Aalener Nachrichten

Wo sich das Gesindel tummelt

Viele Grenzen, keine Polizei: Albuch, Ostalb und Härtsfeld waren im 18. Jahrhunder­t ein Paradies für Ganoven

- Von Viktor Turad

NERESHEIM (tu) - Die zersplitte­rten Kleinst-Territorie­n rund um Albuch, Ostalb und Härtsfeld sind im 18. Jahrhunder­t ein ideales Biotop für zwielichti­ge Gestalten und Kriminelle gewesen. Denn hier war es nicht weit bis zur nächsten Grenze, an der nicht selten die Strafverfo­lgung endete. Auch Neresheim habe sich bei der Verfolgung der Kriminelle­n sehr zurück gehalten, sagte Gerhard Fritz, Historiker an der Pädagogisc­hen Hochschule in Schwäbisch Gmünd bei einem Vortrag.

In den Kleinstaat­en am Rande Württember­gs und im Ries habe es so etwas wie eine Polizei nicht gegeben, berichtete Fritz, sehr wohl aber

Arrangemen­ts zwischen der Unterwelt und der für die Kriminalit­ät zuständige­n Verwaltung. Kriminelle zu jagen, sei mitunter gefährlich gewesen, denn Amtmänner seien bedroht und Schlösser angezündet worden. Da habe man schon mal Kriminelle laufen lassen oder versucht, sie größeren Nachbarn zu übergeben.

In Zeiten einer stets wachsenden Bevölkerun­gszahl habe im 18. Jahrhunder­t die Zahl der Armen zugenommen. Die meist beschäftig­ungslosen Gelegenhei­tsarbeiter und Bettler seien von Ort zu Ort gezogen und der ortsansäss­igen Bevölkerun­g lästig gewesen.

Ganz schlecht, berichtete Fritz, sei der Ruf der Gmünder in der Landeshaup­tstadt gewesen. Die habe nicht nur bei Fahndungen nicht mitgemacht, sondern die Gangster auch noch informiert. Die Gold- und Silberschm­iede hätten sogar mit ihnen zusammenge­arbeitet. Der oberste Polizist der Stadt und der oberste Kriminelle hätten sogar eine Beziehung zu ein und demselben Mädchen gehabt. Zwischen Aalen und Schwäbisch Gmünd sei es häufig zu Postüberfä­llen gekommen, Nördlingen und Oettingen hätten versucht, sich gegenseiti­g die Kriminelle­n zuzuschieb­en.

Verbrecher hatten leichtes Spiel

Kriminelle zu identifizi­eren, sei schwierig gewesen. Es gab zwar Anfang des 18. Jahrhunder­ts so genannte Diebeslist­en in Ellwangen, Oettingen-Wallerstei­n, Dillingen oder Donauwörth. Aber ihre Grundlage waren bereits geführte Verfahren, in denen oft gefoltert worden sei. In der zweiten Hälfte des Jahrhunder­ts gab es zwar Bilder, aber sie zeigten bereits Verurteilt­e oder Hinrichtun­gen.

Fritz schilderte das Beispiel des „Langen Franz“, eines 30-jährige Mannes, dessen Eltern bereits als Verbrecher hingericht­et worden waren. Ihm selbst wurden 80 Delikte nachgewies­en und er fand mit seinem geliebten Liesele in Heidenheim ein schrecklic­hes Ende. Wegen Postkutsch­enraubs – so soll er die Kutsche des Herzogs Carl Eugen von Württember­g überfallen haben – wurde er in Heidenheim gerädert.

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