193 Restaurants und drei verdorbene Mägen
Tja, nun ist es also so weit: Dieser Text ist die 250. Ausgabe der Kolumne „Aufgegabelt“, seit sie am 3. Januar 2015 zum ersten Mal erschienen ist. Sicher kein Grund sentimental zu werden, zumal es ehrlich gesagt nicht besonders gut bestellt ist um unsere Gastronomie. Und das liegt sicher nicht an den paar verdorbenen Mägen mit ihren unschönen Begleiterscheinungen, die sich nach Restauranttests eingestellt haben. Aber dazu später mehr.
Zunächst ein paar Zahlen für die Statistikfreunde: Seit dem ersten Erscheinen sind an dieser Stelle insgesamt 193 Restaurants besprochen worden, eine Krankenhausküche, eine Bordküche im Flugzeug, das Angebot im ICE, diverse Kantinen und eine Mensa. Die Gesamtrechnung aus diesen stets unangemeldeten und anonymen Testessen beläuft sich auf eine niedrige fünfstellige Summe ohne Trinkgeld. Exakt 20 Restaurants
erwiesen sich in diesen knapp fünf Jahren als derart schlecht, dass sie jenseits jeglicher Kritik waren und erkennbar in so desolatem Zustand, dass nach einem Besuch erst gar kein Text entstanden ist. Tatsächlich existieren 18 dieser Häuser heute nicht mehr. Die genaue Anzahl von Vor-, Haupt- und Nachspeisen und die damit verbundene Kalorienbilanz soll an dieser Stelle keine weitere Rolle spielen. Wichtig ist nur, dass die Arbeit an der Kolumne bis auf drei deutlich verdorbene Mägen bislang keine gesundheitlichen Konsequenzen gehabt hat. Rund ein Dutzend Mal kam es nach dem Erscheinen missliebiger Kritiken zur Androhung juristischer Schritte – für einen tatsächlichen Prozess hat es allerdings nie gereicht. Zwei Gastronomen haben in den Jahren versucht, eine lobende Restaurantkritik sozusagen zu bestellen. Zwei Restaurants haben nach dem Erscheinen von Kritiken ein Hausverbot ausgesprochen. Insgesamt haben Leser in Form von rund 500 Zuschriften und Kommentaren per Post, E-Mail sowie in sozialen Netzwerken ihr Gefallen und auch ihr Missfallen über die Kolumne deutlich zum Ausdruck gebracht.
Festzuhalten bleibt nach all diesen kulinarischen Erfahrungen – und damit sei auch eine der häufigsten Leserfragen beantwortet –, dass auch nach 250 Ausgaben die Restaurants noch längst nicht ausgehen. Laut dem Landesamt für Statistik gibt es in Baden-Württemberg noch immer mehr als 20 000 Restaurants, Gaststätten, Cafés, Kneipen und Verpflegungsdienstleister – den bayerischen Teil des Verbreitungsgebiets der „Schwäbischen Zeitung“gar nicht mitgerechnet.
Erschreckend ist die Vielzahl an Problemen, mit der sich die Branche herumschlagen muss – angefangen bei mannigfaltigen Dokumentationsund Nachweispflichten, die es schwer machen, sich aufs Kerngeschäft zu konzentrieren. Vom Personalmangel
ganz zu schweigen. Eine Konsequenz ist, dass es außerhalb der Städte inzwischen immer schwieriger wird, ein Mittagessen zu bekommen. Darüber hinaus werden auch deshalb ausgerechnet jene Betriebe weniger, die noch alles traditionell-handwerklich selbst herstellen und auf die ansonsten allgegenwärtigen Industriepulver konsequent verzichten. Doch warum sollte ein Gast Zeit und Geld investieren, wenn sein Gastgeber nichts mehr zu bieten hat, wofür es sich lohnt, den eigenen Herd zu verlassen? Und was ist dann Ursache und Wirkung? Der Koch kocht nicht mehr selber, weil zu wenige Gäste kommen? Oder kommen immer weniger Gäste, weil der Koch nicht mehr selber kocht? Fragen über Fragen – und genug Stoff, um weiterhin aufzugabeln, was in unserer Region kulinarisch so alles unters Messer kommt.