Ein gutes Gewissen ist teuer
Darf ’s ein bisschen mehr sein?“Seit zwei Jahren antworten die Deutschen an der Metzgertheke „Nein“. Seither sinkt der Verbrauch für Fleisch leicht. Das gilt ebenso für Milchprodukte. Tierschützer jubeln. Trägt der Trend doch aus ihrer Sicht dazu bei, dass die industrielle Landwirtschaft an Boden verliert – mit all ihren Schattenseiten für Tiere, Umwelt und Klima. Soll Deutschland also die Auflagen für Tierhalter maximal erhöhen? Um mit gutem Gewissen sagen zu können: „Bei uns geht es Rindern, Schweinen und Hühnern viel besser als anderswo.“
Falsch. Warum, illustriert die Debatte um sinkende Kälberpreise. Letztlich sind sie Resultat eines Systems, das nur auf die Kundenwünsche und möglichst billige Ware ausgerichtet ist. Kühe bekommen Kälber, diese werden am Tag der Geburt von der Mutter getrennt. Selbst auf den nach strengen Kriterien wirtschaftenden Demeterhöfen ist das erlaubt. Die Mutterkuh produziert Milch, überschüssige Kälber wandern in Mastbetriebe. Die für die Milchproduktion hochgezüchteten Tiere eignen sich aber kaum für den deutschen Markt, da will der Kunde den Braten fleischbildender Rassen. Andere Haltungsformen sind möglich, doch bedeuten mehr Aufwand und mehr Kosten – und damit höhere Preise, die zu wenige Menschen zahlen.
Wer dieses nicht tiergerechte System ablehnt, lebt vegan. Oder fordert strengere Vorschriften fürs Tierwohl. Doch es reicht nicht, wenn Deutschland sich zum Regelweltmeister krönt. Die Probleme verlagern sich damit nur in Staaten, in denen die Auflagen niedriger sind. Heimische Bauern geben auf. Natürlich müssen Staaten wie Deutschland vorangehen und zeigen: Viehwirtschaft im Einklang mit Tierwohl und Klimaschutz ist möglich. Wer aber soll den Beweis antreten, wenn nicht heimische Landwirte? Unterstützt von Verbrauchern, die ihnen den Mehraufwand für Tiere und Umwelt zahlen. Es braucht Lösungen, die regionale, naturnahe Landwirtschaft erhalten, nicht flächendeckend unmöglich machen. Auch, wenn das beim Tierschutz übergangsweise heißt: „Darf’s ein bisschen weniger sein als die Maximalforderung?“