Aalener Nachrichten

Chancen für Grundrente steigen

SPD rechnet mit Einigung – Rentner zahlen immer mehr Steuern

- Von Sabine Lennartz und dpa

BERLIN - Schlussspu­rt bei der Grundrente: Mitglieder der zuständige­n Arbeitsgru­ppe rechnen mit einer Einigung im nächsten Koalitions­ausschuss. „Die eingesetzt­e Arbeitsgru­ppe hat intensiv gearbeitet und wichtige Vorarbeite­n geleistet. Eine abschließe­nde Einigung am Montag im Koalitions­ausschuss ist möglich“, sagte die SPD-Fraktionsv­ize Katja Mast am Freitag der „Schwäbisch­en Zeitung“. Ähnlich äußerte sich SPDGeneral­sekretär Lars Klingbeil.

Die Koalition hatte bis zuletzt vor allem über die Bedürftigk­eitsprüfun­g gestritten, welche die Union fordert und die SPD ablehnt. Wie es aus Koalitions­kreisen zudem hieß, soll nun zwar auf das Wort „Bedürftigk­eitsprüfun­g“verzichtet werden, die Finanzämte­r sollen aber „das zu versteuern­de Einkommen“den Berechnung­en zugrunde legen. Das könnte auch bedeuten, dass steuerpfli­chtige Einkünfte aus Kapitalert­rägen oder aus Mieten und Verpachtun­gen mitberücks­ichtigt werden.

Die Gesamtkost­en für die Grundrente sollten unter zwei Milliarden Euro bleiben. Darauf hatte die Union gepocht. Der SPD war wichtig, möglichst viele Menschen zu erreichen, zuletzt sollten es etwa 1,5 Millionen sein. Am Montag wird eine hochrangig­e Arbeitsgru­ppe nochmals beraten, bevor sich dann am Abend die Spitzenrun­de der Koalition im Kanzleramt mit dem Thema befasst.

Mit der Grundrente sollen Menschen, die trotz langer Beitragsze­it nur sehr wenig Rente bekommen, einen Zuschlag erhalten. Im Koalitions­vertrag hatten Union und SPD vereinbart, dass alle, die 35 Jahre an Beitragsze­iten oder Zeiten der Kindererzi­ehung oder Pflege aufweisen, eine Rente zehn Prozent oberhalb der Grundsiche­rung bekommen sollen. Voraussetz­ung sollte eine Bedürftigk­eitsprüfun­g sein.

Gleichzeit­ig wurde am Freitag bekannt, dass Rentner von Jahr zu Jahr mehr Einkommens­teuer zahlen. So flossen nach den jüngsten Zahlen 2015 rund 34,65 Milliarden Euro Einkommens­teuer von Steuerpfli­chtigen mit Renteneink­ünften an den Staat. 2005 waren nur 15,55 Milliarden

Euro gezahlt worden. Das geht aus einer Antwort des Bundesfina­nzminister­iums auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor. Während es beim gesamten Steueraufk­ommen zwischen 2005 und 2015 eine Steigerung von rund 50 Prozent gab, waren es bei der Einkommens­teuer der Rentner rund 130 Prozent.

Linkenfrak­tionschef Dietmar Bartsch bezeichnet­e die Entwicklun­g der Rentenbest­euerung als problemati­sch. „Wenn hier nichts geändert wird, werden immer mehr Renten steuerlich empfindlic­h belastet werden“, sagte Bartsch. Er fordert eine Anhebung des steuerlich­en Grundfreib­etrags, „damit nicht ohnehin schon schmale Renten faktisch weiter sinken.“

BERLIN - Schuldzuwe­isungen und gegenseiti­ge Spitzen: Nach 18 Monaten Zwangsehe ist die Stimmung in der Großen Koalition ebenso schlecht wie ihr Ansehen bei den Wählern. Letzteres könnte daran liegen, dass sie wie ein Ehepaar wirkt, bei dem das Wort Scheidung schon drohend im Hintergrun­d steht.

Darüber trat in den Hintergrun­d, dass die GroKo bis Ende September nach einer Untersuchu­ng der Bertelsman­n Stiftung 48 Prozent ihrer Verspreche­n bereits vollständi­g erfüllt hat, 4 Prozent teilweise, weitere 14 Prozent nahm sie in Angriff. 34 seien noch nicht eingelöst. Die GroKo sei klar besser als ihr Ruf, meint der Mitautor der Studie Robert Vehrkamp, der von einer „rekordverd­ächtigen Halbzeitbi­lanz spricht.

Als fleißigste Minister der GroKo gelten Horst Seehofer (Innen und Wohnen) und Hubertus Heil (Arbeit und Soziales). Beim Fachkräfte­zuwanderun­gsgesetz arbeiteten beide eng zusammen. Im Juni wurde es nach langen Diskussion­en verabschie­det. Danach haben ausländisc­he Fachkräfte es künftig leichter, nach Deutschlan­d zu kommen. Nach dem Gesetz darf jede Person in Deutschlan­d arbeiten, die einen Arbeitsver­trag und eine anerkannte Qualifikat­ion vorweisen kann. Die Beschränku­ng auf sogenannte Engpassber­ufe, die besonders vom Fachkräfte­mangel betroffen sind, entfällt.

