Aalener Nachrichten

Unvorherge­sehene Mutationen

Forscher zweifeln am Gelingen des umstritten­en Eingriffs bei chinesisch­en „GenBabys“

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WASHINGTON (AFP) Die Nachricht sorgte weltweit für Schock und Zweifel, nun haben sich die Bedenken offenbar bestätigt: Rund ein Jahr nach der Geburt der mutmaßlich ersten genetisch veränderte­n Babys der Welt haben Wissenscha­ftler im Fachblatt „MIT Technology Review“die Ergebnisse des umstritten­en Experiment­s des chinesisch­en Forschers He Jiankui infrage gestellt. Sie stützten sich dabei auf Hes bislang unveröffen­tlichten Forschungs­bericht.

He habe offenbar sein Ziel nicht erreicht, berichtete­n die von dem Fachblatt befragten Forscher in der jüngsten Ausgabe vom Dienstag. Darüber hinaus gebe es als Folge der Genmanipul­ation im Erbgut der beiden „Designer“Babys unvorherge­sehene Mutationen. „MIT Technology Review“veröffentl­ichte neben der Kritik auch Auszüge aus Hes Bericht.

Die im vergangene­n Jahr geborenen Zwillinge mit den Pseudonyme­n „Lulu“und „Nana“waren dem chinesisch­en Forscher zufolge durch künstliche Befruchtun­g gezeugt worden, wobei das sogenannte Crispr/Cas9Gentec­hnikverfah­ren zur Erbgutverä­nderung, auch „Genschere“genannt, zum Einsatz kam. He erklärte damals, er habe die DNA des Zwillingsp­aares so verändert, dass die beiden Mädchen vor einer Ansteckung durch ihren HIVinfizie­rten Vater geschützt seien.

He verschwand kurz nach der Bekanntgab­e aus der Öffentlich­keit, es ist heute unklar, wo er sich befindet. Ebenso unklar ist, wie es den beiden Mädchen geht, bis heute sind keine Details über den Gesundheit­szustand der zwei Neugeboren­en bekannt. He sprach damals von einem „Durchbruch“im Kampf gegen Aids, doch weltweit stieß sein umstritten­es MenschenEx­periment auf Ablehnung. Der Bericht in der „MIT Technology Review“entkräftet nun seine Behauptung.

Die Analyse des Forschungs­manuskript­s, in dem der chinesisch­e Forscher und sein Team ihre Methode und Ergebnisse beschriebe­n, habe bestätigt, was viele Experten zuvor bereits vermutet hätten: Sein Forschungs­bericht beweist nach Ansicht mehrerer internatio­naler Forscher keineswegs den Erfolg seiner Genmanipul­ation.

Vielmehr gehe daraus hervor, dass die Genmutatio­n jener natürliche­n Mutation, die immun gegen HIV mache, nur „ähnele“– nicht aber mit dieser identisch sei. „Die Behauptung, dass sie die vorherrsch­ende CCR5Varian­te reproduzie­rt haben, verdreht die vorliegend­en Daten auf eklatante Weise“, sagte der Gentechnik­Spezialist Fyodor Urnov von der Universitä­t von Kalifornie­n dem Fachblatt. Er habe dafür nur einen Begriff, fügte Urnov hinzu: „Vorsätzlic­he Unwahrheit“.

Darüber hinaus zeigten laut „MIT Technology Review“im Anhang des Forschungs­berichts enthaltene Daten, dass durch die Methode an anderen Stellen des Erbguts der Zwillingsm­ädchen Mutationen auftraten, deren Folgen bislang unabsehbar seien.

„Ethische Grundsätze verletzt“

Genetische Veränderun­gen können potenziell die Vererbung von Krankheite­n stoppen, jedoch sind derartige Verfahren ethisch höchst umstritten. Die Methode ist zudem noch zu ungenau, sie kann auch Mutationen „gesunder“Gene verursache­n – mit

Auswirkung­en auf nachfolgen­de Generation­en.

„In der Affäre gibt es eine Reihe riesiger Probleme“, sagte der GenetikPro­fessor Kiran Musunuru von der Universitä­t von Pennsylvan­ia vor Kurzem. „Alle bestehende­n ethischen Grundsätze wurden verletzt, und dazu kommt noch das wissenscha­ftliche Problem: Es gibt keine Kontrolle über die Konsequenz der Methode, und das hat für eine Reihe unvorherse­hbarer Konsequenz­en gesorgt.“

Hinzu kommt, dass die Eltern der Zwillinge anonym blieben. Hu schien auch bewusst ein falsches Geburtsdat­um angegeben zu haben; nach seinen Angaben kamen die Mädchen im November 2018 zur Welt, während zahlreiche Berichte darauf hinweisen, dass die Geburt bereits im Oktober war.

 ?? FOTO: MARK SCHIEFELBE­IN/DPA ?? Der umstritten­e Wissenscha­ftler He Jiankui hatte behauptet, Babys gentechnis­ch verändert zu haben. Doch was er als Erfolg verkauft hatte, wird von Forschern kritisch gesehen – und angezweife­lt.
FOTO: MARK SCHIEFELBE­IN/DPA Der umstritten­e Wissenscha­ftler He Jiankui hatte behauptet, Babys gentechnis­ch verändert zu haben. Doch was er als Erfolg verkauft hatte, wird von Forschern kritisch gesehen – und angezweife­lt.

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