Die wirklich freche Ms. Robinson
17-jährige Neuseeländerin gewinnt Riesenslalom in Sölden – DSV-Asse stechen noch nicht
SÖLDEN (dpa/SID) - An Glückwünsche der US-Stars und Branchengrößen Lindsey Vonn und Mikaela Shiffrin muss man sich als 17 Jahre alte Schülerin aus Neuseeland erst einmal gewöhnen. Ebenso an Pressekonferenzen nach Siegen im alpinen SkiWeltcup und Preisgeld in Höhe von 45 000 Schweizer Franken – nur das mit dem Feiern wird wohl nie mehr (zumindest offiziell) so nüchtern ausfallen müssen wie an diesem skihistorischen Samstag.
„Ein halbes Bier ist angemessen“, sagte Alice Robinson nach ihrem sensationellen Erfolg im Riesenslalom von Sölden – wohl wissend, dass sie diesen Montag zurück in die Heimat fliegt und noch eine letzte Woche Schule vor sich hat. Das ein oder andere Glas Champagner trank sie dann doch, hieß es tags darauf von Partygästen eines Ski-Ausrüsters.
Auf die Geschwindigkeit einlassen
Künftig wird sich aber alles nur noch ums Skifahren drehen für die Junioren-Weltmeisterin im Riesenslalom, die am Samstag in ihrem erst elften Weltcup-Rennen schon den ersten Sieg feierte. Sie ist nun die jüngste Sölden-Siegerin – und gab eine erste Antwort auf die Frage, wer nach den Rücktritten von Stars wie Vonn, Felix Neureuther oder Marcel Hirscher zu künftigen Hauptdarstellern im Weltcup werden kann. Die Einstellung dafür jedenfalls hat sie schon einmal: „Um schnell zu sein“, sagt Alice Robinson, „musst du dich auf die Geschwindigkeit einlassen und keine Angst davor haben, was passiert, wenn du stürzt.“Und: Man brauche „guts“, also „Eier“.
Bereits beim Weltcup-Finale im März war Robinson mit Rang zwei der erste Podestplatz gelungen. Der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier hatte die blonde junge Frau aus Queenstown deshalb längst auf dem Radar: „Ich wüsste niemanden aus der südlichen Hemisphäre, der so ein Potenzial hat. Die fährt wirklich frech Ski.“Weniger glücklich war Maier mit seinen eigenen Sportlern. Viktoria Rebensburg kam mit 1,73 Sekunden Rückstand hinter Alice Robinson nur auf Platz 13. Stefan Luitz wurde 16. beim Sieg von Alexis Pinturault aus Frankreich. Ein Sölden-Wochenende ohne deutschen Top-12-Rang gab es letztmals 2002. „Die Zugpferde sind halt noch nicht so weit, wie wir uns das vorgestellt haben. Das ist einfach Fakt“, sagte Maier.
Weder Rebensburg noch Luitz fuhren so unbekümmert wie Robinson. Die hat neben ihrem Talent die Unterstützung von Red Bull sowie der Stiftung von Lindsey Vonn. Sie lebt die meiste Zeit in Italien und wird von Chris Knight und Jeff Fergus betreut – beide hatten einst Weltcup-Rekordsiegerin Vonn und deren designierte Nachfolgerin Shiffrin mitgeformt.
Wohl auch deshalb kennt Shiffrin – die selbst bei ihrem ersten Sieg 17 Jahre alt war – die Neuseeländerin. „Man konnte schon im Vorjahr sehen, dass sie auf dem Weg zu einer wirklich starken Skifahrerin ist“, meinte die Olympiasiegerin. Shiffrin wurde mit 0,06 Sekunden Rückstand Zweite und schwankte danach zwischen echter Freude für die junge Kollegin und erkennbarer Verärgerung über die Niederlage.
Shiffrins Dominanz wird Alice Robinson so schnell natürlich nicht gefährden, die Gesamtweltcup-Siegerin der vergangenen drei Jahre wird auch in diesem Winter das Maß der Dinge sein. Dass Robinson, wie Tessa Worley aus Frankreich als Dritte, aber zum Spitzentrio beim Saisonstart zählte und sich dahinter schon eine große Lücke auftat, haben alle registriert. „Die drei vorne waren in einer eigenen Liga. Die anderen müssen sich anschnallen und haben richtig viel Arbeit vor sich“, sagte der neue ARDFernsehexperte Felix Neureuther. Und ergänzte, speziell über die Siegerin: „Des Mädel fährt – des is unglaublich.“
Die dritte Siegerin aus ihrem Land
Robinson ist nach Anneliese Coberger und Claudia Riegler erst die dritte Skirennfahrerin aus Neuseeland, die ein Weltcup-Rennen gewinnen konnte – die erste im Riesenslalom. Dass das ausgerechnet wenige Stunden nach dem Halbfinal-Aus der „All Blacks“bei der Rugby-Weltmeisterschaft geschah, war der einzige Wermutstropfen für sie.