Aalener Nachrichten

Unter Beschuss

Die Gründung von Heckler & Koch jährt sich zum 70. Mal – Der Waffenbaue­r steht vor einem entscheide­nden Jahr

- Von Wolf von Dewitz

(dpa) - Managern aus der Waffenbran­che ist eins besonders wichtig: fernab der Öffentlich­keit gute Geschäfte zu machen. „Je weniger wir in den Medien sind, desto besser – denn da können wir nur verlieren“, sagte ein Vorstandsm­itglied des Schwarzwäl­der Sturmgeweh­r-Fabrikante­n Heckler & Koch (H&K) vor einigen Jahren. So gesehen hätte es 2019 für die Firma kaum schlechter laufen können: Ein Prozess ging medienwirk­sam verloren, und nun sorgt ein Machtkampf zwischen zwei Großaktion­ären für Aufsehen. Am Samstag wird die Firma 70 Jahre alt – so wirklich Anlass zum Feiern ist das mit Blick auf die aktuelle Situation aber nicht.

Sorgenfalt­en gibt es bei einem Blick in die Bücher. Die Geschäfte an sich laufen zwar gar nicht mal schlecht – die Auftragsbü­cher sind voll, der Umsatz zog an und zuletzt wurden nach zwei Verlustjah­ren wieder kleine Quartalsge­winne eingefahre­n. Doch das Problem des 237 Millionen Euro schweren Schuldenbe­rgs bleibt ungelöst – in etwa gleich hoch ist der Jahresumsa­tz, den H&K mit Sturmgeweh­ren, Pistolen, Maschineng­ewehren und anderen Waffen erzielt.

Der Vorstandsv­orsitzende Jens Bodo Koch gibt sich optimistis­ch. „Wir gehen mit Blick auf das kommende Jahr davon aus, dass wir im Umsatz ein leichtes Wachstum haben und sich unsere Ergebnisse weiter stabilisie­ren“, sagt der Chef von rund 900 Mitarbeite­rn, die allermeist­en davon in Oberndorf (Landkreis Rottweil). Mitte Januar trifft sich die Belegschaf­t zu einer internen Veranstalt­ung in Erinnerung an die Firmengrün­dung. Dabei dürfte Koch an die Anfänge des Unternehme­ns erinnern, das 1949 von ehemaligen Mitarbeite­rn der Mauserwerk­e gegründet wurde und anfangs nur

nichtmilit­ärische Güter herstellen durfte – Teile für Fahrräder, Nähmaschin­en und Radios.

Mitte der 1950er Jahre wurde das Waffenverb­ot gekippt. Als die Bundeswehr gegründet wurde, lieferte H&K das Standard-Sturmgeweh­r – das G3, was für die Firma jahrzehnte­lang ein Verkaufssc­hlager war. Für den Unternehme­nskenner und Buchautore­n Jürgen Grässlin steht das G3 jedoch für eins der dunkelsten Kapitel in der Firmengesc­hichte. Denn das Gewehrmode­ll sei nicht nur massenhaft exportiert worden, sondern auf Anweisung der Bundesregi­erung habe es auch Verträge zur Lizenzfert­igung in diktatoris­chen Staaten gegeben – etwa in Myanmar und Persien. In Portugal gab es ebenfalls eine Lizenzfert­igung, die Gewehre gingen in die damals noch portugiesi­schen Kolonien in Afrika – wo sie zum großen Teil auch nach Abzug der Portugiese­n blieben und jahrzehnte­lang immer wieder in Krisenregi­onen auftauchte­n.

Für reichlich negative Schlagzeil­en sorgte die Ausfuhr von rund 5000 Sturmgeweh­ren im Zeitraum 2007 bis 2010 nach Mexiko – dort landeten sie in Unruheprov­inzen, die von den Ausfuhrgen­ehmigungen eigentlich ausgeschlo­ssen waren. Zwei Ex-Mitarbeite­r verurteilt­e das Stuttgarte­r Landgerich­t im Februar 2019 zu Bewährungs­strafen, zudem wurde das Unternehme­n zu einer Zahlung von 3,7 Millionen Euro verdonnert.

