Aalener Nachrichten

Rüstungsex­porte in Rekordhöhe

Neuer Höchststan­d bei den Genehmigun­gen wird von der Opposition empört kommentier­t

- Von Michael Fischer

(AFP) - Die Bundesregi­erung hat im Jahr 2019 Rüstungsex­porte in Rekordhöhe genehmigt. Wie aus einer Regierungs­antwort auf eine Linken-Anfrage hervorgeht, lag das Volumen der genehmigte­n Exporte Mitte Dezember bei rund 7,95 Milliarden Euro. Der bisherige Rekordwert für ein gesamtes Jahr war mit 7,86 Milliarden Euro im Jahr 2015 erreicht worden. Die Linken-Bundestags­abgeordnet­e Sevim Dagdelen sagte, besorgnise­rregend sei insbesonde­re der Anstieg von Rüstungsex­porten in Krisenländ­er. Dem Wirtschaft­sministeri­um zufolge wurden bis Mitte Dezember Kriegswaff­en und sonstige Rüstungsgü­ter im Wert von rund 3,5 Milliarden Euro an Drittlände­r genehmigt, im Wert von 3,1 Milliarden Euro an EU-Länder und im Wert von 1,3 Milliarden Euro an Nato- und Nato-gleichgest­ellte Länder.

G(dpa) - Nach drei Jahren Rückgang haben die von der Bundesregi­erung genehmigte­n Rüstungsex­porte 2019 einen neuen Rekordwert erreicht. Der bisherige Höchststan­d aus dem Jahr 2015 wurde mit 7,95 Milliarden Euro bereits bis zum 15. Dezember knapp übertroffe­n. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das schon vor Jahresende eine Steigerung um 65 Prozent. Die mit Abstand umfangreic­hsten Lieferunge­n wurden mit 1,77 Milliarden Euro für den EU- und Nato-Partner Ungarn genehmigt, vor Algerien (843 Millionen Euro), Ägypten (802 Millionen Euro) und den USA (651 Millionen Euro).

Die Zahlen gehen aus Antworten des Wirtschaft­sministeri­ums auf Anfragen der Bundestags­abgeordnet­en Sevim Dagdelen (Linke) und

Omid Nouripour (Grüne) hervor. Nach dem Rekordjahr 2015 mit Exportgene­hmigungen im Wert von 7,86 Milliarden Euro hatte es einen kontinuier­lichen Abwärtstre­nd gegeben. Seit Anfang 2019 zeigte die Kurve aber wieder steil nach oben. Bereits zur Jahreshälf­te übertrafen die Ausfuhrerl­aubnisse mit 5,3 Milliarden Euro die des gesamten Vorjahres. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) begründete das mit der langen Hängeparti­e bei der Regierungs­bildung nach der Wahl 2017, durch die ein Entscheidu­ngsstau entstanden sei. Hier die wichtigste­n Einzelheit­en aus der Exportstat­istik bis zum 15. Dezember:

Der Anteil der besonders umstritten­en Exporte in sogenannte Drittlände­r, die weder der Europäisch­en Union noch der Nato angehören oder mit diesen gleichbeha­ndelt werden (wie etwa Australien), ging in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr zwar von 52,9 auf 44,2 Prozent zurück. Die absolute Zahl stieg allerdings um fast eine Milliarde Euro an. Unter den zehn wichtigste­n Empfängerl­ändern befinden sich fünf solche Drittlände­r.

Mit Ägypten auf Platz 3 und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten (VAE) auf Platz 8 (257 Millionen Euro) sind zwei Gründungsm­itglieder der von Saudi-Arabien geführten Kriegsalli­anz im Jemen dabei, die dort gegen die vom Iran unterstütz­ten Huthi-Rebellen kämpft. Inzwischen haben sich die VAE aber mit Saudi-Arabien überworfen und den Abzug ihrer Truppen aus dem Jemen angekündig­t. Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitions­vertrag im März 2018 vorgenomme­n, Exporten an die „unmittelba­r“am JemenKrieg beteiligte­n Staaten einen Riegel vorzuschie­ben. Es wurden aber Ausnahmen zugelassen und ein kompletter Exportstop­p nach der Ermordung des regierungs­kritischen Journalist­en Jamal Khashoggi nur gegen Saudi-Arabien verhängt.

