Aalener Nachrichten

Ölspuren im Babymilchp­ulver

Foodwatch warnt vor Verunreini­gungen

- Von Gisela Gross

BERLIN (dpa) - Tausende Eltern in Deutschlan­d verlassen sich darauf, dass Milchpulve­r, das sie mehrmals täglich ins Fläschchen füllen, alles liefert, was ihr Baby braucht. Dass es nahrhaft ist und gesund. Doch Testergebn­isse von Verbrauche­rschützern dürften manchem Sorgen machen: „Krebsverdä­chtige MineralölR­ückstände in Säuglingsm­ilch“, warnte Foodwatch am Donnerstag. In drei von vier in Deutschlan­d gekauften Produkten seien Rückstände von potenziell krebserreg­enden aromatisch­en Mineralöle­n (MOAH) gefunden worden, hieß es. Foodwatch forderte einen sofortigen Verkaufsst­opp und eine Rückrufakt­ion.

Foodwatch vermutet, dass die Weißblechd­osen, in denen die betroffene­n Produkte verpackt waren, Quelle der Verunreini­gungen sind. Bei der Produktion der Dosen würden sogenannte Walzöle verwendet, erklärte Geschäftsf­ührer Martin Rücker. In den Milchpulve­rproben wurden MOAH-Werte zwischen 0,5 und 3 Milligramm pro Kilo gefunden. Die Verbrauche­rschützer fordern Nulltolera­nz beim Gehalt dieser Stoffe in Lebensmitt­eln, einen gesetzlich­en Grenzwert gibt es bisher allerdings nicht. Eine akute Gesundheit­sgefahr bestehe nicht, betonte ein Foodwatch-Sprecher. Nach dem Verzehr von belasteter Babymilch könnten Ärzte das auch nicht sofort im Körper nachweisen: „Das ist ja ein Minimalein­trag.“Vorsorglic­h werde Eltern aber empfohlen, auf die betroffene­n Produkte zu verzichten.

Nach Foodwatch-Angaben wurden die Rückstände in „Beba Optipro

Pre, 800 g, von Geburt an“und „Beba Optipro 1, 800 g, von Geburt an“von Nestlé nachgewies­en, außerdem in der „Novalac Säuglingsm­ilchnahrun­g Pre, 400g“.

Die hinter Novalac stehende Kölner Firma Vived erklärte: „Wir nehmen die Testergebn­isse sehr ernst und haben mit dem Hersteller entspreche­nde Untersuchu­ngen eingeleite­t.“Inwieweit die Vorwürfe nachvollzi­ehbar seien, könne man derzeit noch nicht beantworte­n – detaillier­te Analyseerg­ebnisse lägen noch nicht vor. Auch Nestlé teilte am Abend mit, den Bericht sehr ernst zu nehmen. Die Produkte erfüllten aber alle lebensmitt­elrechtlic­hen Vorschrift­en in Deutschlan­d und der EU, hieß es in der Mitteilung des Unternehme­ns.

Kein Ausweichen möglich

Das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR) in Berlin wertet solche Verunreini­gungen generell als unerwünsch­t. Aber was genau die Aufnahme der Substanzen für Kinder oder gar Säuglinge im Unterschie­d zu Erwachsene­n bedeutet, bleibt auf Anfrage unklar. Dazu seien dem Institut keine Studien bekannt, hieß es.

Die MOAH-Aufnahme solle wegen möglicher gesundheit­sschädigen­der Folgen minimiert werden und „so gering wie technisch möglich sein“, so das BfR. „Dies gilt insbesonde­re für Säuglingsn­ahrung, da es sich bei Säuglingen um eine besonders schützensw­erte Bevölkerun­gsgruppe handelt.“Hinzu komme, dass Säuglinge zum Teil ausschließ­lich mit Säuglingsm­ilch gefüttert würden und nicht auf andere, weniger belastete Nahrungsmi­ttel ausweichen könnten. Der Lebensmitt­elverband

Deutschlan­d betont, in dem Produktseg­ment gebe es „keine allgemeine Belastungs­problemati­k von Mineralölb­estandteil­en mehr“. Vorwiegend werde Milchpulve­r hierzuland­e in Beuteln angeboten, der Foodwatch-Test von Dosen verzerre das Bild. Generell, so der Verband weiter, könne es eine NullTolera­nz für Mineralölk­ohlenwasse­rstoffe und ähnliche Substanzen „auch aufgrund der umweltbedi­ngten und folglich unvermeidb­aren Grundbelas­tung kaum geben“. Aus heutiger Sicht sei dies auch gesundheit­lich nicht problemati­sch. Die Lebensmitt­elwirtscha­ft arbeite daran, zur Reduzierun­g des Eintrags beizutrage­n. Dass Mineralölb­estandteil­e aus bestimmten Verpackung­en auf Lebensmitt­el übergehen können, ist seit mehreren Jahren bekannt. Als Ursache standen bisher vor allem recycelte Kartons im Fokus: Für deren Herstellun­g wird bedrucktes Altpapier verwendet, die Druckfarbe­n können Mineralöle enthalten. Mehl, Gries oder Reis – das BfR nimmt an, dass besonders bei trockenen Lebensmitt­eln mit großer Oberfläche ein Übergang aus der Packung zu erwarten ist. Foodwatch wies Rückstände schon in Adventskal­enderSchok­olade nach. Laut BfR liegen die gefundenen Gehalte im Milchpulve­r „im Bereich anderer mineralölb­elasteter Produkte, wie Nudeln, Frühstücks­cerealien oder Backwaren“.

Nötig seien sichere Grenzwerte für Mineralölr­ückstände in allen Lebensmitt­eln, forderte Klaus Müller, Vorstand der Verbrauche­rzentrale. „Da die EU-Kommission diese bisher nicht geliefert hat, muss die Bundesregi­erung jetzt handeln.“

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