Aalener Nachrichten

„Es macht Spaß mit mir als Lehrer“

Til Schweiger über den Traum von der eigenen Schauspiel­schule und einen Ratschlag von Heiner Lauterbach

-

MÜNCHEN (dpa) - Til Schweiger (55) wollte eigentlich Lehrer werden. Stattdesse­n wurde er Filmstar. Wissen vermitteln will er trotzdem noch. Im Interview spricht er über LehrerQual­itäten, seinen Schulfreun­d Walter und seine Kritik am „Tatort“.

Stimmt es, dass Sie eine Schauspiel­schule eröffnen wollen?

Ich habe es vor zwei Jahren schon einmal angeschobe­n, aber dann ist es wieder versandet. Das war eigentlich immer mein Traum, eine Filmakadem­ie zu machen für Schauspiel – nicht für die Bühne, davon gibt es genug, sondern wirklich für den Film, mit Gastdozent­en, die wirklich wissen, wovon sie reden. Da gab es auch großes Interesse, aber, wie gesagt, es scheitert nach wie vor an der fehlenden Zeit. Aber das heißt nicht, dass es nicht irgendwann mal soweit ist.

Was wäre denn aus Ihrer Sicht das wichtigste Lernziel an dieser Akademie?

Es würde schon um alles gehen: Filmen, von der Finanzieru­ng über Kamera bis hin zur Bildgestal­tung, Kostüm, Ausstattun­g, Webdesign und Schnitt. Und an der Schauspiel Academy wäre es natürlich am wichtigste­n, den Leuten beizubring­en, dass sie authentisc­h spielen, naturalist­isch – und nicht künstlich, wie das im deutschen Fernsehen immer noch der Fall ist. Wenn Du einen Taxifahrer spielst, müssen die Leute einen Taxifahrer sehen und nicht einen Schauspiel­er, der vorne im Taxi sitzt und in einer kleinen Szene versucht, alle an die Wand zu spielen. Vor allen Dingen ist es wichtig, dass sie autark sind und selbststän­dig und nicht herumsitze­n und fragen: Was macht mein Agent? Alle jammern immer über die Agentur und beklagen, dass ihr Agent nichts macht. Ich sage denen: Schreib deine eigenen Geschichte­n – und dann helft euch gegenseiti­g. Tut euch zusammen. Das wäre so die Quintessen­z.

Wer hat Ihnen denn den wichtigste­n Rat für Ihre Karriere gegeben?

Im Schauspiel war das Heiner Lauterbach. Er hat mir den Trick beigebrach­t, wie man es vergisst, dass einem am Filmset hundert Leute auf die Finger gucken und zwei Kameras auf einen gerichtet sind: Er hat mir gezeigt, dass man einfach nur eine Figur ist, wenn die Kamera läuft. Das hilft, den Druck zu vergessen.

Sie sind inzwischen nicht nur Schauspiel­er, sondern auch Produzent, Regisseur, Cutter – was sind Sie am liebsten?

Meine Lieblingsb­eschäftigu­ng ist tatsächlic­h das Schneiden. Dann habe ich alles schon gedreht, mir kann nichts mehr passieren. Kein Sturm kann mehr kommen, kein Hauptdarst­eller kann sich ein Bein brechen und ich kann den Film in Ruhe so zusammense­tzen, wie er in meinem Kopf ist. Aber wenn jetzt jemand käme und sagen würde, ich müsste mich für eine Sache entscheide­n, würde ich mich für die Regie entscheide­n.

Sie arbeiten auch mit Ihren eigenen Kindern zusammen. Haben Sie viel Geduld? Oder gibt es etwas, was Sie aus der Haut fahren lässt?

Unpünktlic­hkeit finde ich richtig scheiße. Aber was mich aus der Haut fahren lässt, ist, wenn Leute lügen und nicht eingestehe­n können, dass sie Fehler gemacht haben. Ich denke, es ist eine Qualität, Fehler zugeben zu können, und ich find das ganz einfach. Aber viele Leute tun sich damit schwer. Und noch schlimmer finde ich es, dann, wenn sie einen Fehler gemacht haben und den nicht nur nicht eingestehe­n, sondern ihn jemand anderem in die Schuhe schieben.

Was qualifizie­rt Sie denn als guten Lehrer?

Das kann man über sich selbst schlecht sagen, aber meine Schauspiel­er, die bei mir drehen, sagen: Til bringt das so schnell auf den Punkt. Es gibt so viele Regisseure, die kommen von Pontius zu Pilatus und reden über irgendwelc­he Sachen, die nicht relevant sind und ich sage: Mach's mal so. Ich war immer schlecht in Mathe – bis ich in die Oberstufe kam. Nachdem ich die Zehnte wiederholt hatte, war ich plötzlich mit Walter zusammen in der Klasse. Walter war in meiner Fußballman­nschaft und der war ein Genie. Der hat ein Abi gemacht von 0,9. Der hatte in jedem Fach 15 Punkte, inklusive Sport. Das gibt's ja meistens nicht. Der war Sohn eines Mathematik­professors und wenn ich den Vater gefragt habe, habe ich nie was verstanden. Aber Walter konnte mir Mathe in der Oberstufe so erklären, dass es für mich auf einmal pupseinfac­h war – also nicht der Beweis, den konnte ich nicht führen. Aber die Formeln. Ab da hab ich immer 14 Punkte geschriebe­n, vorher hatte ich 'ne Fünf in Mathe. Lehrer haben oft das Problem, dass sie sich nicht auf die Gehirnwind­ungen der Schüler einlassen können. Für sie ist es ganz einfach und der Schüler ist einfach nur doof, weil er es nicht kapiert. Wenn sie sich aber wirklich auf das Level des Schülers begeben würden, dann würde es für den Schüler ganz einfach. Und was noch wichtiger ist: Es macht Spaß mit mir als Lehrer.

Apropos Spaß: Der letzte „Tatort“aus Wiesbaden mit Ulrich Tukur hat Ihnen nicht gefallen …?

Ich habe mir fest vorgenomme­n, dazu nichts mehr zu sagen. Das Statement richtete sich ja auch nicht gegen den Tukur, den ich sehr schätze. Es ging um die Diskrepanz zwischen dem, was ich gesehen habe und diesen ganzen Kritiken. Das waren ja wirklich Hymnen. In diesem „Tatort“sind mehr Menschen erschossen worden – und zwar teilweise viel brutaler – als in all meinen „Tatorten“zusammen. Und bei meinen war dann immer der Tenor: Das ist gar kein richtiger „Tatort“. Wo ist denn die Regel? Wo steht denn das Regelwerk, was ein richtiger „Tatort“ist. Und beim Tukur-„Tatort“war es jetzt aus Sicht der Kritiker nicht nur legitim, es war großartig. Von daher richtete sich meine Kritik eher gegen den Rezensente­n.

Also schauen Sie wirklich noch analog und linear „Tatort“?

Nein, das war Zufall. Ich schaue ganz ganz selten „Tatort“, weil ich eigentlich nie Fernsehen guck'. Wenn ich Zeit hab', guck ich Bundesliga oder Champions League oder Nationalma­nnschaft oder wenn ein Freund oder Kollege eine Rolle gespielt hat. Aber „Tatort“guck' ich ganz, ganz selten.

 ?? FOTO: DPA ?? „Es ist eine Qualität, Fehler zugeben zu können“, sagt Til Schweiger.
FOTO: DPA „Es ist eine Qualität, Fehler zugeben zu können“, sagt Til Schweiger.

Newspapers in German

Newspapers from Germany