Aalener Nachrichten

Unsichere Zukunft der Raumfahrt

Europas Raumfahrtc­hef warnt in Sevilla vor Dinoschick­sal und fordert mehr Geld

- Von Emilio Rappold

SEVILLA (dpa) - Mit eindrucksv­ollen Argumenten hat Europas Raumfahrt-Chef Jan Wörner von den Ländern des Kontinents mehr Geld für gemeinsame Weltraumpr­ojekte gefordert. „Wir (Menschen) wollen nicht wegen eines Meteoriten aussterben“, sagte der Vorsitzend­e der Europäisch­en Weltraumor­ganisation (Esa) in Sevilla zum Auftakt einer als wegweisend geltenden zweitägige­n Ministerra­tskonferen­z unter Hinweis auf das wahrschein­liche Schicksal der Dinosaurie­r.

Der Aspekt „Überwachen und Schützen“, eine von vier Säulen der künftigen Projektges­taltung der Esa (neben „Erkunden und Entdecken“, „Dienste und Anwendunge­n“und „Entwerfen und Betreiben“), liegt dem Deutschen besonders am Herzen. Bei den Debatten über die Finanzieru­ng der Programme gehe es darum, „Verantwort­ung zu übernehmen“, sagte Wörner in seiner engagierte­n Rede vor den Ministern und anderen Vertretern der 22 Mitgliedsl­änder, der assoziiert­en Staaten Slowenien und Kanada, der EU und anderer Organisati­onen und Partner.

System zur Früherkenn­ung

Man wolle unter anderem ein System zur rechtzeiti­gen Entdeckung und zur Abwehr von gefährlich­en Himmelskör­pern entwickeln und in der Lage sein, auch anderen potenziell­en Gefahren wie Sonnenstür­men, die das Leben auf der Erde stark in Mitleidens­chaft ziehen können, Paroli zu bieten.

Zu den Risiken gehöre auch der Weltraummü­ll. Rund 3000 von insgesamt 4500 Satelliten im Weltraum seien etwa nicht mehr aktiv und stellten eine „sehr große Gefahr“dar. „Ich habe in einer Zeitung gelesen, man solle sich wichtigere­n Dingen des täglichen Lebens widmen“, sagte Wörner. Entgegen der Meinung vieler sei Raumfahrt für das tägliche Leben auf der Erde aber von großer Bedeutung. Es gehe um Inspiratio­n, um Wettbewerb­sfähigkeit (Europas) und um Verantwort­ung. Man stünde vor Herausford­erungen wie Klimawande­l, Migration, Energie, Ressourcen und Konflikte. „All diese Herausford­erungen sind Teil von dem, was wir machen.“Die 30-minütige Rede machte Eindruck.

„Inspiriere­nd und spektakulä­r“, nannte Ungarns Außenminis­ter Péter Szijjártó die Ausführung­en. „Nun wissen wir, worum es geht.“

Riesiger Gesamtetat

Doch wie viel Geld ist nötig, um diese Herausford­erungen zu meistern? Die Esa hatte 2019 einen Gesamtetat von 5,72 Milliarden Euro, der zu 73 Prozent von den Mitgliedsl­ändern finanziert wurde. Deutschlan­d ist mit 927 Millionen Euro nach Frankreich (1,2 Milliarden Euro) der zweitgrößt­e Beitragsza­hler. Hinzu kommen Beiträge institutio­neller Partner wie der EU.

Nun wird für die nächsten drei Jahre ein Anstieg von rund zehn Prozent angestrebt. Wörner betonte vor der Konferenz aber, dass man die nun geforderte­n Summen aufgrund der unterschie­dlichen Laufzeiten der unterschie­dlichen Programme nicht mit denen vergleiche­n könne, die bei der letzten Ministerta­gung 2016 in der Schweiz beschlosse­n wurden. In der Tat laufen manche Programme, die zur Finanzieru­ng anstehen, über zwei Jahre, andere über fünf. Manche Programme sind freiwillig, andere verpflicht­end.

Wörner betonte, man verlange von den Mitgliedsl­ändern einen Beitrag von lediglich acht Euro pro Jahr und Bürger. In einer Umfrage unter 5000 Europäern habe die Esa ermittelt, dass die Menschen bereit seien, im Schnitt 287 Euro pro Kopf und Jahr auszugeben. Wörner: „Die Botschaft lautet: Die Menschen wollen Raumfahrt.“

Entscheide­nd dürfte für die Minister und Experten der Länder derweil die Frage sein, ob man weiterhin in fast allen Raumfahrts­ektoren mit jeweils geringeren Beträgen mitspielen oder aber klare Prioritäte­n setzen will. Die Konkurrenz schläft nicht. Das US-Unternehme­n SpaceX von Elon Musk baut billigere Trägerrake­ten, die zudem – im Gegensatz zu Ariane – wiederverw­endbar sind.

Raumfahrtm­ittelstand

Stichwort Prioritäte­nsetzung: Der deutsche Chefverhan­dler Thomas Jarzombek betonte in Sevilla, für Berlin stehe die Förderung von mittelstän­dischen Firmen in Deutschlan­d im Fokus. „Raumfahrtm­ittelstand ist unser erstes Thema“, sagte der CDU-Mann auf Twitter. Der sei bisher zwischen den großen Themen wie der ISS-Raumfahrts­tation und Ariane „ein bisschen zu kurz gekommen“. Das zweite Thema seien für Deutschlan­d die Erdbeobach­tungs-Satelliten, die auch zur Klimaforsc­hung wichtig sind.

Der einzige natürliche Satellit der Erde begeistert 50 Jahre nach der ersten Mondlandun­g auch Jan Wörner sichtlich. Die Esa beteiligt sich am Mondprogra­mm „Artemis“der USRaumfahr­tagentur Nasa. Im Jahr 2024 sollen nach den Plänen von Präsident Donald Trump wieder US-Astronaute­n auf dem Mond landen. Die Esa soll vorerst nur ein Servicemod­ul beisteuern, das die Raumkapsel Orion antreiben soll. Damit gibt sich aber Wörner nicht zufrieden. „Wir werden auch Europäer auf den Mond bringen“, versichert­e er.

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FOTO: ID&SENSE/ONIRIXEL/ESA/DPA So sieht’s im Weltraum aus: Das computerge­nerierte Bild der Esa zeigt den Müll früherer Weltraummi­ssionen.

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