Projekt Hauptstadtretter
Jürgen Klinsmann soll Hertha BSC retten – und führt gleich eine neue Stelle ein
BERLIN - Den üblichen Schnappatmern zur Beruhigung: Es werden keine Buddha-Statuen auf das Berliner Trainingsgelände von Hertha BSC gestellt werden. „Ich habe in meinem Koffer, der nicht so groß ist, keine Mitbringsel, die ich installieren will“, sagte Jürgen Klinsmann mit dem breitesten aller charakteristischen Klinsi-Grinser bei seiner überraschenden Blitz-Rückkehr auf die Bundesligabühne.
Als sich die VfB-Legende Klinsmann ab Sommer 2008 beim FC Bayern München als Trainer versuchte, hatten die für „einen gewissen Energiefluss“(Klinsmann 2008) sorgenden Buddha-Statuen auf dem Vereinsgelände an der Säbener Straße gewisse Gemüter erregt. Als der frühere Bundestrainer im April 2009 quasi aus München gejagt wurde, verschwanden auch die vier, freilich von einem Architekten und nicht von Klinsmann hingestellten Skulpturen wieder.
Doch Klinsmann, schon immer an Innovationen interessierter Projektmanager, wäre nicht Klinsmann, wenn er nicht auf die Schnelle eine in der Bundesliga vorher gänzlich unbekannte Stelle geschaffen hätte. Die Arbeit des neuen Cheftrainers Jürgen Klinsmann beim strauchelnden
Jürgen Klinsmann
Bundesligisten Hertha BSC unterstützen soll neben den Assistenten Alexander Nouri (ehemals Cheftrainer Werder Bremen und FC Ingolstadt) und Nouris langjährigem Mitarbeiter Markus Feldhoff auch ExHertha-Kapitän Arne Friedrich: als „Performance Manager“: „Er wird eng an der Mannschaft und das Bindeglied zu der Geschäftsleitung sein“, erläuterte Klinsmann. Vom DFB leiht Hertha zudem Klinsmanns Vertrauten Andreas Köpke als Torwarttrainer aus.
So überraschend die Bundesligarückkehr laut Klinsmann auch für ihn selbst gewesen sei, so gut vorbereitet war sie. „Wenn ich so etwas übernehme, dann mache ich das nicht halb, sondern zu hundert Prozent. Und selbst wenn so etwas über Nacht passiert, bin ich vorbereitet. Ich habe einen Stab mitgebracht, der auf Abruf war. Ein Team an Leuten, das vorbereitet und voller Tatendrang ist, voller Energie mit großem Fachwissen“, sagte er.
Als der 55-Jährige nachmittags bei nasskaltem Wetter im Stadion der Hertha-Amateure sein erstes Training
leitete – wie auch schon beim DFB und Bayern bezog Klinsmann seine Position am Spielfeldrand, die Hauptarbeit leisteten seine Assistenten – war die verblüffende Wendung vollzogen.
Noch im Sommer hatte der gebürtige Schwabe und Herzenskalifornier über eine Rückkehr zu seinem VfB Stuttgart verhandelt. Klinsmann sollte Vorstandsvorsitzender und damit Chef-Vordenker werden. Als die Gespräche stockten, sagte er ab, zog sich nach Kalifornien zurück, sondierte den Nationaltrainermarkt (Ecuador war im Gespräch) – und landete Anfang November in Berlin. Beim Herzensverein seines verstorbenen Vaters. Bevor Siegfried Klinsmann den Botnangern und Geislingern ihr täglich Brot buk und den fußballerischen Stolz Württembergs zeugte, war er in Brandenburg beheimatet und Hertha-Fan. „Hertha ist und bleibt für uns Klinsmänner ein ganz besonderer Club“, gratulierte Jürgen Klinsmann der Hertha zum 125. Geburtstag vor zwei Jahren.
Das wusste auch Lars Windhorst. Der Millionär, im Sommer mit viel Geld (224 Millionen Euro für 49,9 Prozent der Anteile) und noch mehr Zielen als Investor beim Hauptstadtclub eingestiegen, hatte Klinsmann in den Aufsichtsrat entsandt. Der frühere Bundestrainer sollte die Interessen des fußballfernen Investors im Kontrollgremium vertreten. Diese Aufgabe lässt er jetzt ruhen – es wartet ein wichtigeres Projekt auf ihn: Klinsmann muss mal eben den Hauptstadtclub retten. Er übernimmt – vorerst bis Saisonende – vom glücklosen Ante Covic beim Tabellen-15. Nach vielen „Anrufen hin und her und einem Anruf zu Hause, ob es in Ordnung wäre, wenn ich nicht sofort nach Hause zurückkäme“, sagte Klinsmann zu. Gattin Debbie gab Klinsmann für die Hertha frei. „Wer meine Frau kennt, weiß, wie wichtig Thanksgiving ist. Da bin ich nicht daheim. Dafür habe ich die Genehmigung bekommen“, bekannte Klinsmann.
„Das Sportliche ist problematisch, da brauchen wir nicht drumherumzureden“, sagte der frühere Weltklassestürmer, der bei seinem Debüt am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen Borussia Dortmund einen „kleinen Brocken“erwartet. Zumal es für BVB-Coach Lucien Favre ein Endspiel ist.
Doch auch das Hertha-Programm bis zur Winterpause ist knackig. Nach dem BVB geht es gegen Frankfurt, Freiburg, Leverkusen und Mönchengladbach. Er wolle einen Fußball spielen lassen, der Punkte hole. „Es geht nicht um eine Traineridee, den attraktivsten, aufregendsten Fußball zu spielen. Wir brauchen jetzt als erstes Punkte, um ins gesicherte Mittelfeld zu kommen. Wenn wir da sind, können wir Diskussionen führen, welcher Stil zu Hertha passt.“Aber natürlich denkt Klinsmann schon weiter: „Viele sagen: Berlin ist ein schlafender Riese, aber irgendwie kommt er nicht richtig in Bewegung.“
„Selbst wenn so etwas über Nacht passiert, bin ich vorbereitet.“