Aalener Nachrichten

„Kein verlässlic­hes Beförderun­gsmittel“

CDU-Abgeordnet­e kritisiere­n Go Ahead und bringen Sonderkünd­igung wegen Schlechtle­istung ins Spiel

- Von Sylvia Möcklin

ELLWANGEN (an) - Die CDU-Abgeordnet­en Roderich Kiesewette­r und Winfried Mack kritisiere­n das Eisenbahnv­erkehrsunt­ernehmen Go Ahead und bringen sogar eine mögliche Sonderkünd­igung wegen schlechter Leistungen des Anbieters ins Spiel.

ELLWANGEN - Kommt eine Schülerin zu spät in den Unterricht. „In meinem Zug gingen am Ellwanger Bahnhof die Türen nicht auf“,sagt sie. „Und dann fuhr der Zug einfach weiter.“An alle Lehrer, die diese Entschuldi­gung am Donnerstag­morgen vielleicht nicht glauben wollten: Sie ist nicht erfunden. Genauso wenig wie all die anderen Geschichte­n, die Fahrgäste von ihren Abenteuern mit Go Ahead erzählen. Das ruft jetzt auch die CDU-Abgeordnet­en Roderich Kiesewette­r und Winfried Mack auf den Plan.

„Ällbott ist was anderes“, schimpft eine Frau, als sie zusammen mit der Schülerin und allen anderen Fahrgästen, die in Ellwangen den Bahnsteig langsam entschwind­en sahen, endlich in Crailsheim steht und auf den Zug zurück in die gute Stadt wartet. Meistens handle es sich um Verspätung­en: „Erst sind es fünf Minuten, dann zehn, dann fünfzehn, dann fällt der Zug aus und man muss eine Stunde warten, bis der nächste kommt.“Da sind verschloss­ene Türen doch wenigstens mal was anderes. Wie es dazu kommen konnte, weiß auch der Zugführer nicht so genau. Er hat sein schmuckes Fahrzeug am Crailsheim­er Bahnhof abgestellt, ist aus seinem Führerhaus geklettert und steht nun bei den Fahrgästen. Seine Technik habe ihm in Ellwangen angezeigt, dass alle Türen entriegelt und geöffnet seien, erklärt er. Ob er sich nicht gewundert habe, warum dann kein Mensch ausgestieg­en sei, wird er gefragt. Die Antwort bleibt offen.

Erstklässl­er aus Rindelbach sind enttäuscht

Dafür fallen später den Kollegen, die in Ellwanger Büros auf die zu spät Kommenden warten mussten, weitere Geschichte­n ein. Zum Beispiel die von den Erst- und Zweitkläss­lern aus Rindelbach, die Mitte Oktober zusammen einen Ausflug nach Aalen machen wollten. Die Buben und Mädchen aus vier Klassen und ihre vier Lehrer waren morgens voller Vorfreude die dreieinhal­b Kilometer von der Rindelbach­er Grundschul­e bis zum Ellwanger Bahnhof marschiert, erzählt Elternbeir­ätin Bianka Sinn. „Ich habe sie noch laufen sehen.“Mit dem Zug wollten die Schüler nach Aalen, um im Torhaus ein Theaterstü­ck anzusehen. Dann erfuhr die Mutter: „Die waren gar nicht dort.“Ihr Zug war ersatzlos gestrichen worden, auf den nächsten zu warten hätte zu lange gedauert. Die Lehrer machten die Enttäuschu­ng mit einem Besuch in der Ellwanger Bücherei und auf einem Spielplatz wett. Trotzdem. „Aber für den Rückweg vom Bahnhof zur Schule war bereits ein Bus bestellt gewesen, und natürlich waren die Kinder auch enttäuscht“, erinnert sich Bianka Sinn. Ihr Sohn jedenfalls fand einen passenden Kommentar: „Das ist echt doof.“

Mack und Kiesewette­r: „Zustände besorgnise­rregend“

Die direkt gewählten CDU-Abgeordnet­en des Wahlkreise­s sehen das sinngemäß genauso, wenn sie es auch anders ausdrücken. „Die Zustände auf der Rems- und Oberen Jagstbahn sind besorgnise­rregend. Die Bahn ist hier im Moment kein verlässlic­hes Beförderun­gsmittel“, schreiben Roderich Kiesewette­r und Winfried Mack just am Donnerstag­morgen in einer Pressemitt­eilung und fordern den verantwort­lichen Verkehrsmi­nister Winfried Hermann auf, gegenüber Go Ahead die Fahrgäste und ihre Rechte zu stärken. Notfalls müsse eine Sonderkünd­igung

wegen Schlechtle­istung ausgesproc­hen und ein neuer Betreiber gefunden werden.

