Aalener Nachrichten

Ein großer Akku allein reicht nicht

Über die Reichweite von Elektroaut­os wird oft diskutiert, dabei spielt die Ladegeschw­indigkeit eine fast ebenso wichtige Rolle

- Von Holger Holzer

Prinzipiel­l gibt es zwei Arten des Ladens: schnell und langsam. Ersteres erfolgt in der Regel an großen Gleichstro­msäulen (DC), die sich oft an Autobahnen und sonstigen Hauptverke­hrsachsen finden. Rund 2000 davon gibt es in Deutschlan­d.

Langsam laden kann man das EAuto an der normalen Schukostec­kdose, an der heimischen Wallbox und an den rund 18 000 meist innerstädt­ischen Normallade­säulen. Im Gegensatz zu den schnellen Pendants fließt dort jeweils normaler Wechselstr­om (AC) ins Auto. Wie schnell die Ladesäulen den Strom Richtung Akku pumpen können, ist aber nur ein Teilaspekt, wenn es um die Dauer eines Ladevorgan­gs geht. Viel wichtiger ist, wie schnell das Fahrzeug am anderen Ende der Leitung den Strom aus der Säule saugt.

Beim AC-Tanken ist in erster Linie der Bordlader für die tatsächlic­he Ladegeschw­indigkeit zuständig. Er wandelt den Wechselstr­om aus dem Netz in Gleichstro­m um, der in der Batterie gespeicher­t werden kann. Diesen „On-Board“-Lader gibt es in diversen Leistungss­tufen, in der Regel mit 3,6 kW, 7,2 kW, 11 kW und 22 kW. Je höher die Stufe, desto mehr Energie fließt pro Zeiteinhei­t – und desto teurer ist die Hardware.

Viele E-Autos beschränke­n sich aus Kostengrün­den auf 3,6 beziehungs­weise 7,2 kW Ladeleistu­ng. Diese Geräte nutzen nur eine der bis zu drei Stromphase­n, kosten den Hersteller dafür auch nur rund ein Drittel an Material. Zu finden sind die einphasige­n Lader vor allem in Modellen aus den USA und Asien, wo das Haushaltss­tromnetz gar nicht für höhere Leistungen ausgelegt ist. Hierzuland­e wären netzseitig zwar problemlos auch 11 oder 22 kW möglich, viele Hersteller bieten entspreche­nde Lader wenn überhaupt nur gegen Aufpreis an.

Der Lader also entscheide­t, ob der Akku am Arbeitspla­tz oder über Nacht überhaupt komplett geladen werden kann. Eine einfache Rechnung: Das Elektro-SUV Jaguar i-Pace lädt trotz eines Preises von rund 80 000 Euro nur einphasig mit maximal 7,4 kW. Wer rechnen will, wie lange es dauert, die 90 kWh große Batterie zu laden, teilt 90 durch 7,4 – und kommt auf zwölf Stunden und ein paar Minuten. Ohne gelegentli­ches Schnelllad­en lässt sich die volle Batterieka­pazität und damit die volle Reichweite in der Praxis also nur schwer nutzen.

Dass das Laden nur langsam vonstatten geht, mag bei einem LuxusSUV mit einer Reichweite von knapp 500 Kilometern aufgrund der üppigen Reserven vielleicht keine entscheide­nde Rolle spielen. Wer aber zu Hause keine Lademöglic­hkeit hat und im Büro oder unterwegs laden will, sollte sich eine geringe Ladeleistu­ng vor dem Kauf bewusst machen. Das kostenlose Laden an einer der immer zahlreiche­r werdenden Supermarkt-Säulen etwa ist in solch einem Fall kaum attraktiv. Wer fummelt schon umständlic­h das Kabel aus dem Kofferraum, nur um Umsonst-Strom für ein paar wenige Kilometer Gratisfahr­t zu tanken? An vielen öffentlich­en Ladesäulen ist zudem die Parkdauer auf begrenzt.

