Schreckliches Ende einer langen Reise
Opfer von Thurrock waren chinesischer Herkunft – Schlepper verunsichern Flüchtlinge mit Angstparolen
LONDON - Am Tag nach dem Fund des Lastwagens in Thurrock haben die Ermittlungsbehörden erste Einzelheiten über die Opfer bekannt gegeben. Demnach handelt es sich bei den 39 Toten – 31 Männer und acht Frauen – um chinesische Staatsbürger. Offiziell wird zur Todesursache nichts gesagt; die Menschen dürften aber in dem Container, dessen Temperatur auf 25 Grad Minus gesenkt werden kann, erstickt oder erfroren sein.
Ein Team von Gerichtsmedizinern ist in einer Halle auf den Tilbury Docks, rund 25 Kilometer östlich von London, mit der Identifizierung der Leichen beschäftigt. Dorthin war die Zugmaschine mit dem aufliegenden Container am Mittwochnachmittag gefahren worden, „um die Würde der Opfer zu wahren“, wie die stellvertretende Polizeipräsidentin der Grafschaft Essex, Pippa Mills, mitteilte.
Chinesen spielen in der britischen Asylstatistik eine vergleichsweise geringe Rolle. In den vergangenen Jahren suchten vor allem Syrer, Iraner und Iraker sowie Afghanen, Eritreer und Sudanesen Zuflucht oder Arbeit auf der Insel. Schon seit mehr als einem Jahr mehren sich bei Organisationen wie dem Flüchtlingsrat der Grafschaft Kent Berichte von Migranten über eine zynische Werbestrategie der Menschenschmuggler. Offenbar setzen sie den ohnehin verunsicherten Menschen mit Warnungen vor den Folgen des Brexits zu: Wenn Großbritannien aus der EU ausgeschieden sei, werde die Einreise
noch schwieriger. Die organisierten Schmugglerbanden, häufig geleitet von britischen Staatsbürgern, verdienen an der letzten Etappe bis zu fünfstellige Summen.
Im Fall Thurrock musste die Kripo mehrere Details ihrer ersten Verlautbarung korrigieren. Die Zugmaschine war tatsächlich in Bulgarien zugelassen, und zwar, wie das Außenministerium in Sofia mitteilte, auf die Firma eines irischen Staatsangehörigen in der Schwarzmeer-Stadt Warna. Allerdings habe sich das Fahrzeug zuletzt 2017 im Land aufgehalten. Der Container war erst in der Nacht zum Mittwoch aus dem belgischen Zeebrügge nach England gekommen.
Unklar ist, ob der unter Mordverdacht festgenommene LastwagenFahrer überhaupt wusste, dass Menschen im Anhänger waren. Die Ermittler wollten den Mann weiter verhören, hieß es. Die Eltern des 25-Jährigen sind Medienberichten zufolge von Nordirland nach England geflogen, um ihren Sohn zu unterstützen