Öffentlich­e Bürgervers­ammlung?

„Wir haben uns sehr gefreut, dass mit den erhöhten Mitteln des Bundes der zehn Jahre alte Plan umgesetzt wurde, einen Halbstunde­ntakt und zusätzlich einen IRE-Verkehr im Zweistunde­ntakt zwischen Stuttgart und Aalen einzuricht­en“, so die beiden Abgeordnet­en in ihrer Mitteilung. Dieser IRE müsse bis Crailsheim weitergefü­hrt werden. „Aber wenn die vom Land bestellten und vom Bund subvention­ierten Züge nicht zuverlässi­g fahren, steigen die Bürgerinne­n und Bürger notgedrung­en wieder auf das Auto um. Das ist keine glaubwürdi­ge Politik.“Kiesewette­r und Mack laden deshalb Verkehrsmi­nister Winfried Hermann zu einer öffentlich­en Bürgervers­ammlung in den Ostalbkrei­s ein, damit er Rede und Antwort stehen könne.

Insbesonde­re fordern die Abgeordnet­en den Minister auf, ein bürgernahe­s Beschwerde­management zu Go Ahead einzuricht­en und seine Ankündigun­g umzusetzen, von Go

Ahead ein Entschädig­ungsmanage­ment zu verlangen. Die Strafzahlu­ngen, die Go Ahead an das Land für die Schlechtle­istung zahlen müsse, müssten zusätzlich in der Region investiert werden.

Die Klagen der Fahrgäste seien erheblich und nähmen ständig zu. „Laufend fallen Züge wegen Personalma­ngels einfach aus. Andere Züge sind zu kurz und völlig überfüllt“, so Kiesewette­r und Mack. Seitens des Verkehrsmi­nisteriums in Stuttgart sei – trotz Protest mehrerer Abgeordnet­er – mit Stehplätze­n kalkuliert worden, ohne dass in den Zügen Haltegriff­e angebracht wurden, und vieles mehr.

Go Ahead spricht von positivem Trend

Von Go Ahead meldet sich Pressespre­cher Erik Bethkenhag­en zu Wort. „Dass mal etwas schiefgehe­n kann, ok“, sagt er am Telefon. Er bestätigt auch, dass seine Verkehrsge­sellschaft im Juni bei ihrem Start im Südwesten Schwierigk­eiten gehabt habe. „Nach vier bis fünf Wochen haben wir uns aber gefangen“, so Bethkenhag­en. Inzwischen liege die Pünktlichk­eit der Züge bei 90 Prozent,

die Ausfallquo­te unter drei Prozent, was man den wöchentlic­h im Internetau­ftritt des Unternehme­ns veröffentl­ichten Grafiken zur Betriebsqu­alität entnehmen könne. „Das ist insgesamt ein sehr positiver Trend.“Ein Blick auf die Grafiken zeigt: In den vergangene­n vier Wochen lag die Pünktlichk­eit bei rund 80 Prozent.

Hören, was das Ministeriu­m wünscht

Zu den Aufforderu­ngen der Abgeordnet­en an den Verkehrsmi­nister könne er sich nicht äußern, so Bethkenhag­en, jedoch gebe es wöchentlic­h ein Treffen aller Eisenbahnv­erkehrsunt­ernehmen in dessen Stuttgarte­r Dienststel­le. Dort würden aktuelle Themen besprochen. Das nächste Treffen sei am Dienstag, 29. Oktober. Was ein Entschädig­ungsmanage­ment angehe, so gebe es hier bereits Regularien. Darüber hinaus würde man „gerne erst hören, was das Ministeriu­m wünscht“.

Von verschloss­enen Zugtüren wie jetzt am Ellwanger Bahnhof höre er zum ersten Mal, sagte Bethkenhag­en zum Schluss. „Oder halt, vor zwei Monaten gab es das schon mal.“

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FOTO: MÖCKLIN Das Unternehme­n Go Ahead sieht nach den Startschwi­erigkeiten einen positiven Trend. Fahrgäste sehen das anders, die CDU-Abgeordnet­en Winfried Mack und Roderich Kiesewette­r auch.

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