Eine ganz neue Kategorie Arbeit
Crowdworker brauchen meist nicht mehr als einen Laptop und eine Internetverbindung – Gerichtsurteil definiert ihren Status
BERLIN Woher weiß ein Schokoladenhersteller, wo seine Waren in ganz realen Supermärkten wirklich platziert sind? Versteckt ganz unten in einer Wand verschiedener Süßigkeitenpackungen? Oder in dem schönen Pappständer direkt an der Kasse? Es ist schließlich Sache der Marktleitung vor Ort, wo sie das Produkt einsortiert.
Die Webseite Streetspotr.com hilft Unternehmen, die wissen wollen, was mit ihren Produkten im Handel wirklich passiert. Sie ist in der Lage, Hunderte von Kleinarbeitern für einen Auftrag zu mobilisieren. Diese klappern einen Supermarkt nach dem anderen ab und sammeln Fotos und Daten zur Platzierung der Marke. In kurzer Zeit erhält der Kunde ein realistisches Bild davon, wie seine Waren quer durch die Republik platziert sind. Die MiniArbeiter erhalten ihrerseits eine MiniEntlohnung pro Markt.
Keine Angestellten
Der Status dieser „Crowdworker“in der Arbeitswelt beschäftigt Juristen und Gewerkschaftler schon länger. Es handelt sich schließlich um eine neue Arbeitsform, die erst mit dem Internet aufkommen konnte. Die Tätigkeiten passen nicht in die herkömmliche Aufteilung der Beschäftigungsformen. Das Landesarbeitsarbeitsgericht in München hat nun in einem Fall Klarheit geschaffen: Angestellte der Webseite mit Anspruch auf Weiterbeschäftigung sind die Crowdworker definitiv nicht.
Die IG Metall hatte die Klage anhand eines Einzelfalls durchexerziert. Ein 52Jähriger hatte für die HandyApp „Roamlr“Produkte fotografiert. Die Kleinaufträge haben sich geläppert und einen wesentlichen Teil seines Einkommens ausgemacht. Doch plötzlich sperrte die App ihm den Zugang, berichtete seinerzeit der „Spiegel“. Er habe unsauber gearbeitet, lautete die Begründung. Der Mann klagte mithilfe der Gewerkschaft darauf, ihm den Job zurückzugeben: Durch die Tätigkeit sei ein Arbeitsvertrag zustande gekommen. Immerhin habe er sich exakt an die Anweisungen aus der App halten müssen.
Das sehen die Richter in München jedoch anders: „Ein Arbeitsvertrag liegt nach der gesetzlichen Definition nur dann vor, wenn der Vertrag die Verpflichtung zur Leistung von weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit vorsieht“– und das sei nicht gegeben, lautete das Urteil vom Mittwoch. Damit haben der 52Jährige und die IG Metall verloren. Es ist ihnen durch die Klage nicht gelungen, mehr Druck auf die Branche aufzubauen, um den Crowdworkern mehr Sicherheit zu bieten.
Die Bewertung des Crowdworkings ist damit allerdings noch nicht abgeschlossen. Während die Gewerkschaften klare Leitplanken fordern, wehren sich die Anbieter gegen eine arbeitsrechtliche Regulierung. Aus Ihrer Sicht sind die Flexibilität und die geringe Bezahlung pro Job fester Teil des Geschäftsmodells. Ohne die Anpassungsfähigkeit beim
Einsatz der Heere von CrowdArbeitern wären die angeboteten Dienstleistungen nicht möglich. Zielgruppe sind nach ihrer Darstellung auch eher Leute mit Freizeit, die etwas dazuverdienen möchten, als solche, die eine Normalbeschäftigung suchen.
Die Gewerkschaften ärgern sich über diese Haltung. Für viele der Kleinarbeiter liefern die CrowdworkingSeiten heute einen wichtigen Teil des Einkommens – und wenn sie darauf angewiesen sind, sollten sie auch Schutz genießen. Wer Arbeit erledigt haben will, soll auch anständig dafür zahlen. Mit Mikrobeträgen sei es da nicht getan; zumindest sollten die Seiten den Mindestlohn zahlen. „Faire Bedingungen für die Crowd“, fordert die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Die IG Metall hat einen Leitfaden mit einem Verhaltensversprechen erstellt, den die Anbieter unterschreiben können – ist damit in der Branche aber bisher nur auf wenig Gegenliebe gestoßen.
Für die modernhippen Webseiten gehören Worte wie Arbeitsvertrag, Mindestlohn und Urlaubsanspruch in eine fremde Welt. Das Geschäft boomt derweil. Es gibt inzwischen mehrere Hundert CrowdworkingAngebote, einige davon spezialisierter als andere. Firmen wie Clickworker, Crowdguru, Amazon Mechanical Turk oder AppJobber vermitteln eine große Bandbreite von Fähigkeiten. Andere, wie Freelancermap, richten sich speziell an ITExperten.
Schnittstelle zur Jobvermittlung
Die Seite Test IO wiederum rekrutiert Leute zum Ausprobieren von Software. Andere müssen die Motive auf Fotos benennen, damit Entwickler von künstlicher Intelligenz daran die Mustererkennung trainieren können. Seiten wie Peopleperhour.com oder Dasauge.de befinden sich wiederum schon an der Schnittstelle zur herkömmlichen Jobvermittlung: Sie bieten spezialisierten Freiberuflern wie Textern oder Grafikern eine Plattform, um sich auf Projektbasis anheuern zu lassen.
Das Gericht hat nun entschieden, dass das Vertragsverhältnis beim Crowdworking am ehesten einer freiberuflichen Tätigkeit ähnelt. Dennoch unterscheidet es sich sehr von klassischen Vertretern dieser Gruppe wie Autoren oder Anwälten. Auch Begriffe wie Teilzeit, Leiharbeit, befristete Beschäftigung oder Praktikum passen alle nicht so recht. Das Crowdworking wird damit wohl zu einer eigenen Kategorie werden.