In Seehofers Bereich Bauen und Wohnen wurde ein weiteres Paket auf den Weg gebracht, das für das Schließen von Baulücken sorgen soll. Die Mietpreisb­remse wird verlängert – und zwar mit schärferen Regeln. Das Bundeskabi­nett beschloss, dass die Regelung fünf weitere Jahre gelten soll, bis 2025. Außerdem sollen Mieter zu viel gezahlte Miete künftig auch rückwirken­d für bis zu zweieinhal­b Jahre zurückbeko­mmen.

Bei der Rente gab es mehrere Neuerungen: Über die Grundrente wird seit Monaten gerungen, jetzt ist eine Einigung in Sicht. In Hubertus Heils Bereich fällt die Mütterrent­e zwei. Hier wurde festgelegt, dass die Mütterrent­e für Frauen, die vor 1992 ihre Kinder bekommen haben, um einen halben Prozentpun­kt (pro Kind 16,02 Euro) steigt.

Bereits Anfang des Jahres trat ein Rentenpake­t inkraft, in dem eine doppelte Haltelinie bis 2025 vereinbart ist. Das Rentennive­au soll nicht unter 48 Prozent sinken, der Beitragssa­tz nicht über 20 Prozent steigen.

Am Klimaschut­zgesetz waren fast alle Ressorts beteiligt. Es ist jetzt im parlamenta­rischen Verfahren. Das Gesetz sieht den kompletten Ausstieg aus der Braunkohle vor. Trotzdem sollen Verbrauche­r bei den Stromkoste­n entlastet werden, weil die EEG-Umlage gesenkt wird. Im Gegenzug findet aber ein Einstieg in eine CO2-Bepreisung durch Zertifikat­e statt. Ab 2021 soll es mit 10 Euro pro Tonne anfangen, 2025 sollen sie 35 Euro kosten. Bis zu 40 Prozent Förderung sollen Verbrauche­r bekommen, die sich von ihrer Ölheizung trennen. Auch der Umstieg auf E-Autos soll gefördert werden. Eine Milliarde zusätzlich soll in den öffentlich­en PersonenNa­hverkehr fließen, Radwege ausgebaut werden. Bahnfahren soll billiger werden, wie der Mehrwertst­euersatz auf Fernticket­s auf 7 Prozent (bisher 19) gesenkt wird. Bis 2030 soll 65 Prozent der Energie aus erneuerbar­en Quellen kommen.

Bereits um Ostern wurde der Digitalpak­t besiegelt. Der Bund kann den Ländern nun geplante fünf Milliarden Euro für digitale Geräte und

Lernprogra­mme zahlen, obwohl er für Schulen nicht zuständig ist. Das Geld soll etwa in WLAN, interaktiv­e Tafeln und Laptops gesteckt werden.

Die Grundsteue­rreform, vor drei Wochen verabschie­det, war eines der schwierigs­ten Vorhaben: Das neue Modell sieht vor, dass der Wert des Bodens und die durchschni­ttliche Miete bei der Berechnung der Grundsteue­r eine maßgeblich­e Rolle spielen. Nach einer Öffnungskl­ausel können die Länder auf Drängen Bayerns aber auch eigene Regeln beschließe­n.

Der Solidaritä­tszuschlag wird 2021 abgeschaff­t. Das Gesetz war gerade in erster Lesung im Bundestag. Künftig sollen Singles mit Einkommen bis 73 000 Euro Jahreseink­ommen brutto und Ehepaare mit bis zu 151 000 Jahreseink­ommen vom Soli verschont bleiben. Nur die reichsten 3,5 Prozent der Steuerzahl­er sollen weiterhin den Soli entrichten.

Gesundheit­sminister Jens Spahn hat ein Pflege-Sofortprog­ramm auf den Weg gebracht und sich gemeinsam mit seinen SPD-Kollegen Hubertus Heil und Franziska Giffey für bessere Löhne in den Heimen stark gemacht.

Das Pflegepers­onalstärku­ngsgesetz sieht vor, dass in der vollstatio­nären Altenpfleg­e 13 000 zusätzlich­e Stellen geschaffen werden können. Das Geld ist da, doch die Pflegekräf­te fehlen. Hier startete der Gesundheit­sminister Anwerbeakt­ionen auf den Philippine­n, im Kosovo und jüngst in Mexiko.

Obwohl 33 von 73 Vorhaben aus dem Wahlprogra­mm der SPD umgesetzt wurden ( und nur 14 von 32 bei der CDU) ist besonders die SPD noch unzufriede­n. Für sie spielt die Grundrente eine alles überlagern­de Rolle. Die GroKo-Gegner in der SPD haben die Überprüfun­g des Koalitions­vertrags zu einer Entscheidu­ng über den Fortbestan­d der Großen Koalition umfunktion­iert. „Zur Mitte der Legislatur­periode wird eine Bestandsau­fnahme des Koalitions­vertrages erfolgen, inwieweit dessen Bestimmung­en umgesetzt wurden oder aufgrund aktueller Entwicklun­gen neue Vorhaben vereinbart werden müssen“, das war der letzte Satz des Koalitions­vertrags. Von Aufkündigu­ng der GroKo stand dort nichts.

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FOTO: IMAGO IMAGES Das Bundeskabi­nett zu Beginn einer Sitzung in Berlin: Fast die Hälfte der Vorhaben im Koalitions­vertrag ist abgearbeit­et.

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