Aalener Nachrichten

Schweigen ist nicht immer Gold

Auf der Suche nach dem richtigen Abschied: Lulu Wangs „The Farewell“

- Von Andre Wesche

Die junge, chinesisch-stämmige New Yorkerin Billi (Awkwafina) ist enttäuscht, weil es mit dem erhofften Guggenheim-Stipendium nicht geklappt hat. Aber diese Sorgen werden schnell in den Hintergrun­d rücken, denn auch die Eltern haben schlechte Nachrichte­n. Die Großmutter in China (Shuzhen Zhao) ist sterbenskr­ank, die Ärzte geben ihr noch drei Monate. Die alte Dame selbst weiß nichts von ihrem kritischen Zustand, die Verwandten verschweig­en ihr die Diagnose. Damit die Familie Abschied von Nai Nai nehmen kann, nutzt man die kurzfristi­g anberaumte Hochzeit eines Cousins als Vorwand für ein letztes, großes Fest. Für die westlich sozialisie­rte Billi ist es völlig unverständ­lich, dass man ihre über alles geliebte Oma im Unklaren lässt. „Nicht der Krebs bringt die Leute um, die Angst tut es“, entgegnet ihre Mutter.

Billi reist ihren Eltern entgegen deren Wunsch nach China hinterher. Sie erlebt eine Nai Nai, die völlig in den Hochzeitsv­orbereitun­gen aufgeht und sich um jedes Detail kümmert. Hummer soll aufgetisch­t werden und der Champagner soll in Strömen fließen. Doch zwei Tage vor dem Fest geht es Nai Nai plötzlich schlechter.

Will man wirklich wissen, dass man todkrank ist, oder sollte man die verbleiben­de Zeit lieber noch so lange wie möglich unbeschwer­t genießen dürfen? Nach dem Bekunden von Filmemache­rin Lulu Wang basiert „The Farewell“auf einer „wahren Lüge“. Ein Fall in ihrer eigenen Familie inspiriert­e sie zum dem Drehbuch.

Kürzlich wurde das fertige Werk für den Golden Globe als „Bester fremdsprac­higer Film“nominiert, weil die Familie in der US-Produktion größtentei­ls auf Mandarin kommunizie­rt. Auch die junge Hauptdarst­ellerin

Nora Lum, die sich als Rapperin Awkwafina einen Namen gemacht hat, darf auf einen Preis als „Beste Schauspiel­erin“in einer Komödie oder einem Musical hoffen. Gesungen wird zwar in dieser Geschichte, und zwar schlecht, aber ein Musical ist sie nicht. Und auch der Humor steht nicht soweit im Vordergrun­d, um den Film Komödie zu nennen. Was Lulu Wang in intensive Bilder verpackt, ist eine vielschich­tige Story über die östliche und die westliche Kultur und alles verbindend­e Familienwe­rte. In einer Zeit, in der man China gern misstrauis­ch beäugt, trägt dieser Streifen dazu bei, unterschie­dliche gesellscha­ftliche Konvention­en zu hinterfrag­en, aber auch zu respektier­en.

The Farewell. Regie: Lulu Wang. USA 2019. 100 Minuten. FSK: ab 0. Mit Zhao Shuzhen, Awkwafina (Nora Lum), X M.

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FOTO: CASI MOSS/DCM/DPA Billi (Awkwafina, rechts) liebt ihre Nai Nai (Zhao Shuzhen) sehr. Umso schwerer fällt der Abschied von ihr.

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