„Sich auf das Geld des Mannes zu verlassen, ist naiv“
Finanzberaterin Constanze Hintze erklärt, was Frauen bei der Geldanlage beachten müssen
RAVENSBURG - Geld steht jeder Frau, findet die Finanzberaterin Constanze Hintze. Seit 30 Jahren ist sie in der Finanzberatung tätig und richtet sich mit ihrem Angebot speziell an Frauen. Hintze ist der Meinung, dass Frauen so früh wie möglich mit der Vermögensbildung anfangen und sich keinesfalls auf das Geld ihres Ehemannes verlassen sollten. Warum – das hat Helena Golz Constanze Hintze gefragt.
Frau Hintze, es ist ein altes Klischee: Männer verdienen das Geld, Frauen geben es aus. Ist da was dran?
An jedem Klischee ist ja immer etwas Wahres dran. Tatsächlich hat sich aber diese Einstellung von Frauen sehr stark gewandelt. Ich kann durchaus feststellen, dass das Interesse und der Wunsch der Frauen nach der eigenen Vermögensbildung und der eigenen Altersvorsorge deutlich gestiegen sind.
27 Prozent der Männer besitzen Aktien, Aktienfonds und Wertpapiere, bei Frauen sind es nur 18 Prozent. Wie kann das sein, wenn das Interesse doch größer wird?
Der Anteil von Aktionärinnen ist gestiegen. Aber im gleichen Atemzug ist der der Männer auch angewachsen. Die genderbezogene Aktien-Lücke besteht nach wie vor. Viele Frauen sehen in Aktien mehr die Risiken als die Chancen.
Warum ist das so?
Ein Grund ist: Wer weniger hat, der hat auch mehr zu verlieren.
Warum haben Frauen mehr zu verlieren?
Trotz aller Gleichberechtigung und zahlreicher Gesetze zur Stärkung von Frauen sind es noch immer sie, die die meiste Familienarbeit schultern. Wer bringt denn Kinder und berufliche Karriere unter einen Hut? Das sind auch 2019 noch immer in der Mehrzahl die Mütter. Doch wer lange Pausen für die Familie einlegt oder sich mit einem Minijob oder Teilzeitarbeit zufriedengibt, produziert zwangsläufig Brüche in der Erwerbsbiografie. Die sich dann zu eklatanten Lücken in der Altersvorsorge ausweiten. Außerdem verdienen Frauen immer noch weniger als Männer.
Wie viel weniger?
Bei gleichwertigem Beruf und gleicher Arbeitszeit verdienen Frauen etwa sieben Prozent weniger. Das klingt wenig, summiert sich aber für ein Arbeitsleben betrachtet auf den Wert eines Einfamilienhauses. Im Alter haben Frauen im Schnitt deshalb ungefähr 35 Prozent weniger Rente zur Verfügung. Deswegen lautet mein Rat für junge Frauen: Fangt früh mit dem Sparen für später an! Die Vermögensbildung beginnt mit dem Start in den Beruf.
Wie ist denn der erste Schritt? Wie fängt man an?
Der allererste Schritt, den ich empfehle, ist die Absicherung der eigenen Arbeitskraft durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Das hat jetzt weniger etwas mit Vermögensbildung unmittelbar zu tun, sondern mit einer Risikovorsorge. Aber das macht Sinn. Denn wenn ich nicht mehr arbeiten kann, dann kann ich auch nichts auf die Seite legen. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann diese Lücke schließen. Im Anschluss steht dann ein ganzes Bündel an Möglichkeiten offen wie die Riester-Rente, die betriebliche Altersvorsorge oder eben das Aktiensparen.
Viele Finanzbloggerinnen raten Frauen zu breit gestreuten ETFs, also börsengehandelten Indexfonds, die die Wertentwicklung eines Index, wie beispielsweise des Dax, abbilden. Ist das ein guter Ratschlag?
Ein ETF ist mit Verlaub ein eher dummes Investment, weil er nur etwas abbildet, was da ist. Der Deutsche Aktienindex (Dax) besteht aus 30 Aktien. Und ein ETF auf den Dax ist im Grunde genommen nur eine Blaupause dieses Index. Natürlich, wenn der Dax um zehn Prozent steigt, haben wir diese zehn Prozent als positive Rendite. Aber die meisten vergessen, dass es umgekehrt genauso ist. Ein ETF-Dax-Anleger hätte im vergangenen Jahr mit dieser Art der Geldanlage 18 Prozent Minus gemacht. Ich rate stattdessen zu Aktienfonds, die breit gestreut, die vor allen Dingen global ausgerichtet sind, und die dazu aktiv gemanagt werden. So schaffe ich es, dass mein Vermögen von erfolgreichen Volkswirtschaften profitiert und in fallenden Märkten das Fondsmanagement klug eingreift und das Risiko minimiert. Denn schließlich ist die langfristige Wertentwicklung von Aktieninvestments allen anderen liquiden Anlageformen deutlich überlegen.
