Von Mülltrennung und Südfrüchten
Kabarettist Nils Heinrich berichtet in Neuler über zwei verschiedene Gesellschaftssysteme
NEULER (ng) - Er kommt aus einem Land, das „Drüben“heißt, beobachtet die Menschen genau, weil er nicht auf sein Smartphone schaut und beschreibt mit Wortwitz Alltagssituationen: Nils Heinrich. 1971 bei Halle geboren, die Wende ohne großen Schaden überstanden, ist er heute Träger verschiedener Kabarettpreise und von Zahnfüllungen aus zwei verschiedenen Gesellschaftssystemen. „Dadurch kann ich im Mund meinen eigenen Batteriestrom erzeugen“, ergänzt er.
„Aufstand“heißt sein derzeitiges Kabarettprogramm, mit dem er per Eisenbahn durch die Lande tourt. Die Bahn muss natürlich für einige Lacher herhalten, als er ihre Pünktlichkeit auf die Schippe nimmt. Ganz traurig sei er gewesen, weil er in Neuler pünktlich angekommen war und der Intendant des Neulermer Farrenstalls, Klaus Finkbeiner, nicht auf ihn warten musste. Er entschuldigte sich, weil er 1989 für den Kapitalismus auf die Straße gegangen war. „Dabei wollte ich doch nur die Südfrüchte verkosten, die es im Osten nicht gab und gegen die ich heute allergisch bin.“
Das Lebensgefühl Angst hat Heinrich nicht und er kann nicht verstehen, warum die Deutschen Angst vor dem weißen Hai haben und nicht vor dem Hirsch, der sich mit Autos anlegt, die seine Pfade kreuzen. Er kann auch die SUV-Fahrer nicht begreifen, die eine solche Kiste kaufen, damit sie keine nassen Füße bekommen, weil die Pole abschmelzen und der Meeresspiegel ansteigt.
Nichts geht ohne Gebühr
Zu Hochform läuft der Kabarettist auf, wenn er seine selbstgemachten Lieder vorträgt. Sie persiflieren natürlich auch die deutsche Zweiheit. Eines hatte den Titel „Bearbeitungsgebühr“, ohne die in Deutschland von der Geburtsurkunde bis zum Grabe gar nichts geht. Überhaupt: Sein erster und bleibender Eindruck der deutschen Einheit sei „Mülltrennung“gewesen. Auch mit dem Begriff „Wutbürger“konnte er nichts anfangen, weil er im Westen gar keine Möglichkeiten fand, seine Wut herauszulassen. „Nicht einmal gegen eine Tür konnte ich treten, weil sie überall von allein aufging, wenn ich mich ihr näherte“.
Fremd ist ihm bis heute, dass Eltern die gleiche Musik wie die Kinder und sogar noch ihre Enkel hören: Helene Fischer. „Und aus lauter Frust fährt der Opa dann nach Wacken und wer steht auf der Bühne: Heino.“Kräftiger Beifall des Publikums, das auch seine Doppeldeutigkeiten und Wortspielereien genoss. Bei Oettinger hätte er nie an einen Ministerpräsidenten gedacht sondern nur an Bier. „Wisst ihr warum es am Heiligabend keine Musicalaufführungen gibt?“Weil die eine Konkurrenz haben: das Krippenspiel. In diesem Sinne wünschte Heinrich dem Publikum nach zwei Zugaben im proppenvollen Farrenstall alles Gute und „Frohe Weihnachten“.