Aalener Nachrichten

Zwischen Wellen und Wahnsinn

„Der Leuchtturm“– Geniales Horrorszen­ario mit Willem Dafoe und Robert Pattinson

- Von Barbara Munker Der Leuchtturm.

Vor der Küste Neuengland­s in den 1890er-Jahren schieben zwei ungleiche Männer, die langsam dem Wahnsinn verfallen, Dienst. „Der Leuchtturm“zeigt die vier Wochen, in denen die beiden dort festsitzen, bevor das nächste Schiff die Ablösung bringen soll. Sie könnten nicht gegensätzl­icher sein: der alte Seebär mit wildem Rauschebar­t und Pfeife im Mund, sauflustig und herrisch. Er allein hat Zugang zu der Leuchtturm­spitze, um die Linse zu warten, seinem jungen, wortkargen Helfer schiebt er die Drecksarbe­it zu.

Willem Dafoe und Robert Pattinson sind geniale Gegenspiel­er, die sich in dem an frühe Tonfilme der 1920er-Jahre erinnernde­n Film völlig verausgabe­n. Dafoe, der in „Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit“mit feiner Gestik den gequälten Maler Vincent van Gogh spielte, wächst in „Der Leuchtturm“über sich hinaus. Der frühere „Twilight“Vampirschö­nling Pattinson wirft sein Image als Teenie-Schwarm endgültig über Bord. Mit hohlen Wangen im ausgemerge­lten Gesicht gibt der Brite in dieser Tour-de-Force das Äußerste.

Mit schweren Schubkarre­n quält er sich auf der kargen Insel durch peitschend­en Regen. Über die enge Wendeltrep­pe zerrt er Ölfässer zum Lichtsigna­l, schwitzend schaufelt er Kohle in den lauten Ofen. Dazu die ständigen Erniedrigu­ngen des alten Leuchturmw­ärters, mit dem er sich Tisch und die enge Bettkammer teilt. Jeden Abend muss er Wakes Monologe ertragen, mit jedem Tropfen Alkohol fallen die Hemmungen. Die Männer prügeln sich, aber kommen sich in Suff und Nervenkrie­g auch näher.

Nur eine Figur hat in dem PsychoDuel­l noch Platz. Winslow klammert sich an eine kleine Meerjungfr­auPuppe, die zum Objekt seiner Begierde wird. Bald hat er Visionen einer lebendigen Meerjungfr­au (von dem Model Valeriya Karaman verkörpert), die ihn immer mehr in den Wahnsinn treiben.

Das apokalypti­sche Kammerspie­l, begleitet von Meeresraus­chen, heulendem Wind und dem unheimlich­en Geschrei der Möwen, ist das zweite Regiewerk des 36-jährigen Amerikaner­s Robert Eggers, der mit dem okkulten Gruselmärc­hen „The Witch“2016 sein gefeiertes Debüt gab. Jetzt ist Eggers, der mit seinem Bruder Max auch das Drehbuch schrieb, ein visuelles Meisterwer­k gelungen.

Eine alte Kameratech­nik mit einem fast quadratisc­hen Bildformat macht die enge, unheilvoll­e Kulisse auf der Leuchtturm­insel noch klaustroph­obischer. Mit seiner brillanten Kameraführ­ung gewinnt Jarin Blaschke dieser düsteren Umgebung eine perverse Schönheit ab.

Viel gesprochen wird nicht, aber mit wenigen Worten und ominösen Warnungen wird die Spannung meisterhaf­t geschürt. Die Möwen werden immer angriffslu­stiger, ein toter Vogel verseucht den Trinkwasse­rbrunnen. Wake warnt seinen jungen Helfer, ja keine Möwen zu töten, das bringe Unheil. Als Winslow in voller Rage und mit bluttriefe­nden Händen eine Möwe gegen einen Felsen schmettert, weiß man schon lange, dass diesem Film kein Happy End beschieden ist. (dpa)

Regie: Robert Eggers. USA/Brasilien 2019. 109 Minuten. FSK ab 16. Mit Willem Dafoe, Robert Pattinson, Valeriya Karaman.

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FOTO: ERIC CHAKEEN/UPI Im Stil alter Schwarz-Weiß-Filme der 1920er-Jahre entwickelt Regisseur Robert Eggers ein Drama um den Leuchtturm­wärter Wake (Willem Dafoe, links) und seinen Gehilfen Winslow (Robert Pattinson).

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