Bremsklotz Autoindustrie
Branchenkrise strahlt auf Gesamtwirtschaft ab und könnte die nächste Rezession auslösen
FRANKFURT - Für die Beschäftigten des weltweit größten Automobilzulieferers Bosch geht eine Woche mit Hiobsbotschaften zu Ende: Am Dienstag hatte der Stiftungskonzern angekündigt, an den Standorten in Feuerbach und Schwieberdingen 1600 Stellen zu streichen. Am Donnerstag und Freitag traf es Schwäbisch Gmünd und Bremen. An den beiden Standorten fallen 1000 beziehungsweise 240 Jobs der Branchenkrise zum Opfer. Ziel ist es immerhin, den Stellenabbau sozialverträglich über die Bühne zu bringen, auf betriebsbedingte Kündigungen also zu verzichten.
Bosch ist damit nicht allein: Ob Continental, ZF, Mahle, Brose – überall streichen Autozulieferer Jobs oder kündigen Stellenabbaupläne an.
Damit wirkt sich die Malaise der Autobauer mehr und mehr auf ihre Zuliefererbetriebe aus – und darüber hinaus. Einer Studie des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen zufolge summieren sich die Abbaupläne in der Autoindustrie mittlerweile auf knapp 50 000 Stellen. Und ein Ende des Kahlschlags ist nicht in Sicht. „Wir werden die nächsten drei bis vier Jahre mit weiteren Ankündigungen und mit noch schlimmeren Dingen rechnen müssen – zum Teil mit Betriebsstilllegungen“, sagte Studienautor Ferdinand Dudenhöffer der „Schwäbischen Zeitung“. Der Branchenexperte meint, dass die Autoindustrie erst am Beginn einer viel größeren Welle von Stellenstreichungen stehe. „Das wird keine einfache Zeit werden die nächsten Jahre.“
Dieser Befund deckt sich mit anderen Erhebungen – etwa der aktuellen Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Die wird zwar erst kommende Woche offiziell veröffentlicht. Dem Vernehmen nach aber beurteilen die Unternehmen der Autoindustrie ihre Geschäftslage und Aussichten darin so verhalten wie zuletzt vor zehn Jahren – das war inmitten der schweren Wirtschaftskrise.
So hat in dieser Woche auch der Dax-Konzern Continental angekündigt, Wertminderungen und Abschreibungen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zu verbuchen. Conti dürfte in diesem Jahr rote Zahlen schreiben und plant darüber hinaus, in den kommenden zehn Jahren 7000 Stellen allein in Deutschland zu streichen.
Negative Signale allerorten
Da die Autoindustrie zentral für die hiesige Wirtschaft ist, hat deren Krise auch negative Folgen für andere Wirtschaftszweige – etwa die chemische Industrie oder die deutschen Maschinenbauer. Deren Verbandschef, Carl Martin Welcker, konstatierte schon im Sommer, dass einige Autozulieferer als Kunden der Maschinenbauer damit begonnen hätten, Aufträge zu stornieren.
Seither habe sich die Lage weiter verschlechtert, wie VDMA-Konjunkturexperte Olaf Wortmann jüngst eingestand: „Unser zweitgrößter Markt ist China, hier haben wir nur ein mageres Plus von zwei Prozent einfahren können. Aber auch das ist beachtenswert. Denn die chinesische Wirtschaft leidet unter dem Handelsstreit mit den USA und verliert immer weiter an Schwung.“
Der Handelsstreit und der Rückgang der Nachfrage in China ist es denn auch, der der Autoindustrie aktuell am meisten zu schaffen macht. Denn China ist der wichtigste Automarkt der Welt.
Hinzu kommt, dass sich die Autobranche inmitten eines fundamentalen Wandels befindet – allen voran die Umstellung auf alternative Antriebstechniken. Das kostet Milliarden – und ist ein Problem angesichts der bescheidenen wirtschaftlichen Aussichten. Deswegen müssen die Unternehmen umso härter auf die Kostenbremse treten. Und als wäre das nicht genug, wird die Transformation umso schmerzvoller sein, weil etwa für die Produktion von Elektromotoren viel weniger Beschäftigte nötig sind als bei Verbrennungsmotoren.
Wenn sich diese Probleme der Schlüsselindustrie weiter und verstärkt in anderen Bereichen der Wirtschaft niederschlagen, könnte das die Ursache für die nächste Rezession sein, glaubt Ferdinand Dudenhöffer. „Bisher war es so, dass große Konjunkturkrisen beispielsweise durch die Finanzwelt ausgelöst wurden – wie im Jahr 2008. In der Folge hat es die Autobauer getroffen. Nach unserer Einschätzung ist es jetzt das erste Mal, dass die Automobilindustrie die weltweite Rezession einleitet.“
Um dem etwas entgegenzusetzen empfiehlt Dudenhöffer, sich China gegenüber zu öffnen und enger zusammenzuarbeiten. So müsse das Rad bei Batterietechnologien nicht neu erfunden werden. Stattdessen sollte die Wirtschaft versuchen, solche Fabriken gemeinsam mit chinesischen oder koreanischen Herstellern zu bauen.