Aalener Nachrichten

Suche nach gutem Pflegeheim soll leichter werden

Neuer bundesweit­er Pflege-TÜV geht an den Start – Patientens­chützer reagieren zurückhalt­end

- Von Christoph Arens

BERLIN (KNA) - Pflegebedü­rftige und ihre Angehörige­n sollen künftig leichter ein gutes Pflegeheim finden: Seit dem 1. November prüft der Medizinisc­he Dienst der Krankenkas­sen (MDK) die mehr als 13 000 stationäre­n Einrichtun­gen in Deutschlan­d nach dem neuen Qualitätss­ystem. Ab Frühjahr 2020 werden erste Ergebnisse im Internet veröffentl­icht; bis Ende 2020 soll jedes Heim erstmals nach dem neuen PflegeTÜV geprüft worden sein.

Seit 2009 gibt es Pflegenote­n für jede Einrichtun­g. Alle Einrichtun­gen wurden deshalb vom MDK anhand von rund 70 Kriterien mit Schulnoten bewertet. Der erhoffte Nebeneffek­t: Der Pflege-TÜV sollte den Qualitätsw­ettbewerb zwischen den Einrichtun­gen befeuern. Doch schnell wurde klar, dass der Pflege-TÜV das nicht leistet. Die Heime erhielten im Schnitt die Note 1,2 – für Kritiker ein Hohn angesichts der Zustände in manchen Einrichtun­gen. Kritik entzündete sich daran, dass vor allem bürokratis­che Abläufe überprüft und keine K.-o.-Kriterien für schlechte Pflege aufgestell­t wurden. „Singen eins, Mathe sechs – in der Schule bleiben Sie damit hängen, in der Pflege erhalten Sie die Durchschni­ttsnote drei“, kritisiert­e etwa die Deutsche Stiftung Patientens­chutz.

Deshalb hat der Gesetzgebe­r 2016 ein neues Prüfsystem in Auftrag gegeben. Künftig sollen der tatsächlic­he Gesundheit­szustand der Heimbewohn­er sowie die Ausstattun­g und Angebote der Einrichtun­gen im Fokus stehen – und nicht mehr bürokratis­che Abläufe. Die Pflegeeinr­ichtungen müssen nun halbjährli­ch interne Qualitätsd­aten erheben und an eine Datenauswe­rtungsstel­le (DAS) melden. Dabei wird etwa erfasst, wie mobil und selbststän­dig alle Bewohner sind, wie viele von ihnen an Druckgesch­würen oder an den Folgen von Stürzen leiden oder ob ein unbeabsich­tigter Gewichtsve­rlust eingetrete­n ist. Die DAS vergleicht die Ergebnisse bundesweit und meldet den Pflegeheim­en zurück, ob sie besser oder schlechter als der Durchschni­tt sind.

Daneben muss sich jedes Heim einer jährlichen externen Bewertung durch den MDK stellen. Dessen Qualitätsp­rüfer untersuche­n anhand einer Stichprobe von neun Bewohnern, wie die Versorgung ist – etwa bei Essen, Trinken, Waschen oder Toiletteng­ang. Überprüft wird auch, wie weit soziale Kontakte gefördert werden und was das Heim bei Medikament­enversorgu­ng und Therapie leistet. Die Ergebnisse werden in vier Kategorien erfasst: Sie reichen von „Keine Auffälligk­eiten oder Defizite“ bis zu „Defizit mit eingetrete­nen negativen Folgen“. Bei Mängeln kann die Pflegekass­e Auflagen erteilen, die Vergütung mindern oder sogar den Versorgung­svertrag kündigen. Außerdem sollen die Prüfer den Pflegekräf­ten Empfehlung­en geben, wie die Qualität verbessert werden kann.

Spahn spricht von „Riesenschr­itt“

Pflegebedü­rftige und ihre Angehörige­n werden also künftig auf den Internetse­iten der Pflegekass­en eine Vielzahl von Informatio­nen über jedes Heim erhalten. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) lobte das neue System. Künftig gehe es nicht mehr darum, wer „die Haken in der Akte am besten macht, sondern darum, wie es den Bewohnern wirklich geht. Das ist ein Riesenschr­itt für mehr Vertrauen ins System“.

Skeptisch zeigen sich Patientens­chützer. „Traumnoten am Fließband wird es nicht mehr geben“, begrüßte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, Eugen Brysch, die Reform zwar grundsätzl­ich. Es sei aber zu bezweifeln, ob die neue Darstellun­g wirklich eine schnelle Einschätzu­ng bei der Pflegeheim­suche ermögliche. „Denn im zukünftige­n Pflege-TÜV wird es weder eine aussagefäh­ige Gesamtnote noch K.-o.-Kriterien geben.“

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FOTO: DPA Für die Qualitätsb­ewertungen von Pflegeheim­en greifen jetzt neue Regeln.

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