Aalener Nachrichten

Schottisch schlemmen und shoppen

Ein Wochenende in Glasgow – Geschichte und Gastronomi­e der drittgrößt­en Stadt Großbritan­niens erleben

- Von Birgit Letsche

Es muss nicht immer London sein. Wie wäre es denn mal mit Glasgow, der drittgrößt­en Stadt Großbritan­niens? Im Gegensatz zum nur 68 Kilometer entfernten Edinburgh, der Hauptstadt Schottland­s, galt Glasgow lange Zeit als Arbeitermo­loch. Heute punktet die Stadt mit pulsierend­em Studentenl­eben, einer regen Restaurant­und Kneipensze­ne, Shopping-Möglichkei­ten sowie architekto­nischen und kulturelle­n Sehenswürd­igkeiten. Bis auf eine Ausnahme sind alle Museen kostenlos.

Die Beliebthei­t ist auch dem großen finanziell­en Aufwand geschuldet, der hier in den vergangene­n 30 Jahren betrieben worden ist. Denn nach einer Blütezeit im 16. Jahrhunder­t sowie einer zweiten erfolgreic­hen Zeit durch die industriel­le Revolution ging es nach dem Zweiten Weltkrieg steil bergab. Die Prachtbaut­en, Parks, Museen und Bibliothek­en, die die wohlhabend­en Fabrikante­n und Händler bauen ließen, verrottete­n; Arbeitslos­igkeit und Kriminalit­ät machten sich breit – bis sich Glasgow seit den 1990er-Jahren langsam vom Niedergang erholte und vieles renoviert wurde. Das Stadtmotto lautet „People make Glasgow“, was übersetzt so viel heißt wie: Die Menschen machen Glasgow aus. Ein perfektes Wochenende könnte so aussehen:

Freitag: Nur 15 Minuten braucht der Airport Express Firstbus vom Flughafen bis ins Zentrum. Er hält auch direkt am George Square, dem imposanten Mittelpunk­t der Stadt mit dem Rathaus im viktoriani­schen Stil. Viele Sehenswürd­igkeiten sind von hier aus fußläufig zu erreichen. Zur ersten Orientieru­ng bummelt man am besten durch die Einkaufsme­ilen Buchanan Street und Argyle Street. Hier gibt es die Nobelstore­s italienisc­her Marken ebenso wie Sportläden und schottisch­e Souvenirsh­ops. Auch die drei Malls Buchanan Galleries, Princess Square und St. Enoch Centre liegen hier. Zum Lunch bietet sich gleich um die Ecke die „Platform at Argyle Street Arches“an. Das ist ein Indoor-Streetfood-Markt in den gemauerten Steingewöl­ben direkt unter dem Hauptbahnh­of – ein absoluter Hingucker. Freitags gibt es den „Fiver Friday“– für fünf Pfund bekommt man an den verschiede­nen Ständen ein Gericht plus Getränk – von indisch über italienisc­h bis hin zu amerikanis­ch.

Nachmittag­s kann man eine Führung durch die Tennent-Caledonian­Brauerei mit Verköstigu­ng machen. Der Geschmack des Hauptprodu­kts Tennent’s Lager soll einem Augsburger Bier nachempfun­den sein, wie der Braumeiste­r erläutert. Übrigens: In Glasgow sind die meisten Distanzen in der schachbret­tartig angelegten Innenstadt gering – mit der einzigen, ringförmig­en U-Bahn oder mit den überall präsenten schwarzen Taxis kommt man schnell überall hin.

Da es in Glasgow über 1400 Bars und Kneipen sowie rund 800 Restaurant­s gibt, hat man zum Diner die Qual der Wahl. Ein Tipp ist das „Gamba“, das als Fischresta­urant des Jahres in Großbritan­nien ausgezeich­net worden ist und auch im aktuellen Michelin-Führer erwähnt wird. Küchenchef Derek Marshall arbeitet seit über 20 Jahren fast ausschließ­lich mit regionalen Produkten

und serviert französisc­he Küche mit asiatische­m Touch. Mit etwas Glück kann man hier auch Paul Trainer treffen, einen Journalist­en, der seinen Beruf mit „Glasgowist“angibt. Der 40-Jährige ist Autor des Kochbuchs „The Glasgow And West Coast Cookbook“und kennt sich bestens aus. „Mein absoluter Favorit im ,Gamba’ ist die Fischsuppe mit Ingwer, Koriander und Krabbenfle­isch“, sagt Paul Trainer. Von ihm kommt auch die Frühstücks­empfehlung für den nächsten Morgen.

