Stuttgarts Last-Minute-Mann
Hamadi Al Ghaddioui entwickelt sich immer mehr zum Topstürmer des VfB
STUTTGART - Als wäre es so einfach, stand er da. Als wäre es so simpel, im richtigen Moment an der exakt vorgesehenen Stelle zu stehen und den Ball im Tor zu versenken. Hamadi Al Ghaddioui war beim Pokalerfolg gegen den Hamburger SV Stuttgarts Matchwinner. In der 113. Minute schoss der 29-Jährige seinen angeschlagenen VfB in der Verlängerung gegen den Hamburger SV ins Achtelfinale – mal wieder, könnte man schon beinahe sagen. Denn der Stürmer steht da, wo ein Stürmer eben zu stehen hat – beziehungsweise wo Stürmer über Jahrzehnte zu stehen hatten – im Strafraum, auf den Ball lauernd und eiskalt zuschlagend. Beim VfB wussten sie es offenbar schon vorher (Tim Walter: „Ich hab zu ihm gesagt: Geh rein und mach ihn“). Auch die Fans hätten es nach seinem ebenfalls entscheidenden ersten Pokaltreffer in Rostock ahnen können, und auch der Stürmer selbst war kaum überrascht: „Ich hatte solche Situationen ja schon ein paarmal. Reinkommen und treffen“, lachte Al Ghaddioui und ruderte gleich zurück: „Natürlich Spaß, es ist ein unbeschreibliches Gefühl.“
Im Spaß steckt mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit. Zehn Spiele, sechs Tore stehen für den Marokkaner beim VfB zu Buche. Eine Quote, die sich sehen lassen kann. 116 Minuten braucht er statistisch pro Tor in der Liga, im Pokal sind es nur überragende 44. Dabei klingt es so einfach, wenn der 1,93-Meter-Kerl, der vor der Saison von Jahn Regensburg (vergangene Saison 33 Spiele/11 Tore) kam, die entscheidenden Momente beschreibt: „Ich stehe mit dem Rücken zum Tor, kriege den Ball, drehe mich und hau ihn rein – kurz und trocken“, sagte Al Ghaddioui wieder breit lächelnd.
Es es ist genau jene Abgezocktheit, die ein VfB-Idol derzeit nicht zeigen kann. Denn wenn der 90-Kilo-Brecher spielt, bedeutet das meist, dass Mario Gomez zum Zuschauen verdammt ist. Zu ähnlich sind sich die Strafraumstürmer. Sie sind klassische Neuner, Knipser der alten Schule eben, und im System von Walter die Abnehmer der schnellen Außen – manchmal, sehr oft aber auch einfach verzichtbar, da sie durch einen teaminternen Sturmlauf kompensiert werden. So bleibt Gomez nur die Rolle des Mentors für junge Spieler. Der 34-Jährige nahm sich selbst öffentlich zurück und akzeptierte sein Los. Der Großverdiener und Ex-Nationalspieler bekommt also eher spärlich Momente, und durch die gute Form von Al Ghaddioui werden sie noch weniger.
Dass Al Ghaddioui schon länger – und nach seinem erneut entscheidenden Tor erst recht – auf den Geschmack gekommen ist, ist auch klar. „Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, etwas ganz Besonderes, wenn man in der Verlängerung gewinnt und du dabei das entscheidende Tor machst – das gibt einen Schub, vor allem mit dem Ligaspiel vom Samstag im Hinterkopf.“
Nach dem HSV-Spiel laborierte Al Ghaddioui an Kniebeschwerden, noch ist sein Einsatz gegen Dynamo Dresden am Sonnntag (13 Uhr/Sky) nicht sicher. Nach drei Liga-Pleiten in Serie würde er aber gerne für eine Wende sorgen. „Jetzt versuchen wir, den Schwung mit in die Liga zu nehmen“, sagt der 29-Jährige in Hamburg voller Selbstvertrauen. Das können sie beim VfB derzeit dringend brauchen – und ihren Last-Minute-Mann sowieso.