Erbmodell mit Konfliktpotenzial
Beim „Berliner Testament“sollten Paare einiges beachten
SCHONDORF - Eheleute und eingetragene Lebenspartner können in einem gemeinsamen Testament ihren beiderseitigen letzten Willen niederlegen. Im beliebten „Berliner Testament“setzen sich dabei die Ehepartner gegenseitig und wechselbezüglich als Alleinerben und meist die gemeinsamen Kinder nach dem Tode des Letztversterbenden als Schlusserben ein. Die Kinder sind nach dem Tod des Erstversterbenden somit enterbt, da ihr gesetzliches Erbrecht testamentarisch ausgeschlossen ist. Dieses Modell birgt Konfliktpotenzial und ist nicht frei von Risiken.
Die Bindungswirkung:
In einem Ehegattentestament werden in der Regel wechselseitige Verfügungen getroffen, die eine strenge Bindungswirkung entfalten. Eine Lösung von dieser Bindungswirkung zu Lebzeiten ist nur möglich durch ein neues gemeinschaftliches Testament, eine einseitige Erklärung vor dem Notar (Partner ist zu informieren), durch Scheidung oder bei grobem Undank durch einen der Ehepartner. Dieses Widerrufsrecht erlischt mit dem Tod des anderen Ehegatten. „Mit dem Tod eines Ehegatten ist der andere Ehegatte daran gehindert, wechselbezügliche Verfügungen zu widerrufen oder abweichend hiervon letztwillig neu zu verfügen. Man spricht deshalb auch von der Bindungsfalle des Berliner Testaments“, warnt Carsten Walter, Geschäftsführer der Notarkammer Baden-Württemberg. Wurde der überlebende Ehegatte in dem Testament nicht zu einer anderweitigen Verfügung ermächtigt, erlangt er seine Testierfreiheit nur zurück, wenn er die Erbschaft ausschlägt.
Beispiel: Ein kinderloses Ehepaar verfasst ein Ehegatten-Testament. Beide erben gegenseitig, Schlusserbe soll ein langjähriger Freund sein. Nach dem Tod eines Ehegatten kommt es zum Streit mit dem Freund. Das Testament ändern kann der überlebende Ehegatte nur, wenn ihm diese Möglichkeit im Testament eingeräumt wurde.
Die Steuerfalle: Das Berliner Testament hat bei größeren Vermögen den erbschaftsteuerlichen Nachteil, dass zwei Erbfälle bis zum Vermögensübergang auf die nächste Generation entstehen, die jeweils erbschaftsteuerpflichtig sind. „Damit kann diese Testamentsform sogar ungünstiger sein als die gesetzliche Erbfolge, weil der erste Erbfall in eine höhere Steuerprogressionsstufe kommen kann, in jedem Fall aber Kinderfreibeträge verschenkt werden“, sagt Agnes Fischl-Obermayer, Fachanwältin für Erbrecht und Steuerberaterin von der Kanzlei Convocat aus München.
Vereinfachtes Beispiel: Nach dem Tod des Mannes erbt die Ehefrau eine Million Euro. Schlusserben sind die beiden Kinder. Abzüglich ihres gesetzlichen Freibetrages von 500 000 Euro muss die Frau für die Restsumme von 500 000 Euro Erbschaftsteuer zahlen. Hätten die Kinder gleich mitgeerbt, wäre der Fiskus leer ausgegangen. Einige Jahre später stirbt die Mutter und hinterlässt ebenfalls eine Million Euro. Davon sind je Kind 400 000 Euro steuerfrei. Auf den Rest von 200 000 Euro erhebt der Staat abermals Steuern.
Die Pflichtteilsproblematik:
Pflichtteilsberechtigte, wie die Kinder, können beim Tode des Erstverstorbenen ihre Pflichtteilsansprüche geltend machen. „Ist mit dem den Pflichtteil fordernden Kind keine Einigung zu erzielen, muss dieser Anspruch durch Zahlung eines Geldbetrags erfüllt werden“, sagt FischlObermayer. Sind die Vermögenswerte nicht flüssig, droht das Zerschlagen des gesamten Vermögens, zum Beispiel eines Unternehmens oder eines Familiensitzes. Daher ist es ratsam, bei den Kindern für den Nachlass des erstverstorbenen Ehepartners einen notariellen Pflichtteilsverzicht einzuholen. „Sollten sich diese nicht darauf einlassen, besteht die Möglichkeit, eine Strafklausel einzufügen“, rät Fischl-Obermayer. Diese bestimmt, dass ein Kind, das beim ersten Erbfall seinen Pflichtteil verlangt, auch beim Tod des Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhält.