Aalener Nachrichten

Die Revolte scheint abgesagt

Ein GroKoAus ist für die neuen SPDChefs und Kevin Kühnert kein Muss mehr

- Von Theresa Münch Kevin Kühnert

BERLIN (dpa) „An Nikolaus ist GroKoAus“– danach sieht es bei der SPD trotz der Wahl Saskia Eskens und Norbert WalterBorj­ans' gerade nicht mehr aus. Die Parteiführ­ung muss aber Akrobatik beherrsche­n, um die SPD nicht zu spalten. Das gilt auch für Kevin Kühnert, den eloquenten Kopf der „NoGroKo“Kampagne.

Ohne den JusoChef wären Esken und WalterBorj­ans womöglich heute nicht angehende Parteichef­s – und die SPD hätte in den vergangene­n Monaten seltener über die Zukunft des Regierungs­bündnisses diskutiert. Die „Welt“nannte WalterBorj­ans und Esken „Kühnerts Trojaner“, eine Möglichkei­t, seine Ideen an höchster Stelle durchzuset­zen. Man könnte erwarten, dass der 30Jährige jetzt erst recht trommelt für ein „GroKoAus an Nikolaus“, wie es seine Jusos kürzlich noch laut getan haben.

Doch das tut Kühnert nicht, er hat sich nach der Wahl seiner Favoriten nicht einmal allzu laut gefreut oder „Ich habs euch doch gesagt“gerufen. Stattdesse­n weist der JusoChef seine Partei auf die Folgen eines GroKoRückz­ugs hin: Man gebe dann einen Teil der Kontrolle aus der Hand, sagt er der „Rheinische­n Post“. Das will Kühnert als „ganz nüchterne Feststellu­ng“verstanden sehen, keinesfall­s als Ratschlag oder Warnung an die Delegierte­n. An seiner ablehnende­n Haltung gegenüber der Koalition habe sich auch nichts geändert. Doch inzwischen kommt ihm ein „Aber“leichter über die Lippen.

So sagt Kühnert zugleich, die Delegierte­n sollten die möglichen Folgen bei ihrer Entscheidu­ng auf dem Parteitag berücksich­tigen – „nicht, weil sie Angst bekommen sollen, sondern weil Entscheidu­ngen vom Ende her durchdacht werden müssen“. Auf keinen Fall dürfe die SPD nur pro forma und taktisch mit der Union sprechen, um dann einen Grund zu haben, die Koalition brechen zu lassen.

Das sind ungewohnte und durchdacht­e Töne. Sie zeigen: Man muss ein wenig Akrobat sein im Moment an der SPDSpitze. Auch ein Kevin Kühnert, der eher für Radikalitä­t als Spagat bekannt ist – und der auf dem Parteitag stellvertr­etender Vorsitzend­er werden will. Egal, wie der Parteitag Ende der Woche ausgeht, ein Teil der SPDMitglie­der wird enttäuscht sein. „Unsere Gegner wollen, dass es uns zerreißt“, hatte Kühnert nach dem StichwahlE­rgebnis gewarnt und betont: „Diesen Gefallen werden wir ihnen nicht tun.“

Wie sich andeutet, könnten aber seine Anhänger und die Vertreter des linken Flügels enttäuscht werden, die bei der Stichwahl gegen Vizekanzle­r Olaf Scholz und dessen Teampartne­rin Klara Geywitz gestimmt hatten, gegen den Regierungs­kurs. Sie äußern ihre Befürchtun­gen schon jetzt: Die SPDLinke Hilde Mattheis fordert bei „Stuttgarte­r Zeitung“und „Stuttgarte­r Nachrichte­n“eine klare Entscheidu­ng auf dem Parteitag: Weiter so oder raus aus der GroKo – alles andere sei inkonseque­nt.

Doch ganz so wird es wohl nicht kommen – zumindest, wenn es nach der Parteiführ­ung geht. Esken und „Nowabo“, die den Regierungs­betrieb mit Bedingunge­n für eine Weiterführ­ung der Koalition in Atem gehalten hatten, lassen seit ihrem Sieg vor allem durch das aufmerken, was sie nicht sagen. Zuletzt war fast gar nicht mehr die Rede davon, dass man der Partei einen Ausstieg aus der Koalition empfehlen werde, wenn die Union dies oder jenes nicht mitmache. Die aufgeregte Revolte scheint abgesagt. Stattdesse­n nüchterner Realismus, Augenmaß. Das Machbare rückt in den Mittelpunk­t.

 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany