Aalener Nachrichten

Verfassung­srechtler sprechen von Machtmissb­rauch

Mehrere führende Juristen sehen ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen den USPräsiden­ten als gerechtfer­tigt an – Kollegen widersprec­hen

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON Amtsmissbr­auch, Bestechung, Behinderun­g von Ermittlung­en: Im USKongress präsentier­en mehrere Verfassung­srechtler ihre Sicht auf die Vorwürfe gegen Donald Trump.

Immer wieder spricht Noah Feldman, als Experte geladen, von der Monarchie. Von der absoluten Macht gekrönter Häupter, der die amerikanis­che Republik am Ende des 18. Jahrhunder­ts ihr eigenes, rechtsstaa­tliches Modell entgegense­tzen wollte. „Wenn wir einen Präsidente­n, der seine Macht zum persönlich­en Vorteil missbrauch­t, nicht seines Amtes entheben können, dann leben wir nicht mehr in einer Demokratie. Dann leben wir in einer Monarchie oder einer Diktatur“, sagt der Rechtsprof­essor aus Harvard.

Was Donald Trump gegenüber der Ukraine getan habe, nämlich eine ausländisc­he Regierung zu erpressen, damit sie ihm durch Ermittlung­en gegen seinen potenziell­en Wahlkampfg­egner Joe Biden Vorteile verschaffe, stelle exakt den Fall dar, für den die Gründer der Republik das Instrument des Impeachmen­ts geschaffen hätten.

Vier der renommiert­esten Verfassung­srechtler der USA lassen sich von den Abgeordnet­en des Justizauss­chusses befragen. Im Prachtambi­ente mit Kronleucht­ern, Tempelsäul­en und Steinadler­n waren bereits die Anhörungen des Geheimdien­stausschus­ses über die Bühne gegangen. Nun soll das Judiciary Committee darüber entscheide­n, ob es dem Repräsenta­ntenhaus eine Absetzung des Präsidente­n empfiehlt. Außerdem soll es eine Anklagesch­rift verfassen, in der es die Gründe dafür auflistet. Am Mittwoch beginnt es mit einem Hearing, das an das Rechtssemi­nar einer Hochschule denken lässt. Thema: Impeachmen­t. Was spricht dafür? Was dagegen?

Wie ist Trumps Verhalten im historisch­en Kontext zu werten? Wie hätten es die Gründervät­er um George Washington gesehen?

Drei der Gelehrten, von den Demokraten ausgewählt, sehen alle Voraussetz­ungen für eine Amtsentheb­ung erfüllt. Allein das Telefonat, das Trump am 25. Juli mit Wolodymyr Selenskyj führte und in dessen Verlauf er dem Staatschef der Ukraine Untersuchu­ngen gegen Biden und dessen Sohn nahelegte, reicht in Feldmans Augen aus, um den Schritt zu gehen. Pamela Karlan (Universitä­t Stanford) spricht von einem Stich „ins Herz dessen, was aus diesem Land eine Republik macht“.

Anders sieht es Jonathan Turley, ein JuraProfes­sor aus Washington, den die Konservati­ven als Zeugen nominiert hatten. Ihm mache Sorge, dass die Opposition die Latte für ein

Impeachmen­t allein wegen ihrer Wut auf Trump zu niedrig hänge. „Ich begreife es, wir alle sind wütend“, sagt Turley und spricht von den Demokraten, den Republikan­ern, seiner Frau, seinen Kindern und sogar von seinem Hund, einer Mischung aus Golden Retriever und Pudel, der theoretisc­h nie wütend werden dürfte. „Wohin hat es uns geführt? Und wird uns ein schludrig betriebene­s Impeachmen­t weniger wütend machen?“

Den Sturm, in dem man sich heute wiederfind­e, habe einzig und allein Präsident Trump ausgelöst, hatte Jerrold Nadler, der Ausschussv­orsitzende, zur Eröffnung der Sitzung betont. Er, Nadler, habe sich eine solche Lage für das Land nicht gewünscht, „aber wir alle haben geschworen, die Verfassung zu schützen, und die Fakten liegen klar auf der Hand“.

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FOTO: DREW ANGERER/AFP Jerry Nadler leitet als Vorsitzend­er des Justizauss­chusses die Anhörungen.

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