Immer mehr Schulschwänzer im Kreis
233 Verfahren sind aktuell im Ostalbkreis anhängig
AALEN – Landrat Klaus Pavel hat sich nach eigenem Bekunden verwundert die Augen gerieben, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass es dieses Problem in Deutschland gibt: Schule schwänzen. Dies ist nicht nur ein Thema im Kreis, es wird sogar immer größer, wie die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses des Kreistags in ihrer jüngsten Sitzung erfuhren. 233 Verfahren wegen Schulschwänzens sind jetzt schon im Ostalbkreis anhängig, das sind so viele wie im ganzen vergangenen Jahr. Dies teilte der Fachbereichsleiter Roland Schlipf vom Geschäftsbereich Jugend und Familie dem Gremium mit.
Schulabsentismus lautet der Fachbegriff und dahinter steckt nach den Worten des Landrats eine besorgniserregende Entwicklung. Fünf bis zehn Prozent der Schüler fehlten regelmäßig, ergänzte Schlipf, die Ursachen seien jedoch nicht klar. Sicher spielten die Individualisierung der Gesellschaft und die Prekarisierung, also die Zunahme von schlecht bezahlten Arbeitsplätzen, eine Rolle.
Es gebe Hochbegabte, die die Schule schwänzten, oder Schülerinnen und Schüler, die einen oder zwei Tage vor Ferienbeginn nicht mehr zur Schule gingen.
Um gegen das Schwänzen anzugehen, haben daher der Landkreis, die Polizei und die drei Großen Kreisstädte Aalen, Gmünd und Ellwangen eine Vereinbarung geschlossen. Schulschwänzen, heißt es dort, sei in der Regel ein Prozess, der mit Schulunlust oder Schulangst begonnen und sich über gelegentliches Zuspätkommen und Fehlen fortgesetzt habe bis zum sich verfestigten dauerhaften Fernbleiben. Trotz augenscheinlich einheitlicher Symptome stünden hinter dem Schwänzen sehr vielschichtige und zum Teil gegensätzliche Entstehungsbedingungen wie Entmutigung, fehlende Sinnhaftigkeit, Ängste oder eine schwierige familiäre Situation. Es könnte aber auch Begleiterscheinung einer allgemein auffälligen Persönlichkeitsentwicklung sein.
Die Folgen seien oft individuell und gesellschaftlich sehr weitreichend. Zum Beispiel, sagte Schlipf im Ausschuss, sei der Übergang ins Berufsleben dadurch erschwert. Daher müsse an den Schulen ein Willkommensklima herrschen. Sie müssten bei ersten Anzeichen das Gespräch suchen und unter Umständen die schulpsychologische Beratungsstelle einschalten. Es gehe nicht um Strafe, sondern darum, das Verhalten abzustellen. Diesem Ziel dient auch die Vereinbarung von Kreis, Großen Kreisstädten und Polizei. In ihr ist genau festgelegt, wie vorzugehen ist, wenn Schüler die Schule schwänzen. Erste Ansprechpartner sind Schule und Eltern, die Ordnungsbehörde kann aber auch die Polizei einschalten.
Landrat appelliert an die Eltern
Der Landrat richtete einen Appell an alle Eltern. In einem hoch zivilisierten Land wie Deutschland sei es eine Schande, sein Kind nicht zur Schule zu schicken. Es werde für sein ganzes Leben geschädigt, denn das Gegenteil von Bildung sei Dummheit. Pavel: „Und die ist verhinderbar. Das ist das Schlimmste, was man einem Kind antun kann!“Zur Erziehung gehöre auch eine klare Ansage über das, was für die Zukunftsfähigkeit eines Kindes notwendig sei.
Schockiert über die hohen Zahlen äußerte sich Manfred Fischer (CDU). Dieses Thema berühre aber nicht nur die Großen Kreisstädte, es brauche ein einheitliches Vorgehen im gesamten Kreis. Schwänzen verursache auch Folgekosten für die Gesellschaft, weswegen die Prävention in Form von Schulsozialarbeit wichtig sei. Der Landrat versprach, das Schulschwänzen auch zum Thema einer BürgermeisterRunde zu machen.
Bernhard Ritter (Freie Wähler) sagte aus seiner Erfahrung als ehemaliger Schulleiter, wichtig sei eine schnelle und verbindliche Reaktion, sonst fühlten sich die Schüler darin bestärkt, weiterhin nicht zur Schule zu gehen.Die Polizei habe ein Auge auf die Schwänzer, berichtete Hans Buchinger, der Leiter des Polizeireviers Aalen. Kontrollen habe es bereits in Aalen und Gmünd gegeben und die Polizei habe sofort reagiert. Sie könne allerdings nicht immer kontrollieren. Kommentar des Landrats: „Wir schauen zu oft weg statt hin. Wir müssen im guten Sinn besser aufeinander aufpassen!“