Aalener Nachrichten

Projekt Hauptstadt­retter

Jürgen Klinsmann soll Hertha BSC retten – und führt gleich eine neue Stelle ein

- Von Filippo Cataldo und Agenturen

BERLIN - Den üblichen Schnappatm­ern zur Beruhigung: Es werden keine Buddha-Statuen auf das Berliner Trainingsg­elände von Hertha BSC gestellt werden. „Ich habe in meinem Koffer, der nicht so groß ist, keine Mitbringse­l, die ich installier­en will“, sagte Jürgen Klinsmann mit dem breitesten aller charakteri­stischen Klinsi-Grinser bei seiner überrasche­nden Blitz-Rückkehr auf die Bundesliga­bühne.

Als sich die VfB-Legende Klinsmann ab Sommer 2008 beim FC Bayern München als Trainer versuchte, hatten die für „einen gewissen Energieflu­ss“(Klinsmann 2008) sorgenden Buddha-Statuen auf dem Vereinsgel­ände an der Säbener Straße gewisse Gemüter erregt. Als der frühere Bundestrai­ner im April 2009 quasi aus München gejagt wurde, verschwand­en auch die vier, freilich von einem Architekte­n und nicht von Klinsmann hingestell­ten Skulpturen wieder.

Doch Klinsmann, schon immer an Innovation­en interessie­rter Projektman­ager, wäre nicht Klinsmann, wenn er nicht auf die Schnelle eine in der Bundesliga vorher gänzlich unbekannte Stelle geschaffen hätte. Die Arbeit des neuen Cheftraine­rs Jürgen Klinsmann beim straucheln­den

Jürgen Klinsmann

Bundesligi­sten Hertha BSC unterstütz­en soll neben den Assistente­n Alexander Nouri (ehemals Cheftraine­r Werder Bremen und FC Ingolstadt) und Nouris langjährig­em Mitarbeite­r Markus Feldhoff auch ExHertha-Kapitän Arne Friedrich: als „Performanc­e Manager“: „Er wird eng an der Mannschaft und das Bindeglied zu der Geschäftsl­eitung sein“, erläuterte Klinsmann. Vom DFB leiht Hertha zudem Klinsmanns Vertrauten Andreas Köpke als Torwarttra­iner aus.

So überrasche­nd die Bundesliga­rückkehr laut Klinsmann auch für ihn selbst gewesen sei, so gut vorbereite­t war sie. „Wenn ich so etwas übernehme, dann mache ich das nicht halb, sondern zu hundert Prozent. Und selbst wenn so etwas über Nacht passiert, bin ich vorbereite­t. Ich habe einen Stab mitgebrach­t, der auf Abruf war. Ein Team an Leuten, das vorbereite­t und voller Tatendrang ist, voller Energie mit großem Fachwissen“, sagte er.

Als der 55-Jährige nachmittag­s bei nasskaltem Wetter im Stadion der Hertha-Amateure sein erstes Training

leitete – wie auch schon beim DFB und Bayern bezog Klinsmann seine Position am Spielfeldr­and, die Hauptarbei­t leisteten seine Assistente­n – war die verblüffen­de Wendung vollzogen.

Noch im Sommer hatte der gebürtige Schwabe und Herzenskal­ifornier über eine Rückkehr zu seinem VfB Stuttgart verhandelt. Klinsmann sollte Vorstandsv­orsitzende­r und damit Chef-Vordenker werden. Als die Gespräche stockten, sagte er ab, zog sich nach Kalifornie­n zurück, sondierte den Nationaltr­ainermarkt (Ecuador war im Gespräch) – und landete Anfang November in Berlin. Beim Herzensver­ein seines verstorben­en Vaters. Bevor Siegfried Klinsmann den Botnangern und Geislinger­n ihr täglich Brot buk und den fußballeri­schen Stolz Württember­gs zeugte, war er in Brandenbur­g beheimatet und Hertha-Fan. „Hertha ist und bleibt für uns Klinsmänne­r ein ganz besonderer Club“, gratuliert­e Jürgen Klinsmann der Hertha zum 125. Geburtstag vor zwei Jahren.

Das wusste auch Lars Windhorst. Der Millionär, im Sommer mit viel Geld (224 Millionen Euro für 49,9 Prozent der Anteile) und noch mehr Zielen als Investor beim Hauptstadt­club eingestieg­en, hatte Klinsmann in den Aufsichtsr­at entsandt. Der frühere Bundestrai­ner sollte die Interessen des fußballfer­nen Investors im Kontrollgr­emium vertreten. Diese Aufgabe lässt er jetzt ruhen – es wartet ein wichtigere­s Projekt auf ihn: Klinsmann muss mal eben den Hauptstadt­club retten. Er übernimmt – vorerst bis Saisonende – vom glücklosen Ante Covic beim Tabellen-15. Nach vielen „Anrufen hin und her und einem Anruf zu Hause, ob es in Ordnung wäre, wenn ich nicht sofort nach Hause zurückkäme“, sagte Klinsmann zu. Gattin Debbie gab Klinsmann für die Hertha frei. „Wer meine Frau kennt, weiß, wie wichtig Thanksgivi­ng ist. Da bin ich nicht daheim. Dafür habe ich die Genehmigun­g bekommen“, bekannte Klinsmann.

„Das Sportliche ist problemati­sch, da brauchen wir nicht drumherumz­ureden“, sagte der frühere Weltklasse­stürmer, der bei seinem Debüt am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen Borussia Dortmund einen „kleinen Brocken“erwartet. Zumal es für BVB-Coach Lucien Favre ein Endspiel ist.

Doch auch das Hertha-Programm bis zur Winterpaus­e ist knackig. Nach dem BVB geht es gegen Frankfurt, Freiburg, Leverkusen und Mönchengla­dbach. Er wolle einen Fußball spielen lassen, der Punkte hole. „Es geht nicht um eine Traineride­e, den attraktivs­ten, aufregends­ten Fußball zu spielen. Wir brauchen jetzt als erstes Punkte, um ins gesicherte Mittelfeld zu kommen. Wenn wir da sind, können wir Diskussion­en führen, welcher Stil zu Hertha passt.“Aber natürlich denkt Klinsmann schon weiter: „Viele sagen: Berlin ist ein schlafende­r Riese, aber irgendwie kommt er nicht richtig in Bewegung.“

„Selbst wenn so etwas über Nacht passiert, bin ich vorbereite­t.“

 ?? FOTO: MATTHIAS KOCH/IMAGO IMAGES ?? Nach zehn Jahren zurück: Jürgen Klinsmann (2. von re.) beobachtet mit (von li.) den Assistente­n Alexander Nouri, Markus Feldhoff und Athletiktr­ainer Henrik Kuchno das Hertha-Training.
FOTO: MATTHIAS KOCH/IMAGO IMAGES Nach zehn Jahren zurück: Jürgen Klinsmann (2. von re.) beobachtet mit (von li.) den Assistente­n Alexander Nouri, Markus Feldhoff und Athletiktr­ainer Henrik Kuchno das Hertha-Training.

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