Blockadelöser dringend gesucht
Der VfB steht nach drei Niederlagen unter Druck – Uneinigkeit bei der Ursachenforschung
HAMBURG - Beim VfB Stuttgart üben sie sich seit mehreren Wochen in Berufsoptimismus. Auch nach der katastrophalen 2:6 (1:3)-Klatsche beim Hamburger SV wurde das Verhalten zelebriert. Auch wenn Mittelfeldlenker Philipp Klement anführte: „Wir haben uns die beiden Niederlagen davor nicht schöngeredet und waren selbstkritisch“, so habe die Niederlage im Spitzenspiel doch zumindest etwas Gutes: „Im Fußball hat man meist nach einer Woche die Chance, etwas wiedergutzumachen, bei uns ist es schon in drei Tagen so weit.“
An eben jenem Dienstag gibt es direkt die Neuauflage (18.30/Sky) an der Elbe – nur nicht in der 2. Bundesliga, in der die Hamburger nun vier Punkte vor den Schwaben liegen –, sondern in der zweiten Runde des DFB-Pokals. Zudem war die Niederlage leicht zu erklären: „Ihr habt alles eiskalt ausgenutzt“, sagte Tim Walter, während er seinem Trainerkollegen Dieter Hecking auf die Schulter klopfte und die Treppen des Volksparkstadions hinaufstieg. Er werde seinem Team nun „aufzeigen, was man schlecht gemacht hat. Aber vor allem, was man gut gemacht hat“, sagte der Trainer. Dabei hat er schon ausreichend Material zusammen, wenn er sich nur auf die Gegentore beschränkt. In Hamburg war es mal wieder Dauerpechvogel Maxime Awoudja (flog bei seinem ersten VfB-Einsatz gegen Hannover 96 nach Einwechslung vom Platz und verursachte ein Eigentor) als Vertreter des gesperrten Innenverteidigers Holger Badstuber, der den Foulelfmeter von Sonny Kittel zum Hamburger 1:0 (14. Minute) verursachte sowie vor Bakery Jattas 2:0 (24.) den Ball verlor. Zudem unterlief dem eingewechselten Gonzalo Castro ein Eigentor (56.). Die weiteren HSV-Tore erzielten Kittel (36.), Martin Harnik (76.) und Adrian Fein (90.+1). Für den VfB trafen Nicolás Gonzalez (33.) und Silas Wamangituka (63.).
Walter gratuliert HSV zum Aufstieg
Die Schwachstellen liegen dabei weiterhin offen: Im Angriff, der die Chancen nicht konsequent nutzt, und in der Defensive, in der Walters Elf zu viele Fehler macht. „Sowohl jeweils jeder Einzelne wie auch im Kollektiv“, wie der 43-Jährige monierte. Dennoch kein Grund zur Panik: „Ich glaube, dass viele Situationen im Spiel sehr, sehr gut waren. Daran müssen wir weiter arbeiten.“
Grundsätzliche Kritik an Walters extraoffensiver Spielidee äußert niemand. Auch Sportdirektor Sven Mislintat wollte nicht schon nach elf Saisonspielen „das Große und Ganze“in Zweifel ziehen. Andererseits wirkt die Mannschaft noch immer nicht eingespielt und macht immer wieder die gleichen Fehler. Konnten diese zu Saisonbeginn noch kompensiert werden, fehlt derzeit mehr als nur das Glück. „Das hat nichts mit Eingespieltheit zu tun, wir haben einfach Geschenke gemacht“, verteidigte sich Walter. Mislintat gratulierte dem HSV nach der Leistung schon mal „zum ersten Aufstiegsplatz“, wollte das aber keinesfalls als Aufgabe im Titelrennen verstanden wissen – weder in der Liga, noch im Pokal. „Für uns geht es weiter. Wir kommen am Dienstag wieder und probieren es auf ein Neues“, sagte Walter: „Wir werden nicht die weiße Fahne hissen.“
Dass die Probleme mentaler Natur sind und weniger der Qualität der Spieler geschuldet, darin sind sich alle einig. Allein bei der Ausprägung gehen die Meinungen auseinander. Walter rügte, dass seine Spieler zu wenig Verantwortung übernehmen, „wenn wir den Ball verlieren. Im Moment denken alle, es geht von alleine.“ Kapitän Marc-Oliver Kempf sieht weniger Überheblichkeit als Auslöser, vielmehr mache sich eine „Verunsicherung“im Team bemerkbar: „Wir müssen unsere Blockade schnellstmöglich lösen und die Leichtigkeit wieder reinkriegen.“Zusammengewachsen sei man in der Mannschaft genug. „Wir müssen nun einfach weniger Fehler machen“, sagte Kempf.
Solche Probleme haben sie beim Hamburger SV derzeit nicht, eventuell aber andere. „Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht, ob ich nun auf die Euphoriebremse treten muss“, sagte Trainer Hecking nach dem Kantersieg: „Ich muss erst mal das hier verarbeiten.“
Auch Tim Walter hatte nach seiner kurzen Fehleranalyse schnell sein Lachen wiedergefunden. „Die Niederlage schmerzt, drückt aber nicht auf meine Laune“, sagte er.
Bei einer Wiederholung am Dienstag dürfte das anders aussehen.