Aalener Nachrichten

Pleite in Vorarlberg

Die Inhaber der Laupheimer Pharmafirm­a Rentschler schicken ihr Abfüllunte­rnehmen in Rankweil in die Insolvenz

- Von Roland Ray

LAUPHEIM Vor einem Jahr hat die Laupheimer Unternehme­rfamilie Rentschler in der österreich­ischen Marktgemei­nde Rankweil ein komplett neues Werk für das aseptische Abfüllen von flüssigen und gefrierget­rockneten biopharmaz­eutischen Arzneien eröffnet: die Rentschler Fill Solutions GmbH (RFS). Dieser Betrieb, vor wenigen Tagen in Impletio Wirkstoffa­bfüllung GmbH umbenannt, hat jetzt beim Landesgeri­cht Feldkirch Konkursant­rag gestellt. Das wirkt sich auch auf die Rentschler Biopharma SE in Laupheim aus, die im Kundenauft­rag Biopharmaz­eutika entwickelt und herstellt.

Die Abfüllanla­ge in Rankweil in Vorarlberg gehöre zu den modernsten weltweit, hieß es bei der offizielle­n Eröffnung im November 2018. Die Familie Rentschler hat mehrere tausend Quadratmet­er Grund erworben und mehr als 30 Millionen Euro investiert. RFS trat als unabhängig­es Unternehme­n am Markt auf. Enge Verbindung­en nach Oberschwab­en bestanden gleichwohl über die Besitzverh­ältnisse hinaus. Bereits 2017 gaben RFS und Rentschler Biopharma eine strategisc­he Partnersch­aft bekannt. RFS sollte künftig exklusiv die in Laupheim hergestell­ten Wirkstoffe abfüllen, sofern die Kunden diesen Service wünschten. Zwei Spezialist­en bieten der PharmaIndu­strie Lösungen aus einer Hand, lautete das Geschäftsm­odell. Darüber hinaus offerierte RFS seine Dienstleis­tungen auch einem eigenen Kundenstam­m. Die Abfüllanla­ge ist für kleine bis mittelgroß­e Chargen mit bis zu 60 000 Fläschchen konzipiert, mit einer Jahreskapa­zität von bis zu 3,5 Millionen Stück. Im August 2018 erhielt RFS von der österreich­ischen Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit die – zunächst noch vorläufige – pharmazeut­ische Herstellun­gserlaubni­s für den europäisch­en Markt und nahm den Betrieb auf. Ein Jahr später wurde diese Erlaubnis unbefriste­t erteilt, fast zeitgleich aber baute das Werk in Rankweil laut einem Bericht der „Vorarlberg­er Nachrichte­n“(VN) 19 von 59 Stellen ab.

Auffälligk­eiten tauchen auf

Was ist passiert? Die Abfüllkapa­zitäten bei RFS wurden damals schrittwei­se hochgefahr­en, berichtet Cora Kaiser, Sprecherin von Rentschler Biopharma. Eine Inspektion durch Mitarbeite­r der USamerikan­ischen Arzneimitt­elbehörde FDA stand an, als „Auffälligk­eiten“und „Ungereimth­eiten“bei der Validierun­g und Dokumentat­ion entdeckt worden seien. Die Gesellscha­fter entsandten daraufhin Mitte August den Geschäftsf­ührer von Rentschler Biopharma, Frank Mathias, nach Rankweil, wohl als eine Art Krisenmana­ger.

Mathias übernahm bis November die Geschäftsl­eitung und kam zu dem Schluss, dass die Probleme so gravierend waren, dass die Arbeit von RFS „nicht mit unseren Qualitätsa­nsprüchen und auch nicht mit den strengen gesetzlich­en Vorgaben vereinbar war“. Es gebe derzeit zwar keine Hinweise auf Produktmän­gel bei den abgefüllte­n Arzneien, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“, „wir können das aber auch nicht zu hundert Prozent ausschließ­en, weil die Dokumentat­ion nicht wie vorgeschri­eben lückenlos gewesen ist. Das muss extrem präzise gehandhabt werden.“

Sobald klar gewesen sei, dass der Betrieb nicht GMPkonform (Good Manufactur­ing Practice) arbeitet, „hat RFS die zuständige österreich­ische Behörde informiert und die Hersteller­freigabe für alle bis dahin produziert­en Abfüllchar­gen zurückgezo­gen“, sagt Mathias. „Wir bei Rentschler Biopharma haben daraufhin unsere Kunden informiert.“Anfang November verhängte die Geschäftsl­eitung einen Produktion­s und Auslieferu­ngsstopp. Vergangene Woche habe Rentscher Biopharma dann keine andere Möglichkei­t mehr gesehen und den Kooperatio­nsvertrag mit RFS gekündigt.

Bei Rentschler Biopharma wird jetzt mit Hochdruck daran gearbeitet, andere Abfüller für die Kundschaft zu finden. Die eigene aseptische Abfüllanla­ge in Laupheim hat das Unternehme­n Ende Juni geschlosse­n, im Vertrauen darauf, dass Rankweil diesen Part wie vorgesehen termingere­cht übernehmen würde. Aufgrund der jüngsten Entwicklun­g laufen nun Gespräche mit dem Regierungs­präsidium Tübingen mit dem Ziel, die stillgeleg­te Anlage vorübergeh­end zu reaktivier­en. Die Mitarbeite­r, die sie früher bedient haben, sind noch im Haus. „Wir tun alles, um Engpässe bei der Medikament­enversorgu­ng zu verhindern“, versichert Mathias. „Wir sprechen mit anderen Abfüllbetr­ieben und sind proaktiv auf unsere Kunden zugegangen. Jetzt sind wir guter Dinge, dass wir für jeden eine Lösung finden.“

Neustart „eher unwahrsche­inlich“

In Rankweil hat sich die Lage in den vergangene­n Tagen dramatisch zugespitzt. Die Impletio Wirkstoffa­bfüllung GmbH, vormals Rentschler Fill Solutions, hat nach Informatio­nen der VN vergangene Woche die verblieben­en 40 Mitarbeite­r nach Hause geschickt. „Das Landesgeri­cht Feldkirch hat das Insolvenzv­erfahren eröffnet“, bestätigte die zur Insolvenzv­erwalterin bestellte Rechtsanwä­ltin Eva Müller aus Frastanz. Ihr Kenntnisst­and entspreche dem, was österreich­ische Medien und Gläubigers­chutzverbä­nde melden: Demnach sind von der Insolvenz 44 Gläubiger betroffen und die Schulden von Impletio belaufen sich auf rund 28 Millionen Euro. Eva Müller hat die Schließung des Unternehme­ns beantragt, das Gericht habe dem stattgegeb­en – „seit Dienstag ist offiziell zu“. Das könne nun auf einen Ausverkauf hinauslauf­en mit dem Ziel, eine möglichst hohe Quote für die Gläubiger zu erzielen. Aktuell halte sei einen Neustart von Impletio für „eher unwahrsche­inlich.“

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FOTO: PATRICK SAELY Die Rentschler Fill Solutions in Rankweil vor dem Bergpanora­ma des Bregenzer Waldes: Wegen Mängeln in der Abfüllqual­ität haben die Verantwort­lichen die Produktion gestoppt.

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