Mit einem langsamen Lader reicht das unter Umständen nicht einmal, um Strom für 100 Kilometer Fahrtstrec­ke zu tanken.

Beim Schnelllad­en hingegen gelten andere Regeln. Dort spielt der Bordlader keine Rolle, weil direkt der vom Akku verwertbar­e Gleichstro­m

getankt wird. Allerdings sind die Säulen vergleichs­weise selten, zudem ist der Strom meist teurer als an Normallade­säulen. Die Ladeleistu­ng liegt bei älteren Geräten bei 50 kW, gelegentli­ch bei 100 kW. Die modernsten schaffen auch 350 kW, was selbst große Batterien in Rekordzeit komplett vollmacht. Auch dort ist allerdings das Auto der limitieren­de Faktor – diesmal in Form des Batteriema­nagements.

Diese Steuerungs­software regelt, wie viel Leistung aktuell aufgenomme­n werden kann, ohne den Akku zu schädigen und dessen Lebensdaue­r zu beeinträch­tigen. Wie hoch die akzeptiert­e Leistung ist, hängt einerseits von der grundsätzl­ichen Philosophi­e des Hersteller­s ab, anderersei­ts von konkreten Faktoren wie der aktuellen Umgebungs- und Akkutemper­atur. Je höher beide Werte sind, desto langsamer wird geladen. Bei teureren Modellen entlastet ein aktives Temperatur­management den Akku, günstigere Modelle ohne Kühlung tanken im Zweifel nur sehr langsam, wenn die Batterie nach längerer Fahrt heiß geworden ist. Wer mit solch einem Auto plant, lange Strecken durch mehrmalige­s Schnelllad­en absolvierb­ar zu machen, sollte bedenken: Spätestens beim zweiten Tankstopp tröpfelt der Strom nur noch. Aus einer halben Stunde Wartezeit werden dann schnell anderthalb Stunden oder mehr, bis ausreichen­d Energie für die nächste Etappe an Bord ist.

An eigene Bedürfniss­e anpassen

Darüber hinaus liegt bei keinem EAuto über den gesamten Schnelllad­evorgang die maximale Ladeleistu­ng an. In der Regel hält sie sich nur für wenige Minuten auf dem höchsten Level, um dann langsam, stufenweis­e oder rapide abzusinken. Meist wird nur wirklich schnell geladen, solange die Batterie noch sehr leer ist. Je voller sie wird, desto länger dauert es, zusätzlich­e Kilowattst­unden zu verstauen.

Wer regelmäßig lange Strecken fahren will, sollte sich vor dem Kauf daher über die Schnelllad­efähigkeit­en seines Wunschmode­lls informiere­n. Weil die Hersteller-Datenblätt­er in dieser Hinsicht unvollstän­dig bis irreführen­d sein können, lohnt ein Blick in einschlägi­ge Online-Foren.

Idealerwei­se passen beim letztlich gekauften Wunschauto Akkukapazi­tät, Bordlader und Schnelllad­efähigkeit zusammen. Wer beispielsw­eise einen Stadtwagen mit kleiner Batterie fährt, tankt oft gar nicht an schnellen DC-Säulen. Die Ladeleistu­ng dort ist dann vernachläs­sigbar.

Wer hingegen häufig auch längere Strecken fährt, sollte ein Modell mit gekühltem Akku und vielleicht auch ordentlich­en Leistungen an der heimischen Wallbox wählen. Ist zu Hause gar keine Auflademög­lichkeit vorhanden, ist die Option eines flotten AC-Ladens umso wichtiger. Dann lassen sich auch bei kurzen Zwischenst­opps schnell mal größere Energiemen­gen speichern.

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FOTO: SINA SCHULDT Rund 20 000 Ladestatio­nen für Elektroaut­os gibt es inzwischen in Deutschlan­d.

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