Rüstungsexporte in Rekordhöhe
Neuer Höchststand bei den Genehmigungen wird von der Opposition empört kommentiert
(AFP) - Die Bundesregierung hat im Jahr 2019 Rüstungsexporte in Rekordhöhe genehmigt. Wie aus einer Regierungsantwort auf eine Linken-Anfrage hervorgeht, lag das Volumen der genehmigten Exporte Mitte Dezember bei rund 7,95 Milliarden Euro. Der bisherige Rekordwert für ein gesamtes Jahr war mit 7,86 Milliarden Euro im Jahr 2015 erreicht worden. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen sagte, besorgniserregend sei insbesondere der Anstieg von Rüstungsexporten in Krisenländer. Dem Wirtschaftsministerium zufolge wurden bis Mitte Dezember Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter im Wert von rund 3,5 Milliarden Euro an Drittländer genehmigt, im Wert von 3,1 Milliarden Euro an EU-Länder und im Wert von 1,3 Milliarden Euro an Nato- und Nato-gleichgestellte Länder.
G(dpa) - Nach drei Jahren Rückgang haben die von der Bundesregierung genehmigten Rüstungsexporte 2019 einen neuen Rekordwert erreicht. Der bisherige Höchststand aus dem Jahr 2015 wurde mit 7,95 Milliarden Euro bereits bis zum 15. Dezember knapp übertroffen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das schon vor Jahresende eine Steigerung um 65 Prozent. Die mit Abstand umfangreichsten Lieferungen wurden mit 1,77 Milliarden Euro für den EU- und Nato-Partner Ungarn genehmigt, vor Algerien (843 Millionen Euro), Ägypten (802 Millionen Euro) und den USA (651 Millionen Euro).
Die Zahlen gehen aus Antworten des Wirtschaftsministeriums auf Anfragen der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (Linke) und
Omid Nouripour (Grüne) hervor. Nach dem Rekordjahr 2015 mit Exportgenehmigungen im Wert von 7,86 Milliarden Euro hatte es einen kontinuierlichen Abwärtstrend gegeben. Seit Anfang 2019 zeigte die Kurve aber wieder steil nach oben. Bereits zur Jahreshälfte übertrafen die Ausfuhrerlaubnisse mit 5,3 Milliarden Euro die des gesamten Vorjahres. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) begründete das mit der langen Hängepartie bei der Regierungsbildung nach der Wahl 2017, durch die ein Entscheidungsstau entstanden sei. Hier die wichtigsten Einzelheiten aus der Exportstatistik bis zum 15. Dezember:
Der Anteil der besonders umstrittenen Exporte in sogenannte Drittländer, die weder der Europäischen Union noch der Nato angehören oder mit diesen gleichbehandelt werden (wie etwa Australien), ging in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr zwar von 52,9 auf 44,2 Prozent zurück. Die absolute Zahl stieg allerdings um fast eine Milliarde Euro an. Unter den zehn wichtigsten Empfängerländern befinden sich fünf solche Drittländer.
Mit Ägypten auf Platz 3 und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) auf Platz 8 (257 Millionen Euro) sind zwei Gründungsmitglieder der von Saudi-Arabien geführten Kriegsallianz im Jemen dabei, die dort gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen kämpft. Inzwischen haben sich die VAE aber mit Saudi-Arabien überworfen und den Abzug ihrer Truppen aus dem Jemen angekündigt. Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag im März 2018 vorgenommen, Exporten an die „unmittelbar“am JemenKrieg beteiligten Staaten einen Riegel vorzuschieben. Es wurden aber Ausnahmen zugelassen und ein kompletter Exportstopp nach der Ermordung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi nur gegen Saudi-Arabien verhängt.
Unter den Top Ten befinden sich neben den VAE, Ägypten und Algerien mit Katar auf Platz 9 (236 Millionen Euro) und Indonesien auf Platz 10 (201
Millionen Euro) zwei weitere Staaten, die wegen ihrer Menschenrechtspolitik in der Kritik sind. Auf den Plätzen 5, 6 und 7 stehen Großbritannien (474 Millionen Euro), Südkorea (371 Millionen Euro) und Australien (303 Millionen Euro).
Fast ein Viertel aller Exportgenehmigungen wurde für Ungarn erteilt. Dessen rechtsnationale Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban rüstet derzeit massiv auf und will die Verteidigungsausgaben verdoppeln.
Wirtschaftsstaatssekretär Ulrich Nußbaum weist in einer der beiden Antworten darauf hin, „dass die Summe der Genehmigungswerte eines Berichtszeitraums allein kein tauglicher Gradmesser für eine bestimmte Rüstungsexportpolitik ist“. Die Art der exportierten Güter und der Verwendungszweck müssten berücksichtigt werden. Die Spanne reicht tatsächlich vom Minenräumgerät und Sanitätsfahrzeug bis zum Kampfpanzer und Kriegsschiff. Über einzelne Geschäfte gibt die Bundesregierung aber im Detail keine Auskunft,
um Rückschlüsse auf die Kaufpreise zu verhindern. Deswegen ist eine umfassende Bewertung der Statistik kaum möglich.
Nußbaum betont, dass die Bundesregierung weiterhin eine „restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik“betreibe. Die Linken-Außenexpertin Sevim Dagdelen sieht das anders. „Diese dramatischen Zahlen zeigen, dass das ganze System der Exportkontrolle schlicht nicht funktioniert“, sagt sie und bekräftigt die Forderung der Linken nach einem Rüstungsexportverbot.
Auch die Grünen-Rüstungsexpertin Katja Keul moniert, dass der starke Anstieg nach all den Ankündigungen einer restriktiveren Exportpolitik kaum zu erklären sei. „Wir brauchen endlich ein Rüstungsexportkontrollgesetz, das die Bundesregierung verpflichtet, eine außenund sicherheitspolitische Begründung für ihre Entscheidungen zu liefern“, fordert sie.
Aber auch in der SPD dürfte der Rüstungsexport-Rekord nicht gut ankommen. Die neue Parteiführung will auch in der Außen- und Verteidigungspolitik Akzente setzen – mit militärischer Zurückhaltung. Die Bundestagsfraktion der Sozialdemokraten hat erst kurz vor Weihnachten ein Positionspapier beschlossen, das eine weitere drastische Einschränkung der Rüstungsexporte bedeuten würde.
Und was sagt die Industrie? Auch sie reagiert nicht mit Jubelstürmen auf den Rekord, sondern äußert sich zurückhaltend. Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie weist darauf hin, dass er die Rüstungsexportentscheidungen der Regierung als Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik stets respektiere. Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien warnt aber auch vor zusätzlichen Einschränkungen, gerade mit Blick auf Kooperationen mit europäischen Bündnispartnern. „Hier sollte sich Deutschland nicht durch eine noch restriktivere Politik ins Abseits stellen.“