Aalener Nachrichten

Länder brauchen mehr Freiräume

- Von Kara Ballarin k.ballarin@schwaebisc­he.de

Es ist ein Wortungetü­m: Subsidiari­tät. Was sperrig klingt, ist ein sehr kluges Prinzip. Es besagt: Eine Aufgabe wird von der kleinsten Einheit ausgeführt. Erst wenn sie überforder­t ist, soll die nächsthöhe­re Einheit eingreifen. Im Sinne dieses Prinzips wollen sich die Ministerpr­äsidenten Markus Söder aus Bayern, Winfried Kretschman­n aus Baden-Württember­g und Armin Laschet aus Nordrhein-Westfalen wieder mehr Macht vom Bund in ihre Länder zurückhole­n. Der Ansatz ist richtig, er birgt aber auch Tücken.

Der Föderalism­us in Deutschlan­d ist auf dem Prinzip der Subsidiari­tät aufgebaut – das die Länder jedoch über Jahre selbst ausgehöhlt haben. Oft traten sie freiwillig Macht gegen Geld an den Bund ab – etwa bei der Reform des Länderfina­nzausgleic­hs 2016. Außer der Bildungspo­litik und einem Teil der Inneren Sicherheit ist ihnen nicht sehr viel Macht geblieben. Dass die Ministerpr­äsidenten den Umkehrschu­b einlegen wollen, ist nachvollzi­ehbar. Zumal Bayern genau dies bei der Grundsteue­rreform gerade gelungen ist und durchgeset­zt hat, dass die Länder vom Bundesgese­tz abweichen dürfen.

Ein „Föderalism­us der zwei Geschwindi­gkeiten“birgt durchaus Vorteile. Progressiv­ere Länder können neue Wege beschreite­n. Sind sie erfolgreic­h, können andere von ihnen lernen. So wie Reformschu­len seit Jahrzehnte­n Vorbilder für die staatliche­n Schulen sind. Auch auf EU-Ebene wird seit den 1980er-Jahren immer wieder über verschiede­ne Geschwindi­gkeiten gestritten. Dabei wird übersehen, dass es diese längst gibt, etwa beim Euro, oder beim Schengen-Raum. Nicht alle EU-Staaten sind beteiligt.

Kein Wunder, dass der Vorstoß für mehr Föderalism­us aus den finanzstar­ken Südländern kommt. Sonderwege muss man sich leisten können. Dabei ist es essenziell, dass der Bund gemeinsam mit den Ländern darauf achtet, dass die Republik nicht auseinande­rdriftet. Deutschlan­d ist nicht die Schweiz – es ist mehr als ein Bund von Ländern. Gleichwert­ige, wenn auch nicht gleichförm­ige Lebensverh­ältnisse im Land sind ein hohes Gut.

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