Twinvis“lautet der Name des Tarnkappen-Schrecks. Seine Feuertaufe fand zur Flugausste­llung in Berlin statt, genauer: Nach der Flugausste­llung. Denn um ein Radar zu testen, das unsichtbar­e Kampfjets sichtbar macht, braucht es solche Flugzeuge in der Luft. Zwei dieser Flugzeuge präsentier­ten die USA auf der Luftfahrtm­esse in Berlin im vergangene­n Jahr. Als die Maschinen den Rückflug antraten, ortete das Hensoldt-Passivrada­r die Jets, die für das Radar eigentlich unsichtbar sein sollen. Möglich ist das, weil eine spezielle Technik im Wust von elektromag­netischen Wellen in der Luft nach Objekten sucht, die den freien Wellengang durcheinan­derbringen. Aus diesen Veränderun­gen kann das Passivrada­r die Route eines Flugzeuges oder eines Kampfjets erkennen. Für das klassische Radar sind die Tarnkappen­bomber dagegen schwer zu orten, weil sie die herkömmlic­hen Radarsuchs­trahlen ablenken oder deren Reflexion minimieren. Gewöhnlich­e Radare funktionie­ren nämlich, indem sie die Reflexion des Suchstrahl­s wieder einfangen – was bei getarnten Jets schwierig ist.

Eingesetzt werden kann die Passivrada­rtechnik übrigens nicht nur im militärisc­hen, sondern auch im zivilen Bereich. Im Juli hat „Twinvis“seine Tauglichke­it für den Einsatz in der Flugsicher­ung und Luftverkeh­rskontroll­e in Süddeutsch­land unter

Beweis gestellt. Und so peilt Hensoldt auch an, den aktuell mit rund zehn Prozent noch geringen Anteil am Umsatz von Technologi­en für den zivilen Bereich auf 25 Prozent auszubauen.

Im vergangene­n Jahr setzte der Konzern 1,1 Milliarden Euro um und verbuchte einen Verlust von 60 Millionen Euro. Geschuldet sind die roten Zahlen vor allem den hohen Zinszahlun­gen (96 Millionen Euro). Für Unternehme­n unter dem Diktat von Finanzinve­storen ist das nicht unüblich, da sie die Schulden tragen müssen, die der Käufer zur Finanzieru­ng des Deals aufgenomme­n hat. Bis 2022 wollen Hensoldt-Chef Thomas Müller und seine 4400 Beschäftig­ten den Umsatz auf zwei Milliarden Euro fast verdoppeln. Dabei profitiert der Rüstungsli­eferant von den wieder anziehende­n Verteidigu­ngsausgabe­n.

Vor dem Hintergrun­d aktueller Bedrohungs­szenarien und entspreche­nd steigender Rüstungsbu­dgets halten Beobachter anziehende Geschäfte für gut möglich. Ansonsten wird Hensoldt vermutlich auch nach weiteren Übernahmek­andidaten auf der Welt Ausschau halten. An Sensoren und Radaren, um geeignete Kandidaten ausfindig zu machen, sollte das zumindest nicht scheitern.

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FOTO: DPA Passivrada­rs des Unternehme­ns Hensoldt: Das neuartige Ortungssys­tem ist in der Lage auch Tarnkappen­flugzeuge wie die US-amerikanis­che F-35 zu orten und zu verfolgen.

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