Lagarde startet bei der EZB
Amtsantritt in Frankfurt wird von Protesten begleitet
FRANKFURT (dpa) - Mit dem Amtsantritt von Christine Lagarde als Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) hat eine neue Ära bei der Notenbank begonnen. Die Juristin und frühere Chefin des Internationalen Währungsfonds löste Mario Draghi an der EZB-Spitze ab, dessen Amtszeit am 31. Oktober endete.
Gegen die Politik der Notenbank demonstrierten am Freitag Globalisierungskritiker von Attac sowie die Klimabewegungen „Fridays for Future“und „Extinction Rebellion“. Sie forderten, unter anderem bei künftigen Anleihenkäufen der EZB soziale Kriterien sowie Umwelt- und Klimaschutz zu berücksichtigen. „Raus aus der Kohle – raus aus Atom“, skandierten Aktivisten von Attac.
Lagarde, ehemals französische Finanzministerin, hatte bereits Sympathie für eine Fortsetzung der ultralockeren Geldpolitik der EZB erkennen lassen. Allerdings will sie mögliche negative Folgen und Nebeneffekte des EZB-Kurses genauer in den Blick nehmen.
STUTTGART - Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sieht keine Möglichkeiten, bessere Perspektiven für abgelehnte Asylbewerber zu schaffen, die einen festen Job haben. Das schreibt er in einem Brief an seine Parteifreundin Annette Widmann-Mauz, Staatsministerin und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Diese hatte ihn gebeten, Ermessensspielräume zu nutzen und gut integrierte Flüchtlinge nicht abzuschieben. Der Brief liegt der „Schwäbischen Zeitung“vor. Damit erteilt Strobl auch einem Konzept eine Absage, das die Unternehmerinitiative „Bleiberecht durch Arbeit“mit Juristen erarbeitet hat. Die Arbeitgeber wünschen sich mehr Kulanz für Menschen, die sie eingestellt haben und denen die Abschiebung droht.
Einer von ihnen ist Martin Winter, Chef des Industriedienstleisters IDS aus Unteressendorf im Landkreis Biberach. Seine Reaktion auf den Brief des CDU-Innenministers: Unverständnis, Ärger, aber keine große Überraschung. „Herr Strobl wiederholt einmal mehr, was wir aus seinem Haus ständig zu hören bekommen. Aber hier geht es nicht um juristische Fragen, sondern um den politischen Willen. Es gibt Spielräume, und die könnte man nutzen, man will aber ganz offensichtlich nicht.“Winter ärgert sich wie seine Mitstreiter aus der Initiative vor allem darüber, dass die Politik Unternehmer 2015 in die Pflicht nahm und sie aufforderte, Flüchtlinge einzustellen. Winter hat das getan und muss nun zusehen, wie die von ihm qualifizierten Arbeitskräfte abgeschoben werden. Dass CDU-Landeschef Strobl nun hart bleibt, kommentiert Winter so: „Im Innenministerium herrscht eine erzkonservative Haltung, die den Interessen der Unternehmer widerspricht. Und das, obwohl diese zu den Kernwählern der CDU gehören.“
Strobl zeigt sich in dem Brief an die „Sehr geehrte Frau Staatsministerin, liebe Annette“verwundert, dass Widmann-Mauz’ Forderungen an die Öffentlichkeit gelangten, bevor er davon erfuhr. Widmann-Mauz ist eine von drei Stellvertreterinnen Strobls in dessen Amt als Landesvorsitzender der CDU in Baden-Württemberg.
Strobl schreibt, ihm seien die Bedürfnisse der Unternehmen sehr wichtig und er könne ihren Wunsch nach einer bessere Bleibeperspektive für geduldete Flüchtlinge verstehen. „Ebenfalls klar sagen möchte ich jedoch, dass dabei selbstverständlich Recht und Gesetz gelten. Dabei handelt es sich übrigens vornehmlich um Bundesrecht.“Dieses gebe die von Widmann-Mauz und den Unternehmern geforderte Kulanz gegenüber Geduldeten nicht her. Sonst würde man „auf Aufforderung der Staatsministerin im Bundeskanzleramt Bundesrecht konterkarieren“.
In dem Konflikt geht es um die Frage, ob nicht anerkannte Asylbewerber in Deutschland bleiben dürfen, wenn sie eine sozialversicherungspflichtige Arbeit haben. Der Bund erlaubt ihnen künftig, unter bestimmten Voraussetzungen zu bleiben. Demnach darf bleiben, wer 18 Monate einen festen Job hat, straffrei lebt und für seinen Lebensunterhalt sorgen kann. Außerdem erfasst sie nur Flüchtlinge, die vor dem 1. August 2018 nach Deutschland gekommen sind. Das Problem: Bis jemand diese Erlaubnis bekommt, muss er außerdem ein Jahr geduldet in Deutschland leben. Diese Frist beginnt, wenn ein Asylantrag endgültig abgelehnt wurde. Viele Betroffene haben zwar Arbeit und erfüllen die übrigen genannten Kriterien. Doch bevor das Jahr der Duldung abgelaufen ist, werden sie abgeschoben.
Aus Sicht der Unternehmer und von Widmann-Mauz macht das wenig Sinn. Sie glauben: Baden-Württemberg könne die Vorgaben aus Berlin großzügiger auslegen. Der
Asylrechtler Professor Wolfgang Armbruster hat die Bleiberechts-Initiative in der Sache beraten. Strobls Argumente hält der ehemalige Verwaltungsrichter für vorgeschoben: „Man könnte es anders machen, wenn man wollte. Aber man will nicht.“Strobl berufe sich auf die entsprechenden Paragrafen, lasse aber die Begründung des Gesetzgebers außer Acht. Dort stehe explizit, die Regel solle eine Bleibeperspektive für Menschen schaffen, die für sich sorgen könnten und gut integriert seien. Natürlich sei es juristisch möglich, sich darauf zu stützen und die Vorgaben großzügig auszulegen. Stattdessen würden gut integrierte Menschen in Arbeit abgeschoben.
Strobl schreibt dagegen, BadenWürttemberg setze falsche Anreize, wenn man die vom Bund getroffenen Regeln so auslege. Sprich: Flüchtlinge ohne Chancen auf Asyl würden gezielt nach Deutschland kommen, weil sie dort dennoch Bleibeperspektiven bekämen. Die Voraussetzungen für eine Beschäftigungsduldung „sind aus meiner Sicht notwendig, um nicht einen schrankenlosen Spurwechsel von der Asyl- in die Erwerbsmigration zu öffnen“.
Das will auch Asylrechtler Armbruster nicht. Doch die Regeln des Bundes gelten nur für Menschen, die vor August 2018 eingereist sind. Deswegen sei Strobls Angst unbegründet, wer neu einreise, unterliege anderen Gesetzen. Außerdem verweist der Innenminister auf folgenden Umstand: Im Südwesten lebten 67 000 Geflüchtete im erwerbsfähigen Alter mit anerkanntem Schutzstatus. Das seien deutlich mehr als die rund 18 000 Geduldeten – den Unternehmen stehe also ein weiterer Personenkreis zur Verfügung, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.