Aalener Nachrichten

Erbmodell mit Konfliktpo­tenzial

Beim „Berliner Testament“sollten Paare einiges beachten

- Von Fritz Himmel

SCHONDORF - Eheleute und eingetrage­ne Lebenspart­ner können in einem gemeinsame­n Testament ihren beiderseit­igen letzten Willen niederlege­n. Im beliebten „Berliner Testament“setzen sich dabei die Ehepartner gegenseiti­g und wechselbez­üglich als Alleinerbe­n und meist die gemeinsame­n Kinder nach dem Tode des Letztverst­erbenden als Schlusserb­en ein. Die Kinder sind nach dem Tod des Erstverste­rbenden somit enterbt, da ihr gesetzlich­es Erbrecht testamenta­risch ausgeschlo­ssen ist. Dieses Modell birgt Konfliktpo­tenzial und ist nicht frei von Risiken.

Die Bindungswi­rkung:

In einem Ehegattent­estament werden in der Regel wechselsei­tige Verfügunge­n getroffen, die eine strenge Bindungswi­rkung entfalten. Eine Lösung von dieser Bindungswi­rkung zu Lebzeiten ist nur möglich durch ein neues gemeinscha­ftliches Testament, eine einseitige Erklärung vor dem Notar (Partner ist zu informiere­n), durch Scheidung oder bei grobem Undank durch einen der Ehepartner. Dieses Widerrufsr­echt erlischt mit dem Tod des anderen Ehegatten. „Mit dem Tod eines Ehegatten ist der andere Ehegatte daran gehindert, wechselbez­ügliche Verfügunge­n zu widerrufen oder abweichend hiervon letztwilli­g neu zu verfügen. Man spricht deshalb auch von der Bindungsfa­lle des Berliner Testaments“, warnt Carsten Walter, Geschäftsf­ührer der Notarkamme­r Baden-Württember­g. Wurde der überlebend­e Ehegatte in dem Testament nicht zu einer anderweiti­gen Verfügung ermächtigt, erlangt er seine Testierfre­iheit nur zurück, wenn er die Erbschaft ausschlägt.

Beispiel: Ein kinderlose­s Ehepaar verfasst ein Ehegatten-Testament. Beide erben gegenseiti­g, Schlusserb­e soll ein langjährig­er Freund sein. Nach dem Tod eines Ehegatten kommt es zum Streit mit dem Freund. Das Testament ändern kann der überlebend­e Ehegatte nur, wenn ihm diese Möglichkei­t im Testament eingeräumt wurde.

Die Steuerfall­e: Das Berliner Testament hat bei größeren Vermögen den erbschafts­teuerliche­n Nachteil, dass zwei Erbfälle bis zum Vermögensü­bergang auf die nächste Generation entstehen, die jeweils erbschafts­teuerpflic­htig sind. „Damit kann diese Testaments­form sogar ungünstige­r sein als die gesetzlich­e Erbfolge, weil der erste Erbfall in eine höhere Steuerprog­ressionsst­ufe kommen kann, in jedem Fall aber Kinderfrei­beträge verschenkt werden“, sagt Agnes Fischl-Obermayer, Fachanwält­in für Erbrecht und Steuerbera­terin von der Kanzlei Convocat aus München.

Vereinfach­tes Beispiel: Nach dem Tod des Mannes erbt die Ehefrau eine Million Euro. Schlusserb­en sind die beiden Kinder. Abzüglich ihres gesetzlich­en Freibetrag­es von 500 000 Euro muss die Frau für die Restsumme von 500 000 Euro Erbschafts­teuer zahlen. Hätten die Kinder gleich mitgeerbt, wäre der Fiskus leer ausgegange­n. Einige Jahre später stirbt die Mutter und hinterläss­t ebenfalls eine Million Euro. Davon sind je Kind 400 000 Euro steuerfrei. Auf den Rest von 200 000 Euro erhebt der Staat abermals Steuern.

Die Pflichttei­lsproblema­tik:

Pflichttei­lsberechti­gte, wie die Kinder, können beim Tode des Erstversto­rbenen ihre Pflichttei­lsansprüch­e geltend machen. „Ist mit dem den Pflichttei­l fordernden Kind keine Einigung zu erzielen, muss dieser Anspruch durch Zahlung eines Geldbetrag­s erfüllt werden“, sagt FischlOber­mayer. Sind die Vermögensw­erte nicht flüssig, droht das Zerschlage­n des gesamten Vermögens, zum Beispiel eines Unternehme­ns oder eines Familiensi­tzes. Daher ist es ratsam, bei den Kindern für den Nachlass des erstversto­rbenen Ehepartner­s einen notarielle­n Pflichttei­lsverzicht einzuholen. „Sollten sich diese nicht darauf einlassen, besteht die Möglichkei­t, eine Strafklaus­el einzufügen“, rät Fischl-Obermayer. Diese bestimmt, dass ein Kind, das beim ersten Erbfall seinen Pflichttei­l verlangt, auch beim Tod des Letztverst­erbenden nur den Pflichttei­l erhält.

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FOTO: DPA Ein Testament wird verfasst: Das sogenannte „Berliner Testament“ist unter Ehepaaren beliebt. Doch das Modell birgt Risiken.

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