US-Investor prüft Börsengang von Hensoldt
Finanzinvestor KKR will sich offenbar vom Rüstungskonzern Hensoldt trennen
ULM/RAVENSBURG (ank) - Der USamerikanische Finanzinvestor KKR prüft offenbar einen Verkauf des Verteidigungskonzerns Hensoldt, das in München seinen Hauptsitz hat und Werke in Oberkochen, Friedrichshafen und Ulm unterhält. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Insiderkreise. Dabei ist auch ein Börsengang „eine Option“, wie ein Hensoldt-Sprecher auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“bestätigte. Spezialisiert ist Hensoldt auf optische Geräte, Sensoren aller Art – und Radartechnik. Bei der Flugausstellung in Berlin stellte das Unternehmen eine Technik vor, um Tarnkappenbomber zu orten. Auch für die Weiterentwicklung dieser Technik benötigt das Unternehmen neues Geld.
FRANKFURT/RAVENSBURG - Das Schlachtfeld verändert sich. Das lernt, wer sich auf der Webseite des Rüstungskonzerns Hensoldt umschaut. Da geht es etwa um die Vision möglichst transparenter gepanzerter Fahrzeuge, damit die Insassen ihr Umfeld besser sehen können. Doch diese Sensoren und Kameras für Kampffahrzeuge sind nicht der Grund, weswegen es Hensoldt vor einiger Zeit in die Schlagzeilen geschafft hat. Im Gegenteil. Der Konzern mit Sitz in Taufkirchen bei München und Werken in Ulm, Oberkochen und Friedrichshafen hat nämlich im April 2018 etwas sonst Unsichtbares sichtbar gemacht: die für übliche Radaranlagen schwer erfassbaren Tarnkappenbomber.
Der werbewirksame Coup könnte dem Unternehmen auch in anderer Sache helfen: bei einem Börsengang. Denn der Tarnkappen-Pilotenschreck will vermutlich schon bald Anlegers Liebling werden. Offenbar prüft der Finanzinvestor KKR, seine Beteiligung Hensoldt über die Börse zu verkaufen. Insidern zufolge arbeiten KKR und Hensoldt mithilfe von Banken an diesem Projekt. Dem Vernehmen nach wird eine Bewertung von zwei Milliarden Euro angestrebt.
KKR, die Banken und Hensoldt lehnten eine offizielle Stellungnahme zwar ab. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“bestätigte ein Hensoldt-Sprecher aber, dass ein Börsengang „eine Option ist“. KKR habe das bereits beim Einstieg gegenüber Geschäftsführung und Belegschaft angekündigt.
Ähnliche Deals von KKR zeigen, dass der Verkauf eines Portfoliounternehmens im Rahmen eines Börsengangs drei Jahre nach dem Einstieg durchaus nicht unüblich ist. Vor knapp drei Jahren hatte der Finanzinvestor für 1,1 Milliarden Euro 75 Prozent der Hensoldt-Anteile aus dem Airbus-Konzern herausgekauft. Im September 2018 gab Airbus dann auch noch seine Restbeteiligung von 25 Prozent an KKR ab.
Noch während des Trennungsprozesses hatte KKR Hensoldt mit zwei Übernahmen auf Wachstumskurs gebracht. Seitdem ging es Schlag auf Schlag weiter. Erst vor zwei Wochen hat Hensoldt die Übernahme eines Radartechnikunternehmens in Australien bekannt gegeben. Damit soll sich die Präsenz im asiatisch-pazifischen Raum verbessern. Und im April dieses Jahres wurde mit Nexeya ein französisches Elektronikunternehmen mit Kunden im militärischen Bereich und 620 Beschäftigten zugekauft. Damit ist die Börsenstory von KKR klar definiert: Schnelles Wachstum und eine internationale Expansion sollen Hensoldt für potenzielle Kaufinteressenten attraktiv machen. Mittlerweile traut sich Konzernchef Thomas Müller auch Übernahmen im dreistelligen Millionenbereich zu.
Coup zur Berliner Flugausstellung
Spezialisiert ist Hensoldt auf optische Geräte, Sensoren aller Art – und eben Radartechnik. „Twinvis“lautet der Name des Tarnkappen-Schrecks. Seine Feuertaufe fand zur Flugausstellung in Berlin statt, genauer: Nach der Flugausstellung. Denn um ein Radar zu testen, das unsichtbare Kampfjets sichtbar macht, braucht es solche Flugzeuge in der Luft. Zwei dieser Flugzeuge präsentierten die USA auf der Luftfahrtmesse in Berlin im vergangenen Jahr. Als die Maschinen den Rückflug antraten, ortete das Hensoldt-Passivradar die Jets, die für das Radar eigentlich unsichtbar sein sollen. Möglich ist das, weil eine spezielle Technik im Wust von elektromagnetischen Wellen in der Luft nach Objekten sucht, die den freien Wellengang durcheinanderbringen. Aus diesen Veränderungen kann das Passivradar die Route eines Flugzeuges oder eines Kampfjets erkennen. Für das klassische Radar sind die Tarnkappenbomber dagegen schwer zu orten, weil sie die herkömmlichen Radarsuchstrahlen ablenken oder deren Reflexion minimieren. Gewöhnliche Radare funktionieren nämlich, indem sie die Reflexion des Suchstrahls wieder einfangen – was bei getarnten Jets schwierig ist.
Eingesetzt werden kann die Passivradartechnik übrigens nicht nur im militärischen, sondern auch im zivilen Bereich. Im Juli hat „Twinvis“seine Tauglichkeit für den Einsatz in der Flugsicherung und Luftverkehrskontrolle in Süddeutschland unter
Beweis gestellt. Und so peilt Hensoldt auch an, den aktuell mit rund zehn Prozent noch geringen Anteil am Umsatz von Technologien für den zivilen Bereich auf 25 Prozent auszubauen.
Im vergangenen Jahr setzte der Konzern 1,1 Milliarden Euro um und verbuchte einen Verlust von 60 Millionen Euro. Geschuldet sind die roten Zahlen vor allem den hohen Zinszahlungen (96 Millionen Euro). Für Unternehmen unter dem Diktat von Finanzinvestoren ist das nicht unüblich, da sie die Schulden tragen müssen, die der Käufer zur Finanzierung des Deals aufgenommen hat. Bis 2022 wollen Hensoldt-Chef Thomas Müller und seine 4400 Beschäftigten den Umsatz auf zwei Milliarden Euro fast verdoppeln. Dabei profitiert der Rüstungslieferant von den wieder anziehenden Verteidigungsausgaben.
Vor dem Hintergrund aktueller Bedrohungsszenarien und entsprechend steigender Rüstungsbudgets halten Beobachter anziehende Geschäfte für gut möglich. Ansonsten wird Hensoldt vermutlich auch nach weiteren Übernahmekandidaten auf der Welt Ausschau halten. An Sensoren und Radaren, um geeignete Kandidaten ausfindig zu machen, sollte das zumindest nicht scheitern.