Drei Punkte, aber keine Ruhe
Der FC Bayern gewinnt verdient gegen Union Berlin, hat aber weiter Probleme
MÜNCHEN - Als Manuel Neuer kurz vor Anpfiff auf allen Vieren im Strafraum der Allianz-Arena kniet, weißt er noch nicht, dass er das folgende Bundesligaspiel gegen Union Berlin maßgeblich mitbestimmen wird. Der Bayern-Torwart versucht, mit seinen Händen ein Loch im Rasen zu reparieren, das er bei seinem Aufwärmprogramm verursacht hat. Zwar scheint Neuer den Platz geflickt bekommen zu haben, dennoch muss der Nationaltorwart in den folgenden 90 Minuten seinen Vorderleuten dabei zusehen, wie diese trotz verdientem 2:1-Sieg einen ordentlich holprigen Auftritt gegen den Aufsteiger aus der Hauptstadt hinlegen.
Das lag aber weniger am Rasen, als vielmehr an der Aufstellung, die Bayern-Trainer Nico Kovac für die Partie gewählt hatte. Wie schon unter der Woche in der Champions League gegen Olympiakos Piräus begannen die Bayern mit Philippe Coutinho und Thomas Müller in der Startformation. Anders als in Griechenland, als Müller noch über Rechtsaußen kam, setzte Kovac gegen Union auf eine Doppelzehn mit Müller und Coutinho, also auf zwei Spielmacher und Thiago als einzigen defensiven Mittelfeldspieler – eine Formation, die der kroatische Trainer vor nicht allzu langer Zeit noch ausgeschlossen hatte. „Ich bin ganz ehrlich: Das wäre dann doch ein bisschen zu offensiv“, sagte Kovac noch Ende September.
Doch nach den sieglosen Spielen gegen Hoffenheim (2:3) und Augsburg (2:2) wurden die Stimmen lauter, die mehr Angriffsfußball forderten. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge etwa wünschte sich „spektakulären Fußball“, und auch Sportdirektor Hasan Salihamidzic sagte direkt vor dem Spiel gegen Union: „Wir wollen nicht nur gewinnen, wir wollen den Zuschauern auch etwas bieten.“
Von zu viel Offensive, die Kovac befürchtete, war gegen Berlin aber gewiss nichts zu sehen. Im Gegenteil: In der ersten Halbzeit schossen die Münchner gerade einmal fünf Mal aufs gegnerische Tor – so selten wie noch nie in dieser Saison. Zwar versuchte gerade Thomas Müller, der zuletzt mit einem Wechsel geliebäugelt hatte, seine Nebenleute zu dirigieren, hatte damit aber nur mäßigen Erfolg. Folgerichtig fiel das einzige Tor in Hälfte eins dann auch durch einen Abwehrspieler nach einem Standard: Union-Torwart Rafael Ginkiewicz faustete eine Freistoßflanke direkt in die Mitte, wo Benjamin Pavard den Ball aus 18 Metern Volley nahm und sehenswert zum 1:0 traf (13.).
Kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit hatte Manuel Neuer genug. Als der Berliner Felix Kroos eine gefährliche Hereingabe nur knapp verfehlte, stürmte der ansonsten so besonnene Neuer aus seinem Tor und stutzte seine Vorderleute mit einem seltenen Tobsuchtsanfall ordentlich zurecht – ein Auftritt, der auf den Rängen für Szenenapplaus sorgte und scheinbar auch seine Mitspieler beeindruckte. Zumindest präsentierten sich die Münchner anschließend etwas gefährlicher in der Offensive – auch wenn sie schönen Kombinationsfußball weiter vermissen ließen.
Lewandowski stellt neuen Bundesligarekord auf
Aber die Bayern haben nunmal Robert Lewandowski. Der Pole ist seit Samstag Halter eines neuen Bundesligarekords. Mit seinem Tor zum 2:0 in der 52. Minute traf Lewandowski im neunten Saisonspiel in Folge, er steht nun bei 13 Toren. Dass der Treffer „nicht schön herausgespielt war“, wie Berlins Trainer Urs Fischer meinte, dürfte den Torjäger reichlich wenig stören. „Natürlich freue ich mich und bin stolz, aber es zählt, dass wir gewonnen haben“, sagte der Angreifer. „Er ist in der Form seines Lebens“, hatte Kovac seinen Angreifer schon vor der Partie gelobt: „Wir sind froh, dass wir ihn haben, er ist derjenige, der uns im Moment oben hält.“
Tatsächlich war es Lewandowskis Treffer, der die Bayern zumindest über Nacht zurück an die Spitze brachte. Zwar agierte die Münchner Offensive nach der Pause deutlich besser und erspielte sich gerade nach der Einwechslung von Serge Gnabry (62.) und der Umstellung des Systems mit dem alleinigen Spielmacher Müller und Coutinho auf Linksaußen (75.) mehrere gute Möglichkeiten – ließ diese aber allesamt liegen.
So mussten die Bayern wieder einmal zittern, nachdem Sebastian Polter acht Minuten vor Ende mit dem zweiten Union-Elfmeter auf 1:2 verkürzt hatte. Den ersten Strafstoß von Sebastian Andersson hatte Manuel Neuer pariert (55.) und somit den Grundstein für den Arbeitssieg der Bayern gelegt. „Ich bin zufrieden, aber nicht ganz zufrieden“, sagte Kovac anschließend, gestand aber ein: „Bei so engen Spielen ist es nicht leicht, entspannt rauszugehen.“Durch den Sieg hat sich der angeschlagene Trainer vorerst etwas Ruhe verschafft. Von Entspannung kann aber sicherlich noch keine Rede sein.