Angst, dass das Geld nicht reicht
Viele Menschen fürchten Altersarmut – Doch wer Anspruch auf Grundsicherung hat, beantragt diese oft nicht
FRANKFURT (dpa/sz) Die Angst vor Altersarmut ist groß in Deutschland: Jeder Zweite hat einer Umfrage zufolge diese Sorge – doch für die private Vorsorge fehlen nach eigener Einschätzung fast ebenso vielen Menschen die Mittel. Das sind Ergebnisse einer Umfrage der Deutschen Bank mit Unterstützung des Meinungsforschungsinstituts Ipsos, die in Frankfurt vorgestellt wurde. Demnach hat sich in weiten Teilen der Bevölkerung die Erkenntnis durchgesetzt, dass die gesetzliche Rente im Ruhestand eher nicht ausreichen wird: „Wir sehen ein ziemlich erschüttertes Vertrauen in die gesetzliche Rente“, sagte Thomas Hörter, Leiter Marktforschung Deutsche Bank.
Nur 17 Prozent der 3200 Befragten von 20 bis 65 Jahren erwarten der Umfrage zufolge aus der gesetzlichen Rente im Alter eine ausreichende Versorgung. 70 Prozent glauben dagegen, dass aus dieser Quelle nur eine Grundversorgung kommen wird. Und immerhin die Hälfte (54 Prozent) der Befragten erwartet sogar, dass das gesetzliche Rentensystem über kurz oder lang zusammenbrechen wird.
Die Deutsche Rentenversicherung erklärte am Mittwoch, die Befunde und Bewertungen im DeutscheBankVorsorgereport widersprächen den Ergebnissen repräsentativer Befragungen, die die Rentenversicherung seit Jahren regelmäßig durchführen lasse. Diesen
Befragungen zufolge sehe ein steigender Anteil der Bevölkerung die gesetzliche Rentenversicherung als ideale Form der Altersvorsorge an. Der Anteil derjenigen mit dieser Einschätzung sei von 54 Prozent 2014 auf 72 Prozent in diesem Jahr gestiegen, teilte die Rentenversicherung mit.
Womöglich werden Deutschlands Arbeitnehmer künftig allerdings noch länger arbeiten müssen, bevor sie Leistungen aus der Rentenkasse in Anspruch nehmen können. Die Bundesbank hatte kürzlich die Debatte um eine weitere Anhebung des Rentenalters auf fast 70 Jahre befeuert. Seit 2012 wird die Altersgrenze für den Bezug der gesetzlichen Rente schrittweise von 65 auf 67 Jahre im Jahr 2031 angehoben. Doch das wird nach Expertenansicht nicht ausreichen, weil ab Mitte der 2020er Jahre die geburtenstarken Jahrgänge das Rentenalter erreichen.
In der Umfrage der Deutschen Bank zeigten sich fast drei Viertel der Befragten (71 Prozent) überzeugt davon, dass private Altersvorsorge notwendig ist, um den eigenen Lebensstandard im Ruhestand halten zu können. Aktuell legen die Befragten nach eigenen Angaben im Median 50 Euro pro Monat privat fürs Alter zur Seite. Nötig wäre nach ihrer Einschätzung aber eine Sparrate in Höhe von 200 Euro.
Fast jeder Zweite (47 Prozent) in der DeutschenBankStudie gab an, er würde gerne mehr fürs Alter sparen, habe aber kein Geld übrig. Zusätzliches Hemmnis: 56 Prozent finden Produkte zur Altersvorsorge oft unverständlich, 36 Prozent halten das ganze Thema für zu komplex.
„Die Menschen stehen so ein bisschen vor einer Nebelwand“, sagte Hörter. Der ChefAnlagestratege Privat und Firmenkunden der Deutschen Bank, Ulrich Stephan, sagte, man könne das Produktangebot „möglicherweise etwas entschlacken“. Angesichts der Vielzahl individueller Bedürfnisse brauche es jedoch ein breites Angebot.
Derweil zeigt eine Auswertung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zusammen mit der BertelsmannStiftung, dass Rentner, die Anspruch auf eine Grundsicherung haben, diese oft nicht nutzen. Die Forscher vermuten eine „hohe verdeckte Altersarmut“. Schätzungsweise 625 000 Privathaushalte würden ihren Anspruch auf Sozialleistung nicht wahrnehmen. Das entspreche knapp 62 Prozent der betroffenen Senioren.
„Vielen ist das Verfahren vermutlich zu aufwendig, gerade bei kleinen Beträgen. Oder sie wissen gar nicht, dass sie den Rechtsanspruch haben“, vermutet Studienautor Hermann Buslei. Auch die Angst, als „Almosenempfänger“abgestempelt zu werden, könne eine Rolle spielen.
Durch eine vereinfachte Antragstellung und weniger Bürokratie, könnte dieses Verfahren aus Forschersicht vereinfacht werden. Außerdem müsse das Informationsangebot verbessert werden, um beispielsweise die unbegründete Angst vor einem Zugriff auf das Einkommen oder Vermögen der Kinder zu nehmen.