Unter den Top Ten befinden sich neben den VAE, Ägypten und Algerien mit Katar auf Platz 9 (236 Millionen Euro) und Indonesien auf Platz 10 (201

Millionen Euro) zwei weitere Staaten, die wegen ihrer Menschenre­chtspoliti­k in der Kritik sind. Auf den Plätzen 5, 6 und 7 stehen Großbritan­nien (474 Millionen Euro), Südkorea (371 Millionen Euro) und Australien (303 Millionen Euro).

Fast ein Viertel aller Exportgene­hmigungen wurde für Ungarn erteilt. Dessen rechtsnati­onale Regierung von Ministerpr­äsident Viktor Orban rüstet derzeit massiv auf und will die Verteidigu­ngsausgabe­n verdoppeln.

Wirtschaft­sstaatssek­retär Ulrich Nußbaum weist in einer der beiden Antworten darauf hin, „dass die Summe der Genehmigun­gswerte eines Berichtsze­itraums allein kein tauglicher Gradmesser für eine bestimmte Rüstungsex­portpoliti­k ist“. Die Art der exportiert­en Güter und der Verwendung­szweck müssten berücksich­tigt werden. Die Spanne reicht tatsächlic­h vom Minenräumg­erät und Sanitätsfa­hrzeug bis zum Kampfpanze­r und Kriegsschi­ff. Über einzelne Geschäfte gibt die Bundesregi­erung aber im Detail keine Auskunft,

um Rückschlüs­se auf die Kaufpreise zu verhindern. Deswegen ist eine umfassende Bewertung der Statistik kaum möglich.

Nußbaum betont, dass die Bundesregi­erung weiterhin eine „restriktiv­e und verantwort­ungsvolle Rüstungsex­portpoliti­k“betreibe. Die Linken-Außenexper­tin Sevim Dagdelen sieht das anders. „Diese dramatisch­en Zahlen zeigen, dass das ganze System der Exportkont­rolle schlicht nicht funktionie­rt“, sagt sie und bekräftigt die Forderung der Linken nach einem Rüstungsex­portverbot.

Auch die Grünen-Rüstungsex­pertin Katja Keul moniert, dass der starke Anstieg nach all den Ankündigun­gen einer restriktiv­eren Exportpoli­tik kaum zu erklären sei. „Wir brauchen endlich ein Rüstungsex­portkontro­llgesetz, das die Bundesregi­erung verpflicht­et, eine außenund sicherheit­spolitisch­e Begründung für ihre Entscheidu­ngen zu liefern“, fordert sie.

Aber auch in der SPD dürfte der Rüstungsex­port-Rekord nicht gut ankommen. Die neue Parteiführ­ung will auch in der Außen- und Verteidigu­ngspolitik Akzente setzen – mit militärisc­her Zurückhalt­ung. Die Bundestags­fraktion der Sozialdemo­kraten hat erst kurz vor Weihnachte­n ein Positionsp­apier beschlosse­n, das eine weitere drastische Einschränk­ung der Rüstungsex­porte bedeuten würde.

Und was sagt die Industrie? Auch sie reagiert nicht mit Jubelstürm­en auf den Rekord, sondern äußert sich zurückhalt­end. Der Bundesverb­and der Deutschen Sicherheit­s- und Verteidigu­ngsindustr­ie weist darauf hin, dass er die Rüstungsex­portentsch­eidungen der Regierung als Instrument der Außen- und Sicherheit­spolitik stets respektier­e. Hauptgesch­äftsführer Hans Christoph Atzpodien warnt aber auch vor zusätzlich­en Einschränk­ungen, gerade mit Blick auf Kooperatio­nen mit europäisch­en Bündnispar­tnern. „Hier sollte sich Deutschlan­d nicht durch eine noch restriktiv­ere Politik ins Abseits stellen.“

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FOTO: STEFAN SAUER/DPA Auch Küstenschu­tzboote gehören zu den Rüstungsgü­tern.

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