Grundrente sorgt für Schwierigkeiten
Zweifel an pünktlicher Einführung und überschaubare Auswirkungen im Geldbeutel
WÜRZBURG (epd) - Die Umsetzung der zuletzt verabschiedeten Grundrente könnte die Deutsche Rentenversicherung vor Schwierigkeiten stellen. Präsidentin Gundula Roßbach schloss am Mittwoch nicht aus, dass man Übergangslösungen benötigen könnte oder zunächst auch Pauschalzahlungen in Betracht ziehen müsse, damit die Grundrente Anfang 2021 wie geplant eingeführt werden könne. Notwendige automatisierte Verfahren zu entwickeln, sei „problematisch“.
WÜRZBURG - Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) befürchtet erhebliche Probleme bei der Einführung der von der Koalition beschlossenen Grundrente zum 1. Januar 2021. „Der Aufbau vergleichbarer Verfahren hat in der Vergangenheit in der Regel mehrere Jahre gedauert“, warnt DRV-Präsidentin Gundula Roßbach. Die Rentenversicherung soll das Verfahren unbürokratisch durchführen und auch die Einkommensprüfung dafür vornehmen.
Die Liste der Unwägbarkeiten ist laut Roßbach lang und beginnt mit den noch fehlenden gesetzlichen Grundlagen. Mit einem Gesetz ist frühestens im März zu rechnen, da auch der Bundesrat hier zustimmen muss. Erst danach können praktikable Verfahren der Einkommensprüfung entwickelt werden. Geprüft werden müssen nicht nur die Einkünfte und Rentenansprüche der jährlich 1,6 Millionen Neurentner, sondern auch die der 21 Millionen aktuellen Ruheständler. „Schon die Zahl der Fälle macht es unabdingbar, dass die Prüfung und Berechnung der Grundrente weitgehend automatisiert erfolgen muss“, stellt Roßbach fest. Die Bundesregierung will das Problem durch einen elektronischen Datenabgleich zwischen den Finanzämtern und der DRV lösen. Wenn das nicht klappen sollte, wird die Grundrente zum teuren Verwaltungsakt. Die Finanzverwaltung selbst rechne mit einem Vorlauf von zwei Jahren. Dann gehe sie „von mehreren Tausend zusätzlichen Stellen bei der Rentenversicherung aus“, sagt Roßbach.
Unklar ist zudem, wie die DRV an alle wichtigen Informationen über die Einkommensverhältnisse kommen kann, etwa bei Paaren. Die Grundrente können zum Beispiel auch in anderen EU-Ländern lebende Rentner beanspruchen. An die Informationen ausländischer Finanzämter kommen hiesige Behörden kaum heran. Ein automatisiertes Verfahren sei in diesen Fällen „praktisch ausgeschlossen“. Auch bei Rentnern der ehemaligen DDR wird es schwierig, an alle relevanten Informationen zu Beitragszeiten zu kommen, da nach der Wiedervereinigung niemand wusste, dass diese noch einmal benötigt werden könnten.
In vielen Fällen dürfte die Grundrente zudem recht niedrig ausfallen, warnt der Vertreter der Arbeitgeber im DRV-Vorstand, Alexander Gunkel. Zwar könne der Zuschlag für langjährige Beitragszahler, die im Alter nur wenig Rente bekommen, bis zu 450 Euro im Monat betragen. Doch das sei nur der Extremfall. In vielen Fällen dürfte es nur um zweistellige Monatsbeträge gehen. Gunkel kümmert zudem die Finanzierung der Grundrente. Die Koalition habe zwar zugesagt, dass der Zuschlag nicht auf Kosten der Beitragszahler erfolgt, sondern vor allem durch die Einführung einer neuen Steuer im Aktienhandel. „Es bestehen Zweifel, dass die Finanztransaktionssteuer bis zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens kommen wird“, sagt Gunkel, „wir sind aus Erfahrungen gewarnt.“
Dafür gibt es in der Alterssicherung insgesamt erfreuliche Entwicklungen. Die Einkommen der Arbeitnehmer in Deutschland sind kräftig angestiegen. Deshalb können die 21 Millionen Rentner im kommenden Jahr mit einer deutlichen Anpassung rechnen. Gunkel erwartet ein Plus von 3,1 Prozent im Westen und 3,9 Prozent im Osten. Der Zuwachs könne auch noch geringer ausfallen, sagt er. Denn die endgültigen Zahlen für 2019 werden erst im März nächsten Jahres vorliegen und als Grundlage für die Rentenanpassung dienen.
Verbessert haben sich auch die Zukunftserwartungen der Rentenkasse. Nach der aktuellen Prognose wird der Beitragssatz bis zum Jahr 2025 stabil bei 18,6 Prozent bleiben. Das Rentenniveau wird die von der Politik gezogene Untergrenze von 48 Prozent des letzten Nettolohnes vor Steuerabzug auch nicht unterschreiten. Danach steigt der Beitragssatz allerdings voraussichtlich deutlich an, während das Rentenniveau weiter sinkt.
So stabil war die Kassenlage der Rentenversicherung schon lange nicht mehr. Die Beschäftigung hat sich im vergangenen Jahrzehnt deutlich besser entwickelt als prognostiziert, die Rücklagen sind auf über 38 Milliarden Euro angeschwollen. Eigentlich müsste deshalb der Beitragssatz auf 18,3 Prozent sinken. Doch das ist zwischenzeitlich gesetzlich ausgeschlossen worden, um die Kassenlage längerfristig zu stabilisieren.
Gute Nachrichten für die langfristige Entwicklung kommen vom Statistischen Bundesamt. Die letzte demografische Vorausberechnung der Behörde verspricht ebenfalls eine Stabilisierung der Alterssicherung. Die Zuwanderung fällt etwas höher aus als früher angenommen. Auch scheint der Anstieg der Lebenserwartung nicht mehr so schnell zu verlaufen wie erwartet. Sie wird für 65-jährige Frauen von derzeit noch 21 Jahren bis zum Jahr 2060 nur noch auf 24,5 Jahre steigen, statt wie bisher vermutet auf 25 Jahre. Bei Männer gleichen Alters wächst sie von momentan 17,8 Jahren auf 21,8 Jahre an. Bisher gingen die Experten von 22 Jahren aus.