Er war der gefürchtetste Terrorist der Welt
US-Präsident Donald Trump verkündet den Tod des IS-Anführers Abu Bakr al-Bagdadi
WASHINGTON/ISTANBUL - Wenn man Donald Trump glauben kann, dann starb der gefährlichste Dschihadist der Welt „wie ein Hund“. Abubakr al-Bagdadi, der Chef des „Islamischen Staates“, wurde in der Nacht zum Sonntag von US-Elitesoldaten im Nordwesten Syriens in einen Tunnel getrieben. „Wimmernd, heulend und schreiend“und außer sich vor Angst habe al-Bagdadi seine letzten Minuten verbracht, sagt der US-Präsident am Sonntag in Washington. Der IS-Chef zerrte demnach drei seiner Kinder mit in den Tunnel und zündete eine Selbstmordweste.
Es ist Sonntagmorgen, kurz nach neun Uhr in Washington, als Trump im Weißen Haus vor die Kameras tritt. „Gestern Abend haben die Vereinigten Staaten den führenden Terroristen der Welt der Gerechtigkeit zugeführt“, sagt er. „Abu Bakr al-Bagdadi ist tot.“Die Explosion des Sprengstoffgürtels habe den Körper al-Bagdadis bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, Forensik-Experten hätten ihn dennoch anhand seiner DNA identifizieren können.
Mehrere Versuche gescheitert
Nach Darstellung Trumps hatte man den Gründer des IS seit ungefähr einem Monat unter Beobachtung, nachdem es Hinweise gegeben habe, nach denen er in der syrischen Rebellenprovinz Idlib untergetaucht sei. Zwei, drei Versuche, ihn zu stellen, habe man abbrechen müssen, da er jeweils sehr plötzlich seinen Aufenthaltsort änderte. Am Samstag gegen 17 Uhr US-Ostküstenzeit habe die Operation dann begonnen. Zu der Zeit habe er, Trump, sich in den Situation Room, das Krisenzentrum der Regierungszentrale, begeben, um die Aktion gemeinsam mit seinen engsten Vertrauten zu beobachten. Auf nachträglich veröffentlichten Fotos sind neben ihm sein Stellvertreter Mike Pence, Verteidigungsminister Mark Esper, Sicherheitsberater Robert O’Brien und Mark Milley, der neue Generalstabschef der Streitkräfte, zu sehen.
In acht Helikoptern sei der Kommandotrupp zu seinem Ziel im Nordwesten Syriens geflogen. Dies habe etwas länger als eine Stunde gedauert, sagt Trump, ohne genauere Angaben zum Startpunkt zu machen. Auf ihrem Weg seien die Special Forces unter Beschuss geraten, hätten das Feuer allerdings sofort erwidert und die Gefahr eliminiert. In al-Bagdadis Schlupfwinkel seien sie dann auf heftigen bewaffneten Widerstand gestoßen.
Nach Darstellung des Weißen Hauses sprengten die Amerikaner ein Loch in eine Mauer, während sie die Eingangstür des Hauses mieden, da sie dort Sprengstoff-Fallen vermuteten. Mehrere Kämpfer des IS sowie zwei Frauen, beide mit Sprengstoffgürteln um den Leib, seien während des Gefechts getötet worden. Alle US-Soldaten dagegen hätten den Einsatz überlebt, lediglich einer der Hunde habe Verletzungen erlitten.
Sein Dank, so Trump, gelte Russland, der Türkei, Syrien, dem Irak und den syrischen Kurden. Moskau habe man vorab informiert, ohne in jedes Detail zu gehen, da der Trupp durch syrischen Luftraum fliegen musste, den russisches Militär kontrolliere. Russland habe sich „großartig“verhalten, „sie hassen den IS ja genauso wie wir“. Kooperiert habe auch die Türkei. Die syrischen Kurden wiederum hätten Informationen geliefert, die sich als hilfreich erwiesen hätten.
Al-Bagdadis Tod ist der zweite spektakuläre Schlag gegen den internationalen Dschihadismus in jüngster Zeit. Auch der Sohn des ehemaligen al-Kaida-Anführers Osama bin Laden, Hamza bin Laden, soll irgendwann zwischen 2017 und Anfang dieses Jahres bei einer US-Militäraktion getötet worden sein.
Al-Bagdadi wusste wohl, dass seine Zeit ablief. Schon vor Monaten hatte er einen Nachfolger bestimmt; in seiner letzten Video-Botschaft vom Frühjahr wirkte Bagdadi stark gealtert und entweder krank oder verwundet. Abdullah Qardash, ein früherer irakischer Offizier unter Diktator Saddam Hussein, wurde im Sommer zum künftigen IS-Chef gekürt. Al-Bagdadi, der wie sein designierter Nachfolger aus dem Irak kam, und Qardash hatten sich im Jahr 2003 in US-Haft im Irak kennengelernt. Trump sagte, die USA seien nun auf der Jagd nach alBagdadis Nachfolgern.
Aber auch ohne al-Bagdadi an der Spitze werde die Ideologie des IS fortleben, betont der Sicherheitsexperte H.A. Hellyer vom britischen Royal United Services Institute. Die Bedeutung von al-Bagdadis Tod dürfe nicht überbewertet werden, schrieb Hellyer auf Twitter. „Die Gruppe wird sich verändern – sie wird nicht verschwinden.“
Die Terrormiliz ist längst dabei, sich von ihrem geographischen „Kalifat“zu lösen und auf Anhänger in aller Welt zu setzen. Im Zuge einer Neuordnung der IS-Gebiete wurde die Bedeutung der Kerngebiete Syrien und Irak für die Terrormiliz abgestuft, während „Provinzen“in Afrika und Asien aufgewertet wurden, wie die Terrorexperten Charlie Winter und Aymenn al-Tamimi im US-Magazin „The Atlantic“schrieben. Sie interpretierten deshalb die Oster-Anschläge von IS-Anhängern in Sri Lanka als „Test“für die neue IS-Strategie.