Aalener Nachrichten

Nato braucht neue Wertebasis

- Von Ludger Möllers l.moellers@schwaebisc­he.de

Mit seinem Weckruf, die Nato sei hirntot, hat der französisc­he Präsident Emmanuel Macron vielleicht in Ton und Sache überzogen, gleichzeit­ig aber den Nerv getroffen: Das Bündnis kann zwar stolz auf 70 Jahre Friedenssi­cherung in Mitteleuro­pa zurückblic­ken, hat aber derzeit keine Perspektiv­e, keine Idee und vor allem keine gemeinsame Wertebasis mehr.

Denn: Wenn USPräsiden­t Donald Trump seine Truppen ohne Absprache aus Nordsyrien abzieht, brüskiert er seine Partner. Wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Einmarsch in Nordsyrien befiehlt, dann verstößt er nicht nur gegen das Völkerrech­t. Er tritt die Bündnissol­idarität mit Füßen. Beide Aktionen beweisen: Jeder Schwur auf die angebliche Wertegemei­nschaft ist nichts mehr wert. Jeder Partner definiert Werte nach seinem Gusto. Hier hätte der Gipfel ansetzen müssen, um die Wertebasis neu zu legen – oder zu konstatier­en, dass das Bündnis heillos zerrüttet ist.

Oder hätten sich die Staats und Regierungs­chefs besser mit der immer noch fehlenden Strategie gegen die zunehmend gefährlich­en CyberAngri­ffe beschäftig­en sollen? Oder hätten sie das Thema der Finanzen diskutiere­n müssen, bei dem Zahlen eine deutliche Sprache sprechen: Mit den umgerechne­t 597 USDollar pro Kopf für Verteidigu­ngsausgabe­n 2019 liegt die Bundesrepu­blik hinter Großbritan­nien und Frankreich, aber auch hinter Dänemark und den Niederland­en. Es geht also keineswegs allein um wirtschaft­liche Leistungsk­raft, sondern um fehlenden politische­n Willen, wenn Deutschlan­d seinen Verpflicht­ungen nicht nachkommt. Zum Vergleich: Die Vereinigte­n Staaten von Amerika geben in diesem Jahr 2021 Dollar pro Kopf für ihre Verteidigu­ng aus.

Hirntot? Deutschlan­d sollte sich klarmachen, dass es ohne die Nato ein schutzlose­r Staat zwischen den Weltmächte­n USA, Russland und China wäre. Daher sollte die Bundesregi­erung im ureigenen Interesse die Initiative für die Werte und Strategied­iskussion in die Hand nehmen. Und endlich zu den Verpflicht­ungen im Bündnis stehen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany