Die Vintage-Mannschaft
Der BVB erhält von den italienischen Taktikern aus Mailand Nachhilfeunterricht
MAILAND (SID/dpa) - Lucien Favre verstand die Aufregung nicht. Seine Mannschaft habe doch „gut gespielt“. Es sei klar gewesen, dass man nicht zehn Torchancen haben werde, sagte der angeschlagene Trainer von Borussia Dortmund nach der ernüchternden 0:2 (0:1)-Niederlage in der Champions League bei Inter Mailand.
Mit dieser Meinung stand Favre allerdings ziemlich alleine da. Die BVBVerantwortlichen stärkten dem Schweizer zwar den Rücken, sollte aber auch das Revierderby am Samstag (15.30 Uhr/Sky) bei Schalke 04 verloren gehen, droht Ungemach.
Doch nach dem merkwürdig uninspirierten und über weite Strecken harmlosen Auftritt im altehrwürdigen Giuseppe-Meazza-Stadion ging es erst einmal darum, die Reihen zu schließen. „Wir führen keine Trainerdiskussion. Wir sind froh, dass wir Lucien Favre haben“, sagte Michael Zorc.
Der Sportdirektor teilte aber Favres Analyse nach dem Rückschlag im Kampf um den Achtelfinaleinzug in der Königsklasse nicht. „Wir hätten deutlich konsequenter und zielstrebiger agieren müssen“, kritisierte Zorc und nahm die Profis in die Pflicht:
„Wir müssen alles dafür tun, um das Derby zu gewinnen.“
Diese letzte Hingabe war bei einem defensiv zwar gut organisierten, aber insgesamt doch eher biederen Gegner wie Inter Mailand nicht zu sehen. Der BVB hatte zwar meist die Spielkontrolle, doch in der Offensive mangelte es ohne den vergrippten Kapitän Marco Reus und Torjäger Paco Alcacer an Ideen, Tempo und Durchschlagskraft. Und die Italiener spielten, wie Italiener eben zuweilen spielen: taktisch exzellent, unfassbar effektiv, fast schon zynisch.
Das das reichte, war auch Favres Taktik geschuldet: Auch, um den Inter-Stürmer Romano Lukaku in Griff zu bekommen, lief der BVB erstmals mit Dreierkette und einem 3-4-3-System auf, das in der Rückwärtsbewegung zum 5-4-1 wurde. Doch das 0:1 durch Lautaro Martinez (22.) warf alle Planspiele über den Haufen. „Das Gegentor war sehr ärgerlich. Sonst hätte man bis zur 75. Minute von einer sehr reifen Leistung von uns sprechen können. So war Inter die abgezockte Truppe. Ein Treffer macht den Unterschied in der Bewertung“, sagte Mats Hummels: „Wir haben Inter die Waffen
genommen. Das war ein klassisches 0:0-Spiel. Aber unser Problem war, dass es nicht 0:0 stand.“
Das Gegentor war nicht nur ärgerlich, sondern auch vermeidbar. Nationalspieler Nico Schulz pennte und hob nach dem Pass von Stefan de Vrij das Abseits auf. „Nico steht einen Meter zu weit hinten drin. Das muss er sehen“, kritisierte Lizenzspielerchef Sebastian Kehl. Und vor dem 2:0 durch Antonio Candreva (89.) lief der BVB dann in einen Konter. Kurz zuvor hatte Roman Bürki noch einen Elfmeter von Martinez pariert.
Gerüchte um Mourinho
Tatsächlich hat der BVB diverse Probleme: Die namhaften Zugänge Julian Brandt, Thorgan Hazard und Nico Schulz sind noch nicht angekommen. Für Mario Götze findet sich kein Platz, ein Leistungsträger wie Manuel Akanji ist außer Form. Und zu Alcacer fehlt die Alternative. Zorc sagte: „Bei der Mannschaft, die wir haben, müssen wir es trotzdem schaffen, mehr Torgefahr auszustrahlen. Wir müssen uns mehr wehren, müssen dagegenhalten.“
Ex-Kapitän Kehl richtete den Blick nach vorn, auf Schalke: „Wir wissen, was dieses Spiel für uns bedeutet und welche Möglichkeiten es für uns birgt – sowohl in der Tabelle als auch für die Emotionen im Umfeld. Wir brauchen jetzt diesen Push“, sagte Kehl. Und wenn nicht? Die Kritik an Favre wird weiter wachsen. „Favre versucht sich mit der Abwehr durchzukämpfen, doch seine Rechnung geht nicht auf“, titelte die italienische Zeitung „Repubblica“. „Corriere della Sera“schrieb: „Die Dortmunder sind ein Vintage-Gegner mit vielen guten Spielern, die aber nach Schemen spielen, die vor 20 Jahren aktuell waren.“
Tritt der BVB am Samstag ähnlich mutlos auf, wird es unruhig werden. Die „Sport Bild“berichtete bereits über ein Interesse am portugiesischen Star-Coach Jose Mourinho, der ein gutes Verhältnis zu BVB-Chef Aki Watzke pflege und Dortmund bereits öfters gelobt habe. „Diese Gerüchte entbehren jeder Substanz“, sagte Zorc.
Hummels ist derweil für Bundestrainer Joachim Löw zumindest im Moment kein Thema, das Comeback muss also warten. „Keine Ahnung, was nächstes Jahr sein wird“, sagte Löw. „Am Ende steht der Erfolg der Mannschaft an erster Stelle.“
Champions League Gruppenphase (3. Spieltag)