Ein Christkind als schönstes Weihnachtsgeschenk
Schon vielen Babys half die Hebamme Gabriele Holder-Schabert an Heiligabend auf die Welt
- „Ihr Kinderlein kommet.“Dieses Weihnachtslied hat Gabriele Holder-Schabert an Heiligabend schon oft gesungen. Allerdings nicht wie die meisten zu Hause unterm Weihnachtsbaum, sondern im Kreißsaal des Ostalb-Klinikums. Und ihre singende Bitte wurde jedes Jahr erhört. Die Kinder sind gekommen. Allein 2008 erblickten acht Christkinder das Licht der Welt.
Wenige Tage vor dem Heiligen Abend geht es in der Frauenklinik des Ostalb-Klinikums rund. Am Freitagmorgen sind alle Kreißsäle belegt. 1542 Babys (Stand Freitagmorgen) wurden in diesem Jahr hier bereits geboren, sagt Gabriele Holder-Schabert. Und dies sei ein absoluter Rekord. Rekordverdächtig ist auch die Zahl an neuen Erdenbürgern, die dank ihrer Hilfe in den vergangenen 30 Jahren das Licht der Welt erblickt haben. Denn so lange ist die rührige, engagierte und gut gelaunte 56-jährige Hebamme bereits am Ostalb-Klinikum. Zehn Jahre lang war sie hier auch die Leiterin des Kreißsaals. In dieser Zeit gingen 2500 Entbindungen auf ihr Konto.
20 Mal an Heiligabend auf Station Wie viele Neugeborene an Heiligabend unter ihrer Regie bereits zur Welt gekommen sind, kann sie nicht sagen, obwohl sie jedes Jahr ein Geburtenbuch führt. Es waren auf jeden Fall sehr viele, sagt Holder-Schabert. In ihrer 36-jährigen Tätigkeit als Hebamme – sechs Jahre arbeitete sie an der Frauenklinik in Würzburg, in der sie auch ihre Ausbildung absolvierte – habe sie nahezu 20 Heiligabende auf der Station verbracht. Und wenn nicht in der Christnacht, dann in der Neujahrsnacht oder in ihrer Zeit als Kreißsaal-Leiterin am Ostalb-Klinikum sogar an beiden Tagen.
Eine Geburt ist nicht planbar Bereits Tage vor Weihnachten herrscht in der Frauenklinik eine besinnliche Atmosphäre. Damit sich die werdenden Mütter wohlfühlen, ist alles liebevoll geschmückt. An der Anmeldung im Bereich der Kreißsäle stehen ein Adventsgesteck und weitere weihnachtliche Deko, am Fenster stimmt ein Christbaum auf Weihnachten ein. An jeder Kreißsaaltür hängt auch ein glitzernder Weihnachtsstern. Wie viele Christkinder in den Geburtsräumen in diesem Jahr an Heiligabend zur Welt kommen, ist nicht abzusehen, sagt die in Pflaumloch bei Bopfingen lebende Hebamme. Eine Geburt sei nicht planbar. Erst in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch vergangene Woche habe sie eine Entbindung gehabt, für die der Termin eigentlich erst für den 24. Dezember vorgesehen gewesen sei.
Die natürliche Geburt liegt der Hebamme am Herzen. Auch aufgrund der Erfahrung, die sie bei der Entbindung ihrer beiden Töchter Sandra (33) und Nora (24) gemacht habe. Beide habe sie per Kaiserschnitt zur Welt bringen müssen. Einen solchen vertrete sie in ihrer Tätigkeit als Hebamme nur, wenn das Kind nicht auf natürlichem Weg zur Welt kommen kann und es Komplikationen gibt. Neugeborene, die ohne Kaiserschnitt das Licht der Welt erblicken, haben einen besseren Start ins Leben und weitaus weniger Allergien, sagt die 56-Jährige. Darüber hinaus sei die Bindung zwischen Mutter und Kind sehr viel enger. In ihren vielen Jahren als Hebamme sei es ihr gelungen, Müttern die Angst vor einer natürlichen Geburt zu nehmen. Und dafür seien ihnen diese auch dankbar gewesen, sagt Holder-Schabert und erinnert sich an eine Lehrerin aus Bopfingen. Ihrem Kind hat die Hebamme vor vielen Jahren in der Nacht auf ihren Geburtstag am 11. Mai zur Welt geholfen. Seither besucht sie die Frau jedes Jahr an ihrem Jubeltag.