Aber die Gebühren für aktiv gemanagte Fonds sind deutlich teurer als für ETFs. Sollten Frauen wirklich auf das teurere Produkt setzen – vor allem vor dem Hintergrund, dass sie sowieso nicht so viel Geld zur Verfügung haben wie Männer?
Qualität hat auch in der Finanzwelt ihren Preis. Wenn das Anlageergebnis gut ist und das Risiko begrenzt werden konnte, rechtfertigt das auch höhere Kosten. Aber es geht hier auch noch um etwas anderes, nämlich, ob eine Frau das verdient, was sie verdient. Man sollte als Frau mutig bei Gehaltsverhandlungen vorgehen und ruhig nach den großen Sternen greifen.
Gibt es einen Betrag, ab dem es sich überhaupt erst lohnt ihn anzulegen?
100, 200 Euro sollten es schon sein. Man muss es daran festmachen, was man netto verdient, welche Ausgaben anstehen und wie das eigene Absicherungsziel lautet. Zehn Prozent vom Nettoeinkommen sollten mindestens auf die Seite gelegt werden. Dieser Betrag sollte im Laufe des Berufslebens natürlich angepasst werden.
In einer Umfrage des Sozialforschungsinstituts Delta mit teilzeitbeschäftigten Frauen sagen 72 Prozent, dass sie sich darauf verlassen, von ihrem Partner im Alter finanziell abgesichert zu werden. Ist das nicht legitim?
Nein, sich auf das Geld des Ehemanns zu verlassen, ist im höchsten Maße naiv. In Deutschland wird jede vierte Ehe geschieden, jede dritte in den Großstädten. Wenn eine Frau vorher in der Hoffnung auf einen gemeinsamen Lebensabend ihren Beruf an den Nagel gehängt hat, um sich der Familie zu widmen: Wie soll die Frau diese Lücke in ihrer Vorsorge jemals schließen? Oder was ist, wenn der Mann seinen Job verliert, weil die Firma dichtmacht oder er möglicherweise erkrankt? Dann fehlt eine große Einnahmequelle. Diese 72 Prozent Frauen muss man genau mit diesen Wahrheiten konfrontieren.
Was ist mit den Frauen, deren Wunsch es schlicht ist, bei den Kindern zu Hause zu bleiben?
Natürlich ist es eine schöne Zeit mit den Kindern zu Hause. Aber eine Familie ist ein gemeinsames Projekt. Wenn die Frau zugunsten der Familie auf ihren erlernten Beruf und damit auf Gehalt und Altersvorsorge verzichtet, ist das ein Beitrag für das Familienleben. Dann muss aber auch der Mann seinen finanziellen Beitrag leisten und zum Beispiel die Rentenversicherungsverträge der Ehefrau fortführen. Das kann man ja alles regeln.
Wir reden über Frauen, die eine Familie gründen oder dies planen. Wenn ich nun aber schon 50 Jahre alt bin, ist es dann zu spät für die Finanzplanung?
Es ist nie zu spät, ein paar korrigierende Weichen zu stellen. Aber je später ich anfange, desto mehr muss ich finanziell in die Hand nehmen, um eventuelle Lücken zu schließen. Das Alter von 50 Jahren ist ein idealer Zeitpunkt, eine umfangreiche Altersvorsorgebetrachtung anzustellen. In dieser Phase stehen die meisten voll im Berufsleben und haben gleichzeitig noch 17 Jahre bis zum gesetzlichen Renteneintritt, in denen man sparen kann.
Gibt es Vorteile, die Frauen bei der Geldanlage haben?
Ja. Aufgrund ihrer eher defensiven Positionierung bei der Vermögensanlage haben viele Frauen in den vergangenen Jahren zu klassischen Lebens- und Rentenversicherungen gegriffen. Diese Art der Altersvorsorge war lange als unflexibel und teuer verschrieen. Doch jetzt, wo sich das Zinsniveau auf einem sehr niedrigen Level bewegt und wir alle immer älter werden, da rücken diese sicherheitsorientierten Geldanlagen wieder ins Interesse der Anleger. Zum anderen setzen Frauen auch nicht alles auf eine Karte. Sie investieren dann eben nicht nur alles in einen Aktienfonds oder in eine Aktienstrategie oder ETFs, sondern auch in Mischfonds oder aktiv gemanagte oder vermögensverwaltende Fonds. Vergangenes Jahr war ein sehr kritisches Jahr, denken Sie nur an die Sorgen rund um den Handelskonflikt. Frauen haben mit ihrer Vorgehensweise und Strategie weitaus weniger verloren als der Markt. Dass Frauen nicht mit Geld umgehen können, ist für mich ein Ammenmärchen!