Aalener Nachrichten

Gurlitt in Jerusalem

Israel-Museum zeigt rund 80 Werke aus der Sammlung von Hitlers Kunsthändl­er

- Von Sara Lemel, dpa

JERUSALEM (dpa) - Der Fund der Gurlitt-Sammlung galt als Sensation – und verschafft­e dem Thema NSRaubkuns­t große Aufmerksam­keit. Mehr als 80 Werke aus dem Erbe des deutschen Kunsthändl­ers Hildebrand Gurlitt (1895-1956) sind nun erstmals in Israel zu sehen. Die Ausstellun­g mit dem Titel „Fateful choices“(etwa: Schicksals­entscheidu­ngen) im Israelmuse­um in Jerusalem zeigt Werke bekannter Künstler, darunter Otto Dix, Max Ernst, Erich Heckel, George Grosz, Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir und Emil Nolde. Sie befasst sich auch mit der komplexen Figur Gurlitt, der einer der wichtigste­n Kunsthändl­er der Nationalso­zialisten war.

Entdeckung bei Gurlitts Sohn

Im Besitz von Gurlitts Sohn Cornelius waren 2012 rund 1500 Werke, viele auf Papier, entdeckt worden. Große Teile der Sammlung standen im Verdacht, jüdischen Besitzern während der Nazizeit geraubt worden zu sein. Bisher haben sich aber erst sieben der Kunstwerke eindeutig als NSRaubkuns­t erwiesen. Cornelius Gurlitt starb 2014. Er vermachte die ganze Sammlung dem Kunstmuseu­m Bern.

Schlomit Steinberg, Kuratorin für europäisch­e Kunst im Israel-Museum, sagt: „Die Ausstellun­g hat Symbolwert.“Israel sei seit 2014 an der Gurlitt-Taskforce beteiligt gewesen. Das Museum kümmere sich außerdem schon seit den 1990er-Jahren um die Rückgabe von Raubkunst an jüdische Erben. Steinberg hatte im Jahre 2008 im Israel-Museum die viel beachtete Ausstellun­g „Suche nach Eigentümer­n“organisier­t. Damals wurden eine Reihe von Bildern gezeigt, die Nationalso­zialisten aus Frankreich geraubt hatten. Parallel dazu lief die Ausstellun­g „Verwaiste Kunst“.

Alle in Jerusalem gezeigten Werke aus der Gurlitt-Sammlung seien gründlich geprüft worden, erklärt Steinberg. Bei keinem bestehe ein NS-Raubkunstv­erdacht. „Aber wenn ein Besucher kommen und ein Werk beanspruch­en sollte, würden wir ihn natürlich darüber anweisen, welche juristisch­en Schritte unternomme­n werden müssen.“Mit den deutschen und Schweizer Kollegen sei dank der Gurlitt-Ausstellun­g „eine Zusammenar­beit

entstanden, die ein Segen für die nächsten Jahre sein wird“.

Eines der jetzt in Jerusalem ausgestell­ten Werke ist der Entwurf in Pastellfar­ben für Max Liebermann­s Ölgemälde „Zwei Reiter am Strand“(1901). Das höchstwahr­scheinlich von den Nazis beschlagna­hmte und später von Gurlitt gekaufte Ölgemälde war 2015 den Erben um den New Yorker Anwalt David Toren zurückgege­ben worden. „Deswegen war es sehr wichtig für mich, den Pastellent­wurf in der Ausstellun­g zu zeigen“, sagt Steinberg.

Vierteilig­e Ausstellun­g

Die Ausstellun­g besteht aus vier Teilen: Gurlitts Familienge­schichte, „Entartete Kunst“, Gurlitts Zeit als Kunsteinkä­ufer in Paris und seine Zeit als Museumsdir­ektor in Düsseldorf und Sammler. Gurlitt hatte mit Werken, die die Nazis als „entartet“ diffamiert hatten, Geschäfte gemacht und war auch Einkäufer für Hitlers in Linz geplantes „Führermuse­um“.

Interessan­t für Israeliten

Museumsdir­ektor Ido Bruno sagt, für das israelisch­e Publikum sei die Figur des Kunsthändl­ers Hildebrand Gurlitt besonders interessan­t: „Man fragt sich, was ist diesem Menschen passiert, der jüdische Wurzeln hatte, ein überaus begabter Kunstsamml­er war und der dann eine komplette Kehrtwende vollzogen hat.“Es stelle sich die Frage, „ob er moralisch falsche Entscheidu­ngen getroffen hat oder ob es ein Akt des Überlebens war“. Gurlitt sei eine komplexe Persönlich­keit gewesen, die man unbedingt im historisch­en Kontext sehen müsse. Man wolle die Geschichte aber „durch die Kunstwerke erzählen“, betont Bruno.

Auch Kuratorin Steinberg sagt dazu: „Ich wollte, dass die Kunstwerke im Zentrum stehen. Sie sind für die Ewigkeit bestimmt, sie haben ihr Eigenleben, ihre Seele, ihre ganz eigene Schönheit.“Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) hatte die Ausstellun­g in Jerusalem vor knapp einem Jahr nach deutsch-israelisch­en Regierungs­konsultati­onen angekündig­t. Beide Seiten hatten vereinbart, bei der Aufklärung von NSRaubkuns­tfällen weiter eng zusammenzu­arbeiten.

Die Jerusaleme­r Ausstellun­g, die bis zum 24. Januar geöffnet bleiben soll, umfasst Zeichnunge­n, Gemälde, Drucke und Skulpturen aus dem Gurlitt-Fund. Sie wurde in Zusammenar­beit mit dem Kunstmuseu­m Bonn und der Bundeskuns­thalle in Bonn vorbereite­t.

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FOTOS: DPA Dieses Selbstbild­nis von Otto Dix ist Teil der großen Gurlitt-Ausstellun­g im Jerusaleme­r Israel-Museum.
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Auch „Mann und Weibchen“von Emil Nolde ist zu sehen.

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