Rechtshilfe per Mausklick erlaubt
Onlineportal wenigermiete.de darf weiter für Mieter klagen – Anwälte unter Druck
BERLIN - Der Bundesgerichtshof (BGH) stärkt in einem wegweisenden Urteil das Angebot von Rechtsdienstleistern wie wenigermiete.de, die Mietern bei Verstößen gegen die Mietpreisbremse zu Rückzahlungen verhelfen. Entscheidender Streitpunkt war die Frage, ob die als Inkassounternehmen eingetragenen Anbieter auch in begrenztem Umfang Rechtsberatung leisten dürfen. Das ist eigentlich allein Sache von Anwälten und soll dem Schutz der Bürger dienen. Wenn die Beratung sachkundig und in Zusammenhang mit der Durchsetzung einer Forderung erfolge, sei das Gesetz so auszulegen, „dass der Begriff der Inkassodienstleistung nicht in einem so engen Sinne verstanden werden darf“, heißt es im Urteil.
Die Entscheidung betrifft auch eine Reihe anderer Rechtsdienstleister, wie das Portal myright, das zum Beispiel VW-Kunden im Dieselskandal vertritt. Andere Anbieter setzen Fluggastrechte durch oder widersprechen zu Unrecht ausgestellten Strafzetteln. Allen gemeinsam ist das Geschäftsmodell. Die Firmen treten nicht als Anwaltskanzleien auf, sonder als Inkassofirmen, die Forderung ihrer Klienten durchsetzen. „Das tun sie, um das Verbot von Erfolgshonoraren zu umgehen“, erläutert der Geschäftsführer der Kölner Rechtsanwaltskammer, Martin Huff.
Anwälte dürfen bei gerichtlichen Auseinandersetzungen keine Erfolgshonorare vereinbaren. Die neuen Konkurrenten aus dem Internet behalten im Erfolgsfall einen Teil der erstrittenen Summe ein. Geht ein Prozess verloren, tragen sie im Gegenzug die Kosten dafür. Die Verfahren
führen dann Vertragsanwälte für die Internetfirmen.
„Ich finde das Urteil gut“, sagt Hermann Tenhagen vom Verbraucherportal Finanztip. Die Verbraucher könnten ihr Recht mit Hilfe der Dienstleister ohne eigenes Kostenrisiko durchsetzen. „In vielen Fällen würde niemand wegen 20 Euro einen Anwalt beschäftigen“, sagt Tenhagen.
Auch die Verbraucherzentralen sehen das Urteil erst einmal positiv, jedoch nur eingeschränkt.“Jetzt sollte die Politik Regeln für die Branche aufstellen, um einen fairen Wettbewerb zwischen den Anbietern von Rechtsberatungen und einen Markt mit vertrauenswürdigen Anbietern zu sichern“, fordert Florian Stößel, der Rechtsreferent beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Es gäbe für die Inkassobranche zum Beispiel keine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht und auch keine Verpflichtung zur Unabhängigkeit. Daher könne es zu Interessenkonflikten zwischen Anbietern und Verbrauchern kommen.
Jurist Huff sieht auf die Rechtsanwälte schwere Zeiten zukommen, wenn sie sich nicht auf den Wettbewerb mit den Onlineunternehmen einstellen. „Die Anwaltschaft wird ganze Bereiche verlieren“, warnt der Jurist. Er fordert eine Öffnung der Branche für die erfolgsabhängige Vergütung. „Viele Verbraucher sind bereit, ein Erfolgshonorar zu bezahlen“, sagt Huff mit Blick auf die Rechtsdienstleister. Das sei auch nicht verwerflich. Nachdem der BGH diese Praxis nun bestätigt hat, sieht Huff die Anwälte aufgerufen, sich über Reformen des bisherigen Regelwerks zu verständigen. Doch darüber seien die Freiberufler zerstritten, wie er bedauert. Gefahr für die Kanzleien droht seiner Beobachtung nach nicht nur durch Portale wie myright. Der Einsatz künstlicher Intelligenz könne zum Beispiel in den kommenden zehn Jahren dazu führen, dass Versicherungen Streit um Unfallschäden nur noch untereinander aushandeln, statt wie bisher oft mit Hilfe von Anwälten vor Gericht.