Josef Seibold bricht eine Lanze für Georg Elser
Vortrag in der Eugen-Bolz-Realschule – Ringen um Anerkennung für einen tragisch Gescheiterten
ELLWANGEN (R.) - Bis zum heutigen Tag gibt es Vorbehalte gegenüber dem Mann, der am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller ein Sprengstoffattentat auf Adolf Hitler und die dort versammelte NS-Führung verübte. Für manche ist der Schreiner Georg Elser aus Königsbronn ein rotes Tuch, für andere sogar ein Mörder. Der Königsbronner Josef Seibold ist ein ausgewiesener Kenner des Hitler-Attentäters und hat am Mittwoch bei einem Vortrag in der Aula der Eugen-Bolz-Realschule eine Lanze für den Widerstandskämpfer Georg Elser gebrochen.
Bis zu seiner Pensionierung unterrichtete Josef Seibold an der Georg-Elser-Schule in Königsbronn. Heute führt er durch die Elser-Gedenkstätte und hat für den Dokumentarfilm über den Hitler-Attentäter umfangreiches Begleitmaterial erstellt.
1903 in Hermaringen im Landkreis Heidenheim als Kind armer Bauern geboren, verbrachte Georg Elser seine Jugend in Königsbronn.
Eine Lehre als Eisendreher musste er wegen Krankheit abbrechen. Nach einer Schreinerlehre arbeitete er in einer Konstanzer Uhrenfabrik und brachte zwei Uhrwerke mit nach Königsbronn, als er 1932 zurückkehrte. Diese und Sprengstoff aus dem Königsbronner Steinbruch brauchte er für den Anschlag, den er akribisch vorbereitete. Seibold schilderte Hitlers gescheiterten Putschversuch im Münchner Bürgerbräukeller im November 1923, den die Nationalsozialisten nach der „Machtergreifung“alljährlich feierten. Elser konnte daher sicher sein, dass Hitler am 9. November 1939 ins Bürgerbräu kommen würde.
Zündversuche im Garten
Schon im Herbst 1938 erkundete er das Lokal und wusste, dass Hitler von der Mitte des Saales an der vierten Säule links sprechen würde. Im Steinbruch entwendete er Presspulver und Sprengpatronen und unternahm Zündversuche im Garten. Mit einfachen Werkzeugen präparierte er in 30 Nächten die Säule über Hitlers Rednerpult mit Sprengstoff und Zeitzünder-Mechanismus mit zwei Uhrwerken. Präzise um 21.20 Uhr explodierte der Sprengkörper. Die Saaldecke stürzte ein, es gab acht Tote und 60 Verletzte. Hitler und sein Gefolge hatten das Bürgerbräu 13 Minuten zuvor verlassen, um den Zug nach Berlin zu erreichen. Auf dem Weg in die Schweiz wurde Elser verhaftet, von Heinrich Himmler verhört und schließlich ins KZ Dachau gebracht. Dort wurde er am 9. April 1945, wenige Tage vor Kriegsende, mit einem Genickschuss getötet, der Leichnam verbrannt und die Asche verstreut. Es gibt kein Grab.
Ein früher Gegner der Nazis
Hitler, so Seibold, habe einen Tag nach dem Anschlag das Bürgerbräu besucht und sei „ziemlich betroffen gewesen“. So nahe sei ihm später nur noch einer gekommen: Graf Stauffenberg beim Attentat des 20. Juli 1944. Elser sei früh ein Gegner des Nationalsozialismus gewesen. Er habe, so ein Verhörprotokoll, festgestellt, dass Arbeiter weniger verdienten und wegen der Vereinnahmung durch die Hitlerjugend „nicht mehr Herren ihrer Kinder“gewesen seien: „Auch die Königsbronner Jugend diente dem Führer“, so Seibold. Elser habe sich nicht blenden lassen.
Vor Gericht stand er nie. Vielmehr sollte er, so Seibold, nach dem „Endsieg“aussagen, er habe im Auftrag des britischen Geheimdienstes gehandelt. Dort hatte Reichspropagandaminister Joseph Goebbels die Urheber des fachmännisch ausgeführten Attentats vermutet. Viele Deutsche glaubten ihm, kaum jemand an Elsers Einzeltäterschaft. Nach 1945 habe der Theologe Martin Niemöller fälschlich behauptet, Elser sei ein SS-Unterscharführer gewesen und habe auf Hitlers Befehl gehandelt.
„Königsbronn und Georg Elser haben lange gebraucht, um zueinander zu finden“, so Seibold. Das ElserDenkmal am Bahnhof sei zweimal geschändet worden. Für den rund 800 000 Euro teuren barrierefreien Umbau der Gedenkstätte hoffe man auf den Bundespräsidenten, der Anfang November zum 80. Jahrestag des Attentats in Königsbronn erwartet wird.
Steinmeier will auch das neue Elser-Denkmal in Hermaringen besuchen.