Zwischen Wellen und Wahnsinn
„Der Leuchtturm“– Geniales Horrorszenario mit Willem Dafoe und Robert Pattinson
Vor der Küste Neuenglands in den 1890er-Jahren schieben zwei ungleiche Männer, die langsam dem Wahnsinn verfallen, Dienst. „Der Leuchtturm“zeigt die vier Wochen, in denen die beiden dort festsitzen, bevor das nächste Schiff die Ablösung bringen soll. Sie könnten nicht gegensätzlicher sein: der alte Seebär mit wildem Rauschebart und Pfeife im Mund, sauflustig und herrisch. Er allein hat Zugang zu der Leuchtturmspitze, um die Linse zu warten, seinem jungen, wortkargen Helfer schiebt er die Drecksarbeit zu.
Willem Dafoe und Robert Pattinson sind geniale Gegenspieler, die sich in dem an frühe Tonfilme der 1920er-Jahre erinnernden Film völlig verausgaben. Dafoe, der in „Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit“mit feiner Gestik den gequälten Maler Vincent van Gogh spielte, wächst in „Der Leuchtturm“über sich hinaus. Der frühere „Twilight“Vampirschönling Pattinson wirft sein Image als Teenie-Schwarm endgültig über Bord. Mit hohlen Wangen im ausgemergelten Gesicht gibt der Brite in dieser Tour-de-Force das Äußerste.
Mit schweren Schubkarren quält er sich auf der kargen Insel durch peitschenden Regen. Über die enge Wendeltreppe zerrt er Ölfässer zum Lichtsignal, schwitzend schaufelt er Kohle in den lauten Ofen. Dazu die ständigen Erniedrigungen des alten Leuchturmwärters, mit dem er sich Tisch und die enge Bettkammer teilt. Jeden Abend muss er Wakes Monologe ertragen, mit jedem Tropfen Alkohol fallen die Hemmungen. Die Männer prügeln sich, aber kommen sich in Suff und Nervenkrieg auch näher.
Nur eine Figur hat in dem PsychoDuell noch Platz. Winslow klammert sich an eine kleine MeerjungfrauPuppe, die zum Objekt seiner Begierde wird. Bald hat er Visionen einer lebendigen Meerjungfrau (von dem Model Valeriya Karaman verkörpert), die ihn immer mehr in den Wahnsinn treiben.
Das apokalyptische Kammerspiel, begleitet von Meeresrauschen, heulendem Wind und dem unheimlichen Geschrei der Möwen, ist das zweite Regiewerk des 36-jährigen Amerikaners Robert Eggers, der mit dem okkulten Gruselmärchen „The Witch“2016 sein gefeiertes Debüt gab. Jetzt ist Eggers, der mit seinem Bruder Max auch das Drehbuch schrieb, ein visuelles Meisterwerk gelungen.
Eine alte Kameratechnik mit einem fast quadratischen Bildformat macht die enge, unheilvolle Kulisse auf der Leuchtturminsel noch klaustrophobischer. Mit seiner brillanten Kameraführung gewinnt Jarin Blaschke dieser düsteren Umgebung eine perverse Schönheit ab.
Viel gesprochen wird nicht, aber mit wenigen Worten und ominösen Warnungen wird die Spannung meisterhaft geschürt. Die Möwen werden immer angriffslustiger, ein toter Vogel verseucht den Trinkwasserbrunnen. Wake warnt seinen jungen Helfer, ja keine Möwen zu töten, das bringe Unheil. Als Winslow in voller Rage und mit bluttriefenden Händen eine Möwe gegen einen Felsen schmettert, weiß man schon lange, dass diesem Film kein Happy End beschieden ist. (dpa)
Regie: Robert Eggers. USA/Brasilien 2019. 109 Minuten. FSK ab 16. Mit Willem Dafoe, Robert Pattinson, Valeriya Karaman.