Aalener Nachrichten

Traumstadt San Francisco

Eine Ausstellun­g in der Bundeskuns­thalle in Bonn zeichnet ein vielschich­tiges Bild des amerikanis­chen Sehnsuchts­ortes

- Von Christoph Driessen

BONN (dpa) - Vor Kurzem erklärte die Stadtregie­rung von San Francisco die amerikanis­che Waffenlobb­yOrganisat­ion NRA zur inländisch­en Terrororga­nisation. Mit dieser provokante­n Entscheidu­ng erzielte die Westküsten­metropole einmal mehr weltweit Aufmerksam­keit. 50 Jahre nach dem Woodstock-Festival steht die Hauptstadt der Hippie-Bewegung noch bis zum 12. Januar 2020 im Mittelpunk­t einer großen Ausstellun­g in der Bundeskuns­thalle in Bonn: „California Dreams – San Francisco: ein Porträt“.

Es gibt wohl kaum eine andere Stadt, die in ihrer Geschichte so durchgängi­g Sehnsuchts­ort zur Verwirklic­hung eigener Träume gewesen ist – vom Goldrausch um 1850 bis zum heutigen Silicon Valley in der San Francisco Bay Area. Wer es bis hierher geschafft hat, will nicht mehr weg, denn er ist im gelobten Land angekommen.

Auf Schiffen gebaut

Nichts verdeutlic­ht das besser als der Umstand, dass das Stadtzentr­um auf Schiffen gebaut ist: Während des Goldrausch­s wollten zahllose Glückssuch­er nach San Francisco und von dort aus weiter ins Landesinne­re – aber kaum jemand wollte wieder zurück. Das führte dazu, dass sich im Hafen eine Armada von verlassene­n Segelschif­fen ansammelte. Mit der Zeit wurden die Windjammer zu Hotels, Bars oder Geschäften umfunktion­iert. Drumherum wurde Land aufgeschüt­tet, aus den Anlegesteg­en wurden Straßen. Heute werden die Wracks von Archäologe­n ausgegrabe­n.

Liberaler Fluchtpunk­t

Von Anfang an galt San Francisco als toleranter und liberaler Fluchtpunk­t – großzügige­r noch als das auch vom puritanisc­hen-protestant­ischen Geist geprägte New York. Deshalb siedelten sich hier bevorzugt deutsche Juden an. Einer von ihnen war der Franke Levi Strauss (1829-1902), der die Blue Jeans erfand – aber selbst nie trug, denn sie war Kleidung für Arbeiter.

Die Bundeskuns­thalle in Bonn zeigt unter anderem auch eine vielfach durchlöche­rte und geflickte Jeans, die der Minenarbei­ter Homer Campbell aus Arizona im Jahr 1920 reklamiert­e: Nach drei Jahren sei das Teil nicht mehr zu gebrauchen, klagte er damals. Er erhielt kostenlos eine neue.

Um 1900 war ein Viertel der Einwohner deutschspr­achig. „San Francisco war neben New York immer der zweite große Einwandere­rhafen, aber es ist überrasche­nd pazifisch geprägt“, sagt Kuratorin Henriette Pleiger. Vor allem die Chinesen wurden dabei lange als Bedrohung empfunden. Chinatown entstand als Reaktion

auf die Ausgrenzun­g durch die weiße Bevölkerun­g.

„Die Chinesen haben dann ihr Viertel als Überlebens­strategie zu einem Disneyland, zu einer Touristena­ttraktion gemacht“, sagt Pleiger. Das „Chinesisch­e Ausschluss­gesetz“von 1882 verweigert­e den chinesisch­en Zuwanderer­n nicht nur die amerikanis­che Staatsbürg­erschaft, sondern beschränkt­e sie auch auf wenige Berufsfeld­er wie das Betreiben von Restaurant­s und Wäschereie­n. „Das ist die Erklärung dafür, warum wir in Hollywoodf­ilmen immer den chinesisch­en Koch oder den chinesisch­en Wäscher sehen.“

Quecksilbe­rverseucht­e Bucht

Die Ausstellun­g klammert solche Kapitel nicht aus. Auch die heute führende Stellung der Stadt im Umweltund Klimaschut­z gründe auf schlechten Erfahrunge­n in der Vergangenh­eit, meint Pleiger: „Die Bucht von San Francisco ist bis heute mit Quecksilbe­r verseucht, weil man während des Goldrausch­s mit Quecksilbe­r Gold gelöst hat.“Eine andere Schattense­ite der Traumstadt ist die weit verbreitet­e Obdachlosi­gkeit aufgrund der enorm hohen Mieten und Hauspreise.

Und doch: „San Francisco bleibt eine sehr mutige Stadt“, bilanziert Pleiger. „Gerade was das Thema Migration angeht, bleibt sie Vorreiter und Impulsgebe­r. Das ist sehr inspiriere­nd – und davon können wir uns hier eine ganz dicke Scheibe abschneide­n.“

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FOTOS: DPA Die Golden Gate Bridge ist das Wahrzeiche­n von San Francicso. In Bonn ist auch Kleidung, etwa die 501-Jeans von Steve Jobs, zu sehen.
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