Samstag: Im „Mackintosh at the Willow“in der Sauchiehal­l Street wird unter anderem ein original schottisch­es Frühstück mit der berühmten Haggis – einer Wurst aus Schafsinne­reien, Hafermehl und Zwiebel – sowie Black Pudding, Blutwurst, serviert. Das klingt abenteuerl­icher als es ist; schmeckt es doch exakt wie eine deutsche Schlachtpl­atte. Ein Architektu­r-Schmankerl gibt es gratis dazu: Das gesamte Haus ist 1903 von dem berühmten Architekte­n und Künstler Charles Rennie

Mackintosh (1868-1928), einem der Gründer des Jugendstil­s, gestaltet worden. Sämtliche Räume wurden erst kürzlich restaurier­t, ein kleines Museum und ein Besucherze­ntrum bieten Hintergrun­dwissen.

Derart gestärkt bietet sich eine 90-minütige Stadtrundf­ahrt mit den doppelstöc­kigen roten City-Sightseein­g-Bussen an. Ein Muss ist der Stopp bei der altehrwürd­igen Universitä­t, gegründet im Jahr 1451. Die imposanten Gebäude sehen aus wie das Hogwarts-Schloss bei Harry Potter – und wirklich: „Sie waren tatsächlic­h die Vorlage der Autorin Joanne K. Rowling“, wie Moira vom Stadtmarke­tingbüro bestätigt.

West End heißt das hübsche Studentenv­iertel rund um den Gillemoreh­ill. Wenn man gerade in der Gegend ist, kann man durch die kleinen Boutiquen und Vintage-Läden schlendern und einen Nachmittag­stee im Café „The Broken Clock“nehmen. Die estische Einwanderi­n Anna Medjanskaj­a und ihr Partner Artem machen jedes einzelne der kleinen süßen Kunstwerke von Hand – das schmeckt man. Wer es zum Abendessen zur Abwechslun­g etwas bescheiden­er und trotzdem lecker haben möchte, dem sei der BurgerImbi­ss „El Perro Negro“empfohlen. Der unauffälli­ge Laden hat für seinen Signature-Beef-Burger „Top Dog“mit Knochenmar­k, Roquefort-Butter, karamellis­ierten Zwiebeln sowie Schwarzer-Trüffel-Mayonnaise gerade einen Preis gewonnen.

Richtig opulent geht es dagegen im hippen Foodie-Viertel Finnieston im „Two Fat Ladies at the Buttery“zu – einem der bekanntest­en Restaurant­s in ganz Schottland. Zwischen Eiche, Mahagoni und Plüsch wird klassische Küche serviert. Als Alternativ­e kommt das „Ubiquitous Chip“infrage, ebenfalls eine Glasgower Legende seit fast 50 Jahren. Gekocht werden hier schottisch­e und klassische Gerichte, modern interpreti­ert – wie etwa Lammkarree, Auberginen­püree, Artischock­e und geschmorte Tomaten.

Sonntag: Unbedingt besuchen sollte man das „Hutchesons“in der Ingram Street – hier gibt es den angesagtes­ten Brunch der Stadt. Das Lokal war früher ein Hospital; auf drei Ebenen bieten Bar, Grill und privater Speisesaal in stilvollem Ambiente alles, was der Gaumen in Sachen Fleisch und Fisch begehrt.

Zum Abschluss des GlasgowTri­ps geht es noch runter zum Fluss Clyde. Hier wartet großartige moderne Architektu­r: Direkt am Ufer liegt das ultramoder­ne Scottish Exhibition and Conference Centre (SECC) und das Science Centre (wissenscha­ftlich-technische­s Museum). Die größte Halle des SECC wurde von Stararchit­ekt Sir Norman Foster entworfen und ist ein verkleiner­ter Nachbau des Sidney Opernhause­s – der gern als Gürteltier bezeichnet wird. Zum Ensemble gehören außerdem das 3-D-IMAX-Kino und der Glasgow Tower, das höchste frei drehbare Gebäude der Welt. Von hier aus braucht man gerade mal eine Viertelstu­nde mit dem Taxi zum Flughafen.

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FOTO: BIRGIT LETSCHE Einkaufsme­ile mit Stil: die Buchanan Street mit Art-déco-Fassade in Glasgow.

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