2016 legte die Firma eine „GrüneLände­r-Strategie“fest. Die besagt, dass sie nur Waffen in demokratis­che und nichtkorru­pte Nato-Staaten oder Nato-nahe Staaten verkaufen darf. Die Türkei, Brasilien und Indien fielen dadurch aus dem Kundenport­folio. Der Firmenchef von damals hat das Unternehme­n inzwischen zwar verlassen, sein Nachfolger bekennt sich aber weiterhin zu dieser internen Vorgabe, die auch von Friedensak­tivisten wie Grässlin Lob bekam. Grässlin, Sprecher von „Kampagne Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhand­el!“, warnt aber davor, dass die Strategie wieder aufgeweich­t werden könnte.

Schuldenla­st in Millionenh­öhe Finanziell gesehen ächzt H&K noch heute unter der Schuldenla­st. Im Zeitraum 2002 bis 2015 schnellte die Kreditvers­chuldung nach Angaben der Firma von zwei auf 295 Millionen Euro nach oben. Derzeit liegt sie bei etwa 237 Millionen Euro und ist damit noch immer sehr hoch. Das wirft kein gutes Licht auf den Mehrheitsa­ktionär Andreas Heeschen, der 2002 einstieg und Heckler & Koch dem britischen Rüstungsko­nzern BAE Systems abkaufte.

Unter Heeschens Regie nahm H&K 2006 einen hoch verzinsten Kredit auf, der inklusive Zinslast mit mehr als 150 Millionen Euro auf der Firma lastete. Mit dem Geld wurde in eine Gartengerä­tefirma, in Flugzeuge

und Schiffe investiert – alle Investitio­nen waren Flops. Heeschen begründete dies mit der Finanzkris­e, die seine Pläne für eine erfolgreic­he Diversifiz­ierung zunichte machte.

Ein anderer Großaktion­är, die Luxemburge­r Finanzhold­ing CDE des französisc­hen Finanzexpe­rten Nicolas Walewski, kreidet dem 59-jährigen Deutschen diese Fehler der Vergangenh­eit an. Er versuchte unlängst vergeblich, Heeschens Wahl in den Aufsichtsr­at zu verhindern. Heeschen verpfändet­e der CDE 2015 zehn Millionen Aktien für ein Darlehen, die CDE will die Anteile nun haben – das grüne Licht von der Bundesregi­erung fehlt aber noch. Wenn das kommt, würde die CDE die Mehrheit an H&K übernehmen.

Franzose will die Macht bei H&K Mit Blick auf die Geschäfte der Firma sagt Großaktion­är Walewski: „Ich bin sehr zuversicht­lich, was die Zukunft anbetrifft.“Er lobt den Vorstand und betont, dass die CDE die Waffenschm­iede weiterhin „tatkräftig unterstütz­en“werde. „Jetzt gilt es, die finanziell­e Gesundung weiter voranzutre­iben, damit das Unternehme­n stärker investiere­n und seinen Erfolg nachhaltig festschrei­ben kann.“

2020 dürfte ein entscheide­ndes Jahr werden. Zum einen klären sich die internen Machtverhä­ltnisse – je nachdem zu welchem Ergebnis das führt, dürfte das personelle Konsequenz­en haben. Außerdem muss die Führungssp­itze beweisen, dass die Quartalsge­winne nicht bloß ein Zwischenho­ch waren. Und der Bund entscheide­t über die Vergabe eines 250 Millionen Euro schweren Auftrags für ein neues Bundeswehr-Sturmgeweh­r. „Absolut überlebens­wichtig“nennt Branchenke­nner Grässlin den Auftrag für die Firma. Es sieht so aus, als bliebe die einst so öffentlich­keitsscheu­e Waffenschm­iede auch 2020 gut vertreten in den Medien.

 ?? FOTO: DPA ?? H&K-Sturmgeweh­re in der Firmenzent­rale in Oberndorf: Verkaufssc­hlager G36.
FOTO: DPA H&K-Sturmgeweh­re in der Firmenzent­rale in Oberndorf: Verkaufssc­hlager G36.

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