An Heiligabend zu arbeiten, habe der 56-Jährigen in den vergangenen Jahrzehnten nie etwas ausgemacht. Im Gegenteil: An dem Tag, an dem auch das Jesuskind geboren wurde, einem neuen Erdenbürger auf die Welt zu helfen, sei etwas Besonderes. An Heiligabend herrsche eine ganz besondere Atmosphäre und die werdenden Eltern seien vom Herz her sehr offen. Zumindest diejenigen, die ihr erstes Kind erwarten und sich auf dieses ganz persönliche Weihnachtsgeschenk freuten. Manche MehrfachEltern seien indes nicht ganz so begeistert, wenn die Wehen der werdenden Mutter an Heiligabend die Geburt des Kindes ankündigen. Mitunter sei dies auch verständlich, da die Geschwisterchen deshalb ohne ihre Eltern den Heiligabend verbringen müssen, sagt Holder-Schabert. So manche Eltern fänden es auch schade, dass das Neugeborene die kommenden Jahre mit Geschenken zu kurz kommt, da ja dessen Geburtstag auf den Heiligen Abend fällt. Das sei doch aber Nebensache. „Hauptsache, das Kind kommt gesund und munter zur Welt“, sagt die Hebamme. Das sei keine Selbstverständlichkeit und „liegt nicht in unserer Hand“.
Besuch vom Christkind
Ihre Familie habe immer Verständnis für ihren Beruf gehabt. Oftmals musste sie den Heiligen Abend ohne sie verbringen. Für ihre beiden Kinder sei das allerdings nicht schlimm gewesen. „Mein Mann und ich haben den Tag immer so organisiert, dass bereits am Nachmittag die Bescherung war.“„Und wenn ich dann zur Nachtschicht ins Ostalb-Klinikum gefahren bin, habe ich zu meinen Töchtern gesagt, dass die Mama jetzt auch Besuch von einem Christkind bekommt.“Die Rede von einem Christkind sei manchmal allerdings untertrieben gewesen. Denn sage und schreibe acht Christkinder wurden 2008 geboren. Das sei ein Ereignis gewesen, das keiner auf der Station je vergessen wird, sagt die 56-Jährige, die neben ihres Angestelltenverhältnisses am Ostalb-Klinikum in der Bopfinger Klinik am Ipf über die Elternschule Kurse zur Geburtsvorbereitung und Rückbildung gibt.
Einem neuen Leben zur Welt helfen Holder-Schabert ist wie ihre Kolleginnen, die sich am 24. Dezember sowie in der Silvesternacht und Neujahr drei Schichten teilen, mit Leib und Seele Hebamme. Die Entscheidung, im Gesundheitsbereich Fuß zu fassen, ist vielleicht auch der Tätigkeit ihrer Eltern geschuldet. Ihre Mutter war OP-Schwester und ihr Vater ehrenamtlicher Sanitäter. Nach ihrem Abschluss in der Realschule in Bopfingen absolvierte sie jeweils ein Jahr lang ein Praktikum am Ostalb-Klinikum, im Stiftungskrankenhaus in Nördlingen und in der Ellwanger Virngrundklinik auf allen Stationen. Der Wunsch, bei einer Geburt eines neuen Lebens dabei zu sein und zu helfen, habe sie allerdings bereits als kleines Kind gehabt. In den Beruf hineingeschnuppert habe sie als Schülerin bei der Hebamme, die ihr und ihrem Zwillingsbruder auf die Welt geholfen hat.
Bredla als Dankeschön
Zu vielen Christkindern und deren Eltern hat die 56-Jährige heute noch Kontakt. Zu Weihnachten erreichten sie Grußkarten oder selbst gebackene Bredla. In diesem Jahr arbeitet HolderSchabert an Heiligabend nicht. Ihren Einsatz hat sie erst an Silvester und wird, sofern es ruhig ist, den Jahreswechsel mit ihren Kollegen verbringen. Bei einem alkoholfreien Sekt und kulinarischen Besonderheiten, die die Hebammen und die diensthabenden Ärzte aus ihrem jeweiligen Kulturkreis mitbringen. Und wenn an Mitternacht die Raketen zum Himmel steigen, geht vielleicht auch der Neujahrswunsch von Holder-Schabert, bald selbst Großmutter zu werden und möglicherweise ihrem eigenen Enkel auf die Welt helfen zu dürfen, in Erfüllung.
Den heutigen Heiligen Abend feiert sie gemeinsam mit ihren beiden Töchtern und ihrem Ehemann zu Hause. Dass dieser nach seiner schweren Herz-Operation überlebt hat, sei das größte Geschenk, das ihr das Christkind habe machen können.
„Hauptsache, das Kind kommt gesund und munter zur Welt“, sagt Gabriele Holder-Schabert.
„An Heiligabend ist ein besonderer Zauber spürbar“, sagt die Hebamme.