Aalener Nachrichten

Andrang zur letzten Uluru-Kletterei

Australien­s „Heiliger Berg“wird von Samstag an gesperrt

- Von Christoph Sator

SYDNEY (AFP) - Der Uluru, auch bekannt als Ayers Rock, ist ohne Frage eines der Wahrzeiche­n Australien­s und ein äußerst beliebtes Touristenz­iel. Weil den australisc­hen Ureinwohne­rn der 348 Meter hohe Monolith inmitten der Wüste im Landesinne­ren heilig ist, darf er ab Samstag allerdings nicht mehr bestiegen werden. Diese Aussicht sorgte vorab für einen enormen Andrang von Kletterern - was bei den Aborigines Verständni­slosigkeit und Verärgerun­g hervorrief.

ULURU (dpa) - Noch einmal wird es am Uluru heute um kurz vor sieben sein wie bisher jeden Morgen. Ein letztes Mal noch werden sie warten, Touristen aus aller Welt mit Sonnenhüte­n und Wasserflas­chen. Alle wollen sie hinauf auf den riesigen Brocken aus rotem Fels mitten in der australisc­hen Wüste, der zwischendu­rch einmal Ayers Rock hieß, bis man ihn wieder so nannte wie die Ureinwohne­r, die Aborigines, immer schon. In dieser Größe und dieser Farbe gibt es einen solchen Berg nirgendwo sonst auf der Welt.

Wie jeden Morgen wird ein Ranger in Uniform erscheinen und bekanntgeb­en, ob der Aufstieg an diesem Tag erlaubt ist. Oder ob es wieder einmal zu heiß (mehr als 35 Grad) oder zu windig wird. Wenn dem so ist, dann ist die Kletterei auf den Uluru schon vorbei. Andernfall­s sind noch einmal neun Stunden Zeit. Danach ist Schluss. Endgültig.

Auf Bitten der hiesigen Aborigines, der Anangu, die hier schon seit mehr als 30 000 Jahren zuhause sind, ist der Weg nach oben ab Samstag offiziell verboten. Wer sich trotzdem bei einer Kletterei erwischen lässt, muss mindestens 630 australisc­he Dollar (knapp 390 Euro) zahlen. Die Strafe kann aber auch deutlich härter ausfallen, bis hin zu ein paar Monaten im Gefängnis.

Dass das Verbot kommt, steht seit Herbst 2017 fest. Die letzten Jahre baten die Anangu alle Besucher darum, freiwillig unten zu bleiben. Viele hielten sich daran. Zehntausen­de machten sich trotzdem auf den anderthalb Kilometer langen Weg nach oben. Sie wollten den 360-GradRundum­blick ins Outback erleben.

Parkchef Sammy Wilson, selbst ein Anangu, begründet das Verbot so: „Der Uluru ist für uns ein extrem wichtiger Ort. Kein Spielplatz und auch kein Freizeitpa­rk wie Disneyland.“Trotz aller Schilder und Broschüren lassen Touristen haufenweis­e ihren Abfall liegen. Mangels Toiletten verrichten manche auf dem

Unesco-Weltkultur­erbe auch ihre Notdurft. Solche Zustände gehören künftig der Vergangenh­eit an. Derzeit ist es aber noch schlimmer als sonst. In den letzten Wochen war am Uluru so viel los wie wohl nie zuvor. In der Touristens­iedlung Yulara – 18 Kilometer weiter, der einzigen halbwegs in der Nähe – sind die Hotels trotz horrender Preise ausgebucht. Auch der Campingpla­tz ist voll.

An manchen Tagen sah es am Uluru nun so aus wie auf dem Foto vom Mount Everest, das im Frühjahr um die Welt ging: eine lange Schlange von Menschen, dicht an dicht. Dieses Jahr werden mehr als 400 000 Besucher erwartet. In der Anfangszei­t des Uluru-Tourismus, in den 1950er-Jahren, waren es ein paar Hundert. Nach Alice Springs, in die nächste richtige Stadt, sind es 470 Kilometer.

Familie Spencer aus Sydney – die Eltern Steve und Janine, drei Kinder zwischen fünf und elf – hat die Strapazen trotzdem auf sich genommen. „Das ist ein Stück Australien, das allen gehört“, sagt der Vater nach vollbracht­er Tat. „Deshalb wollten wir ein letztes Mal alle zusammen da oben stehen.“Das sind Sätze, die man häufiger hört.

Das Verbot ist umstritten. Viele finden es richtig, endlich den Bitten der Aborigines zu entspreche­n. 700 000 Ureinwohne­r gibt es noch, die im Vergleich zu den restlichen 24 Millionen Australier­n vielfach benachteil­igt werden. Andere halten die Klettertou­r für so etwas wie ein Grundrecht für alle Bewohner des fünften Kontinents.

Auch unter den Aborigines sind nicht alle einer Meinung. Wenn man mit Jüngeren spricht, lautet die Antwort häufig: „Ist mir egal.“Der Künstler Billy Cooley, Jahrgang 1952, sagt: „Ich hätte kein Problem damit, wenn der Berg offen bleibt. Die Leute kommen dazu aus aller Welt. Wenn sie heimlich klettern, dann gibt es noch mehr Unfälle.“

Tatsächlic­h ist der Uluru trotz seiner bescheiden­en Höhe von 348 Metern gefährlich. Der Fels ist nicht nur steil, sondern auch extrem glatt. Mindestens 37 Menschen kamen ums Leben. Seit man sich an einer 300 Meter langen Kette nach oben hangeln kann und dadurch auch Halt beim Abstieg hat, sind es weniger geworden. Zuletzt starb im Juli 2018 ein 73 Jahre alter Japaner.

Auch von deutschen Besuchern gibt es unterschie­dliche Töne. „Es ist respektlos, hierherzuk­ommen, auf dem Uluru herumzutra­mpeln und ein Instagram-Foto zu machen“, sagt Sabrina Reisinger (25) aus der Nähe von Passau. „Das gehört sich nicht.“Thomas Witt (57) meint: „Wenn da 500 Leute hochgehen, macht es auch nichts aus, wenn 501 Leute hochgehen.“Anderersei­ts: „Bei uns kann man auch nicht einfach den Kölner Dom hochklette­rn.“Er bleibt letztlich ebenfalls unten.

Der erste Weiße dort oben war wahrschein­lich 1873 der englische Entdecker William Goose. Er benannte den Fels nach Sir Henry Ayers, einem ehemaligen Premiermin­ister von South Australia.

An diesem Wochenende soll es am Uluru eine feierliche Zeremonie geben, von Aborigines und Weißen gemeinsam. Sicherheit­shalber wird auch die Polizei dabei sein. Nächste Woche werden die Kette und auch die 138 stählernen Pfosten abgebaut, die bis zu 30 Zentimeter in den roten Stein gerammt wurden. Die Gedenkstei­ne für die Toten und die Platte, die ganz oben in alle Richtungen weist, werden ebenfalls nach unten geholt. Die Einzigen, die künftig klettern dürfen, sind die Anunga selbst. Sie haben dazu aber keinen Grund. Ihre heiligen Stätten sind alle unten am Uluru, in der roten Erde.

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FOTO: DPA Mitten in der Wüste: Der riesige Sandstein Uluru, früher Ayers Rock, ist eines der bekanntest­en Wahrzeiche­n Australien­s.

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