Habt Ihr einen Knall?
Es ist Zeit für gute Vorsätze. Warum nicht an Silvester damit anfangen?
KlimaschutzGist schon eine tolle Sache. Kann man schwer dagegen sein. Und umso leichter dafür. Weniger fliegen? Unbedingt! Fahre eh nur Auto. Weniger Fleisch? Klar! Esse eh nur Wurst. Und der Strom für Smartphones, Tablets und Alexas? Öko! Von glücklich freidrehenden Windrädern aus niedersächsischer Bodenhaltung.
Wieso so zynisch, fragen Sie? Nun, Zynismus ist laut Jean Genet der geglückte Versuch, die Welt so zu sehen, wie sie ist. Denn machen wir uns doch nichts vor: Wir wissen, dass sich für unser aller Überleben etwas ändern muss. Aber bitte doch nicht gleich unser aller Leben, Herrgott! Nicht dieser Angriff auf unsere Leitkultur, den Verbrennungsmotor. Nicht auf unsere Kulturgeschichte als Mammut jagende Karnivoren. Nicht auf unsere abendländische Identität, den Schweinsbraten – und schon gar nicht auf unsere Tradition der konzentrierten Luftverpestung und konzertierten Tierfolter, das Silvesterfeuerwerk. Kann denn diese schwedische Göre mit ihrem globalen Heer aus minderjährigen Nervensägen nicht einfach die Welt retten, ohne uns allwöchentlich daran zu erinnern, dass wir sie tagtäglich zerstören– how dare you?
In der Klimadebatte verhalten sich viele wie der Raucher, der zwar um die hohe Wahrscheinlichkeit weiß, dass ihn seine ungesunde Gewohnheit frühzeitig töten wird - der von diesem Wissen aber eigentlich nix wissen will. Und da er offensichtlich gerade nicht zu sterben scheint, raucht er eben weiter.
Einigen Menschen fehlt die Einsicht, manchen die Lust und vielen die Disziplin, um nicht nur klimabewusster zu wählen, sondern auch danach zu leben. Mit dem Feuerwerk zu Silvester stinkt dann eine Kombination aus allem zum Himmel und man erfreut sich an der trügerischen Schönheit des Augenblicks. Hurra, wir leben noch – neues Jahr, neues Glück!
Es gibt die Vernunftsverweigerer und Feuerwerksapologeten, die sich als Rebellen gegen eine angebliche Klimahysterie verstehen, immun gegen Verbieteritis, Hüter einer aus der Zeit gefallenen Normativität, während um sie herum schulschwänzende Veganer die Welt auf links krempeln. Jeder Böller wird zum Widerspruch gegen den unausweichlichen Paradigmenwechsel, jede Feuerwerksrakete eine Voodoo-Nadel ins Sternbild der großen Greta.
Man will sich schließlich nicht auch noch über den Unsinn der Silvesterknallerei belehren lassen, nachdem man sich schon nicht über täglichen Fleischkonsum oder Monster-SUVs belehren lassen wollte. Klimaschutz ja, aber doch nicht so! Wie dann?
Nicht so!
Hier verzweifelt die Vernunft mit ihren Überzeugungsversuchen und überlässt der Bigotterie entnervt das Feld. Deshalb wird der Himmel über Deutschland auch in der Silvesternacht 2019 wieder grellbunt explodieren. Und ebenso die
Luft, die wir atmen. Rund 4000 Tonnen Feinstaub in nur wenigen Minuten – das sind zwei Prozent der jährlichen Gesamtquote. Über 190 Tonnen Feuerwerksmüll allein in den fünf größten Städten des Landes. Dazu unzählige Tiere, die durch Lärm, Gestank und visuelle Überreizung lebensbedrohlichem Stress ausgesetzt sind. Und der Balla-Baller-Wahn hat seinen Preis: Mit rund 130 Millionen Euro verpesten und vermüllen die Deutschen diese letzte Nacht des Jahres, was in etwa dem Jahresgesamtetat des Umweltbundesamtes entspricht.
Doch es besteht die Chance, dass die Intensität abnimmt, denn die Vernunft kapituliert nicht grundsätzlich. Man muss nur einsehen, dass einem logisches und somit ökologisches Handeln selten so einfach gemacht wird wie beim Verzicht auf Feuerwerk in der Silvesternacht. Denn versuchen Sie doch einfach mal auf dem Land ohne Auto auf den ÖPNV zu vertrauen. Versuchen Sie sich doch einfach mal über längere Zeit an völligem Fleischverzicht und einem plastikfreien Alltag. Das geht schon alles. Nur eben nicht so einfach, wie einfach nicht zu böllern.
Niemand sagt, dass die existenzielle Neukalibrierung unserer Lebensweise angesichts der Klimakrise leicht werden würde. Aber wir dürfen es uns auch nicht zu leicht machen. Mobilitäts- und Energiewende, Umdenken bei Ernährung und Konsumverhalten. Das sind schon ziemlich dicke Bretter – nur kommt Borniertheit eben nicht von Bohren.
Wie also will man für eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung am großen Rad drehen, wenn die kleinen Zahnrädchen – nämlich wir Einzelnen – blockieren? Das lächerliche Klimapaketchen der Bundesregierung suggeriert es zwar auf fatale Weise, doch ein “Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass” wird gegen den Klimawandel nicht funktionieren. Wir müssen dafür schon auch alle etwas tun, indem wir gewisse Dinge in unserem Leben eben nicht mehr tun - auch wenn wir uns damit schwertun.
Weniger Fleisch, weniger Müll, weniger Flugzeug und Auto - wer gute Vorsätze für 2020 sucht, macht mit mehr Klimabewusstsein nichts falsch. Mit einem Verzicht auf Feuerwerk wäre der erste gute Vorsatz fürs neue Jahr bereits erfüllt, bevor es überhaupt begonnen hat. Und das, da gibt es einfach keine Ausreden mehr, wäre doch gar nicht mal so schwer.