Schweigen ist nicht immer Gold
Auf der Suche nach dem richtigen Abschied: Lulu Wangs „The Farewell“
Die junge, chinesisch-stämmige New Yorkerin Billi (Awkwafina) ist enttäuscht, weil es mit dem erhofften Guggenheim-Stipendium nicht geklappt hat. Aber diese Sorgen werden schnell in den Hintergrund rücken, denn auch die Eltern haben schlechte Nachrichten. Die Großmutter in China (Shuzhen Zhao) ist sterbenskrank, die Ärzte geben ihr noch drei Monate. Die alte Dame selbst weiß nichts von ihrem kritischen Zustand, die Verwandten verschweigen ihr die Diagnose. Damit die Familie Abschied von Nai Nai nehmen kann, nutzt man die kurzfristig anberaumte Hochzeit eines Cousins als Vorwand für ein letztes, großes Fest. Für die westlich sozialisierte Billi ist es völlig unverständlich, dass man ihre über alles geliebte Oma im Unklaren lässt. „Nicht der Krebs bringt die Leute um, die Angst tut es“, entgegnet ihre Mutter.
Billi reist ihren Eltern entgegen deren Wunsch nach China hinterher. Sie erlebt eine Nai Nai, die völlig in den Hochzeitsvorbereitungen aufgeht und sich um jedes Detail kümmert. Hummer soll aufgetischt werden und der Champagner soll in Strömen fließen. Doch zwei Tage vor dem Fest geht es Nai Nai plötzlich schlechter.
Will man wirklich wissen, dass man todkrank ist, oder sollte man die verbleibende Zeit lieber noch so lange wie möglich unbeschwert genießen dürfen? Nach dem Bekunden von Filmemacherin Lulu Wang basiert „The Farewell“auf einer „wahren Lüge“. Ein Fall in ihrer eigenen Familie inspirierte sie zum dem Drehbuch.
Kürzlich wurde das fertige Werk für den Golden Globe als „Bester fremdsprachiger Film“nominiert, weil die Familie in der US-Produktion größtenteils auf Mandarin kommuniziert. Auch die junge Hauptdarstellerin
Nora Lum, die sich als Rapperin Awkwafina einen Namen gemacht hat, darf auf einen Preis als „Beste Schauspielerin“in einer Komödie oder einem Musical hoffen. Gesungen wird zwar in dieser Geschichte, und zwar schlecht, aber ein Musical ist sie nicht. Und auch der Humor steht nicht soweit im Vordergrund, um den Film Komödie zu nennen. Was Lulu Wang in intensive Bilder verpackt, ist eine vielschichtige Story über die östliche und die westliche Kultur und alles verbindende Familienwerte. In einer Zeit, in der man China gern misstrauisch beäugt, trägt dieser Streifen dazu bei, unterschiedliche gesellschaftliche Konventionen zu hinterfragen, aber auch zu respektieren.
The Farewell. Regie: Lulu Wang. USA 2019. 100 Minuten. FSK: ab 0. Mit Zhao Shuzhen, Awkwafina (Nora Lum), X M.